Kapitel 2.3: Im Alleingang

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Mera

„Weiche!"

Es war Damians Stimme, eindeutig, was da aus seinem Mund drang. Veronika, die am Boden kauerte, nachdem er sie wie durch ein Wunder losgelassen und die Spina gegessen hatte, hob den Kopf.

Etwas brach aus Damians Brust. Etwas monströses, schwarzes. Es versuchte, sich an ihm festzuklammern, wehrte sich mit Zähnen und Klauen. Nach einem verzweifelten Schrei wurde es von ihm geschleudert, durch das halb geöffnete Fenster, hinaus in die Nacht. 

Das wutentbrannte Kreischen der Kreatur ließ die Scheiben im ganzen Raum bersten. Scherben regneten auf uns herab. Thalia und ich bargen den Kopf in den Armen, als wir von einer Druckwelle zurückgeworfen wurden, doch Damian blieb von all dem völlig unberührt. Er hatte die Augen geschlossen und atmete schwer.

Veronika stützte sich an der Stuhllehne ab und hievte sich zu ihm hoch, zitternd. „Damian?"

Blinzelnd öffnete er die Augen. Braun, wie ich sie schon so oft durch das Schwiegermutterglas gesehen hatte, nicht gelb. Ich atmete erleichtert aus. Sein Blick wanderte suchend durch den Raum, fand Veronika. „Mutter?", flüsterte er heiser.

Sie legte eine Hand an seine Wange. „Damian." Mit einem Schluchzen zog sie ihn zu sich und schlang die Arme um ihn.

Mühsam erhob ich mich. Unter meinen Stiefeln knirschten Glasscherben und ich tauschte einen Blick mit Thalia. Selbst ich, die stets kontrollierte Waldweise, hatte Tränen in den Augen, während wir zusahen, wie Veronika Damian in ihren Armen wiegte, ihre Wange an seine gepresst. 

Wir hatten es geschafft. Noch fiel es schwer, es wirklich zu realisieren, aber-

Wir hatten es tatsächlich geschafft.

Thalia räuspere sich. „Ich störe die Wiedersehensfreude ja nur ungern. Aber wir sollten wirklich schnellstens hier weg. Wenn ich bitten darf, Majestät."

Damian löste sich von Veronika und sah zu uns hinüber. Als sein Blick von Thalia zu mir wanderte, breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. „Wie kommt ihr beide denn hier her?"

In diesem Moment drang ein tiefes Grollen, wie ein ferner Donner aus der Dunkelheit vor dem Fenster. Thanatos. Und er war richtig wütend.

„Später", drängte Thalia ungeduldig, „los jetzt. Oder willst du wieder die Puppe eines Unsterblichen werden?"

Ich zog Veronika, die sich weigerte, Damian loszulassen, mit ihm auf die Füße. Damians erste Schritte waren unsicher, wie als müsste sich sein Gehirn erst daran gewöhnen, dass es die Befehle über seine Beine wieder selbst gab, aber Veronika stützte ihn.

„Majestät." Thalia drücke ihm sein Schwert in die Hand. „Ich hoffe, du erinnerst dich, wie man damit umgeht."

Er nickte grimmig. Zu viert stürzten wir hinaus in den Flur und die dunklen Korridore entlang. „Ein König, der aus seinem eigenen Palast flieht", murmelte Damian belustigt, als wollte er alle Worte, die er in den letzten Wochen nicht sagen konnte, nachholen. „Das ist...skurril."

Ich schnaubte und stieß die Tür zum Geheimgang auf. „Frag mich mal, was in meinem Leben in den letzten Wochen nicht skurril war..."

„Zum Beispiel?"

„Naja." Thalia führte uns an, durch die tunnelartigen Gänge in Richtung Tempel. „Hat sich rausgestellt, dass deine schlafende Hexe Meras Mutter ist."

„Aber", Damian starrte mich an, „dann bist du-"

„Eine Hexe. Ja. Kam für mich auch überraschend."

Die Dornen der GötterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt