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Fünf Minuten später öffnet sich die Beifahrertür und Arian steigt ein. Mein Schwager dreht sich zu mir um und fragt, wie es mir geht, woraufhin ich ihm auch antworte.
Während der Fahrt schaut mich Miran durch den Rückspiegel an, um sich zu vergewissern, dass es mir gut geht. Ich bin jedoch völlig aus der Realität gefallen und schaue nachdenklich aus dem Fenster.

An der Villa angekommen, gehe ich schweigend aus dem Auto, direkt in das Anwesen zum Schlafzimmer. Doch als ich aus dem Auto steige, ohne die beiden Männer auch nur eines Blickes zu würdigen, höre ich noch, wie Arian seinen Bruder fragt, was mit mir los ist, worauf er keine Antwort gibt.

Das Einzige, was ich jetzt will, ist meine Ruhe. Ich möchte allein sein und mich entspannen.
Also ziehe ich mir etwas bequemes an. Eine Jogginghose und ein T-Shirt von Miran, weil ich die im Moment lieber trage als meine engen T-Shirts. Ich mache mir noch einen Messy Bun, gehe aus dem Zimmer, direkt in den Raum daneben zu meiner Bibliothek.

Ich ziehe die Vorhänge zu, mache alle Lichter an, damit es so gemütlich wie möglich ist. Ich nehme mir ein Buch und kuschle mich mit einer Decke und einem riesigen Kissen in meinen Sessel. Gedankenverloren betrachte ich den Raum und die kleine Deatils, während mein Buch auf meinem Schoß liegt.

Ich glaube, das ist alles zu viel für mich. Ich bin so viel Aufmerksamkeit nicht gewohnt und kann damit nicht umgehen. In letzter Zeit ist so viel passiert, dass ich den Überblick verloren habe und kaum Zeit für mich hatte. Mal war ich mit Miran zusammen und dann, wenn ich nicht mit ihm zusammen war, musste ich entweder lernen, war in der Schule oder meine Tante hat mich für mein Amt vorbereitet. Ich liebe es Zeit mit Miran zu verbringen, aber daneben bräuchte ich auch Zeit für mich alleine um meine Gedanken zu ordnen.

Natürlich kann ich in meinen Therapiestunden meinen Gedanken freien Lauf lassen, aber irgendwie sage ich meiner Therapeutin nicht die ganze Wahrheit. Ich lasse vieles aus.

Ich kann immer noch nicht fassen, wie viel in so kurzer Zeit passieren kann. Ich bin verlobt. Die ganze Welt kennt mich und in ein paar Monaten werde ich gekrönt. Endlich konnte ich mich an meinem Onkel rächen. Ich habe meinen Cousin kennengelernt und damit auch einen Teil meines älteren Bruders. Aber ich finde es schade, dass mein Bruder mir keinen Brief hinterlassen hat, sondern nur meinen Cousin. Ich höre so viel über meine verstorbene Familie. Wie meine Eltern früher waren, wie sie sich kennengelernt haben und vieles mehr, aber ich wünschte sie wären hier und ich könnte sie kennenlernen.

Aras ist auch so eine Nummer. Nur Miran und Arnesa kennen die Geschichte zwischen Aras und mir. Als ich Miran von Aras erzählte, dachte ich, er wäre wütend oder eifersüchtig, aber stattdessen fand er es gut. Er ist Aras sogar dankbar, dass er mir so geholfen hat.

Die Geschichte von Aras und mir ist ein bisschen kompliziert und lang. Wir waren von der fünften bis zur zwölften Klasse in einer Klasse. Aber ab der zwölften Klasse trennten sich unsere Wege. Er ging in ein anderes Profil und ich in ein anderes. Jetzt ist er in meiner Parallelklasse. Wir haben ein paar Fächer zusammen, aber wir reden nicht mehr miteinander.

Mit Aras hatte ich eigentlich nichts zu tun. Wir waren ganz normale Klassenkameraden, mehr nicht. Aber in der zehnten Klasse hat er mir immer nach der Schule geschrieben, aber das waren nur Fragen über die Schule. Ab und zu hat er auch Belangloses geschrieben, aber meistens haben wir nur über Schulsachen geschrieben, mehr nicht.

In der elften Klasse, als wir beide in eine neue Klasse gekommen sind, hat er angefangen, so eine Art Freundschaft zu mir aufzubauen. Wir haben wirklich jeden Tag geschrieben. Es gab keinen Tag, an dem wir nicht geschrieben haben. Wir haben über alles Mögliche geredet. Filme/Serien, Fußball, Schule und vieles mehr. Ich habe ihn sogar dazu gebracht ein Buch zu lesen oder Bollywood Filme zu schauen.

In dieser Zeit wurden auch meine Panikattacken in der Schule schlimmer. Ich konnte es in der Klasse nicht lange aushalten, sobald es ruhig wurde. Es fiel mir auch sehr schwer mich mündlich zu beteiligen.
Aras hatte angefangen mir mehr zu vertrauen und mit mir über Dinge zu reden, die ihn belasteten. Er wusste auch, dass mit mir psychisch etwas nicht stimmt und hat immer versucht mit mir darüber zu reden, aber ich habe immer vom Thema abgelenkt.

In der Schule haben wir nie miteinander geredet. Er hat mich jeden Tag begrüßt oder mich manchmal geärgert, aber das war alles.

Eines Tages hatte ich im Unterricht eine Panikattacke. Ich habe stark geweint und gezittert. Niemand war zu der Zeit in der Klasse oder hatte es bemerkt, außer Aras. Er hat mich die ganze Zeit beobachtet. Als ich es gemerkt habe, bin ich sofort aufgestanden und an ihm vorbei direkt zur Toilette gegangen, um mich zu beruhigen.

Am Nachmittag nach der Schule hat er mir geschrieben und gefragt, was los war. An dem Tag habe ich Mut gefasst und ihm von meinen psychischen Problemen erzählt. Natürlich habe ich ihm nichts von der Entführung oder meinem Trauma erzählt. Nur von meiner Angststörung in der Schule.

Ruhumun HuzuruWo Geschichten leben. Entdecke jetzt