062 - Mats Hummels

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Nervös flattert mein Herz in der Brust. Es zerfrisst mich beinahe und ich weiß nicht, was ich dagegen tun soll.

»Ist alles okay?« Mats Stimme reißt mich aus meinen Gedanken und holt mich dabei ins Hier und Jetzt.

Scheiße. Niemals darf ich mich bei meiner Arbeit ablenken lassen und jetzt-

»Es ist alles gut«, innerlich schüttle ich mich, ordne meine Gedanken wieder und blicke zu dem braunhaarigen Innenverteidiger.

Musternd sieht er mich an, so eindringlich, dass es in mir warm wird und meine Gedanken beinahe ein zweites Mal abschweifen. Aber nur beinahe.

»Y/N, ich kenne dich schon eine Weile«, erwidert er.

»Du meinst, ich kenne deinen Körper schon eine Weile«, kontere ich und brauche einige Sekunden, bis ich realisiere, was ich da eigentlich von mir gegeben habe.

»A-also...«, stottere ich, doch Mats lacht nur laut auf.

Ich liebe sein Lachen, den Klang seiner tiefen Stimme und die tiefen Grübchen, die sich bilden, wenn seine Lippen sich zu einem Grinsen verziehen.

Wo ist ein Loch, wenn man es mal braucht?

»Gott, ich bin so peinlich«, denke ich, doch in demselben Moment, in dem ich Mats anblicke, wird mir bewusst, dass ich das ebenfalls laut gesagt habe.

Kann es noch peinlicher werden?

»Du bist keinesfalls peinlich, Y/N. Nur ein wenig verstreut.« Mats erhebt sich von der Liege und ist mit einem Mal gute anderthalb Köpfe größer als ich. »Das hast du gut hinbekommen«, redet er weiter und ich bin dankbar darüber, dass wir nicht mehr darüber reden, dass ich mich selbst eine Prostituierte genannt habe.

»Tjaa«, ziehe ich das Wort lang, weil ich vor Verlegenheit nicht mehr rausbekomme. »Immerhin kriege ich das gut hin, wenn das Sprechen schon nicht zu meinen Stärken dazu gehört.«

Dabei liegt es einzig und allein an Mats Anwesenheit, dass unkontrollierte Sätze meinen Mund verlassen. Es ist nicht, dass ich mich nicht mit ihm unterhalten kann, nur passiert des Öfteren, dass ich vor Nervosität Dinge erzähle, die ich keinem Patienten erzählen sollte. Aber jedes Mal nimmt Mats es locker und haut selbst einige peinliche Geschichten heraus, die ihm passiert sind. Und dafür bin ich dankbar, dann fühle ich mich weniger schlecht.

»Also, was ist los?«, kommt er auf den Anfang zurück.

Ich schlucke hart. Seine braunen Augen liegen auf meinen. Er sieht mich nicht nur an, jedes Mal, wenn er mich anblickt, fühlt es sich an, als würde ich ihm ein stück weit meiner Seele anvertrauen.

»Ich weiß, es ist eigentlich lächerlich, schließlich spielt ihr das Spiel, aber ich werde einfach immer nervöser«, gebe ich dann endgültig nach.

»Das Halbfinale in Paris«, trifft er dann auf den Punkt. Ich kann nur nicken.

Es ist zwar nicht meine erste Saison bei Borussia Dortmund, doch als die Borussia das letzte Mal ins Finale der Champions League eingezogen ist, war ich um einiges jünger und habe das Geschehen vor dem Fernseher verfolgt.

Übermorgen werde ich anwesend sein. Unten am Feld, in der Hoffnung, dass ich nicht gebraucht werde, denn wir brauchen jeden der Spieler topfit.

»Ja.«

»Hey. Sieh mich an«, murmelt Mats und plötzlich liegen seine Hände auf meinen Wangen. Mit sanfter Gewalt zwingt er mich, ihn direkt anzusehen. Ich verliere mich in seinen schokoladefarbenen Augen.

»Ich verstehe dich. Das erste Mal ist immer etwas besonderes, auch als Physio.«

Ich sehe, wie seine Lippen sich bewegen, doch seine Worte kommen nicht an, zu sehr bin ich in meiner eigenen Welt gefangen. In meiner Welt, in der Mats mich einfach küsst. Mein Herz flattert wie verrückt in meiner Brust, dieses Mal nicht, weil es morgen schon nach Paris geht, dieses Mal, weil Mats Duft mich benebelt, er mir so nah steht, wie noch nie.

»Also bin ich nicht verrückt?«, will ich leise wissen.

Mats grinst und automatisch wandern meine Mundwinkel ebenfalls nach oben. »Manchmal ein kleines bisschen«, grinst er breit und entsetzt öffne ich meinen Mund. »Aber weißt du was?« Sein Daumen kreist ganz leicht über meine Wange und auch, wenn ich es kaum für möglich gehalten habe, kommt er mir noch ein Stückchen näher. Ich spüre seinen Atem auf meinen Lippen. »Das mag ich besonders an dir.«

Bumm. Bumm.

Mein Herz droht nach Mats Worten zu explodieren. Mein gesamter Körper beginnt zu kribbeln, während ich mich ihm entgegenlehne.

Ich weiß, dass wir das hier alles nicht tun dürfen. Dass das unprofessionell ist, doch zwischen Mats und mir war es von Anfang an etwas anderes.

Scheiße. Ich bin so hoffnungslos verloren.

Mats befeuchtet seine Lippen, seine Augen wandern über mein Gesicht, dass es sich anfühlt wie eine liebliche Liebkosung. »Wir sehen uns morgen in Paris«, flüstert Mats.

Meine Kehle ist ausgetrocknet, dass ich kein einziges Wort herausbekomme. Deswegen nicke ich nur.

»Bis morgen«, kriege ich dann mit krächzender Stimme heraus. Er schenkt mir einen weiteren tiefen Blick, es scheint, als würde er sich ebenfalls nicht lösen wollen, als er sich noch ein Stück zu mir beugt.

Bumm. Bumm. Seine unendlich weichen Lippen treffen auf meine Haut. Bumm. Bumm.

Mats küsst mich auf meinen Mundwinkel und dann lässt er mich alleine stehen. Ich kann ihm nur hinterherstarren.

*

Mein armes Herz verkraftet das nicht. Theoretisch stehen wir schon im Finale der Champions League, aber dennoch fordern die Pariser uns heraus und ohne unseren 12. Mann, dem Aluminium, würde es schon ganz anders aussehen. Ich kann mir das einfach nicht ansehen und dennoch liegt mein Blick die ganze Zeit auf einem Spieler. Der Nummer 15, für die mein Herz ein wenig zu schnell schlägt.

Dann, in der 50. Minute passiert der Befreiungsschlag in Form einer Ecke, mit einem Kopfballtor von Mats Hummels.

*

»Fuck, fuck, fuck«, schreit Thorben, der mich sofort in seine Arme zieht.

»Finale!«, jubele ich ebenfalls, lasse alle meine angestauten Emotionen heraus. Mit 2:0 konnten wir gewinnen und sind seit 11 Jahren endlich wieder im Finale der Champions League - und was mich noch mehr freut, ist, dass Mats das Tor zur Befreiung geschossen hat.

Dieses Gefühl, auf diesem Platz zu stehen, ist einfach unbeschreiblich. Man kommt keine drei Meter, ohne jemanden zu gratulieren und gemeinsam zu feiern. Sei es einer der Jungs auf dem Platz oder einen aus dem Trainerstab, aber eigentlich suchen meine Augen nur nach einem.

»Y/N!« Jemand ruft nach mir, doch auf dem Platz herrscht so ein reges Treiben, dass ich nicht ausmachen kann, woher es kommt. Überall rennen jubelnde Leute herum und selbst die 2.000 Fans, die mitreisen durften, sind lauter als das gesamte Stadion. Die Euphorie fließt durch all unsere Körper.

»Hey!« Eine Hand berührt mich an meiner Schulter, die Stelle kribbelt und mit einem breiten Grinsen drehe ich mich zu dem Besitzer dieser Hand um.

»Ihr habt es geschafft!«

Ich blicke in leuchtende, schokoladenfarbene Augen. »Mats! Du hast ein Tor geschossen, wow, ich kann es gar nicht gl-« Ich rede so laut, dass man es beinahe schon als schreien bezeichnen könnte, aber Mats lässt mich diesen Satz nicht beenden. Der Ausdruck in seinen Augen ändert sich, lässt mich verstummen und dann kann ich nicht einmal mehr reden, selbst wenn ich es wollen würde.

Er lächelt mich an. Sein Lächeln ist so voller Liebe, dass mein Herz einen Takt aussetzt. Dieser Mann macht mich verrückt. Ich erwidere sein Lächeln und als er sich dann zu mir runterbeugt, fühle ich etwas, das ich seit einer Ewigkeit vermisst habe. Alles mit einem Menschen zu teilen; Erlebnisse, Gefühle und Nähe. Die Verbundenheit, die ich jedem wünsche.

Mats Lippen treffen auf meine, küssen mich mit so einer Sanftheit, dass ich in dieser Berührung förmlich dahinschmelze, während ich mich an seinem Körper schmiege. Die einzige Konstante, die mich in dieser Situation auf den Beinen halten kann.

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