Kapitel 87, schlimmerer Teufel

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Chace und ich halten uns seit einer halben Stunde auf dem Schulgarten auf. Ich habe ihm mehrmals gesagt, dass ich nicht aufhalten möchte, da er selber auch nur zur Universität gehen muss, aber er hat darauf bestanden seine letzten paar Minuten mit mir zu verbringen.

"Wirst du es ihm sagen?" , fragt er mich.

"Ich bin mir nicht sicher, aber ich denke noch nicht."

Harry ist sehr empfindlich wenn das Thema zu seiner Vergangenheit kommt. Auf keinen Fall will ich seine unerwünschten Erinnerungen an seine Kindheit, die Zeiten vor Mary und Robert, aufbringen und ihn verletzen.

Wir lassen uns auf eine Holzbank nieder. Ich bin froh, dass wir uns einen zweiten Kaffeebecher mitgenommen haben. Ich nehme einen großen Schluck vom Becher.

"Ich weiß nicht mehr was ich denken soll." , gibt er zu.

"Es ist wirklich kompliziert." , stimme ich zu. "Nur, wie wollen wir exakt dahinter kommen? Hast du einen Plan?" 

Ungewollt wandern meine Gedanken wieder zu Harry. Er, als Meister der Spiele, würde sicherlich einen Plan im Kopf haben.

"Ich spreche Dad einfach darauf an." , er zuckt mit den Schultern.

"Einfach so?" , frage ich unsicher.

"Wenn Harrys Mutter wirklich lebt, dann müssen wir das für ihn rausfinden." , er nickt. "Er ist mein Bruder." , fügt er lächelnd hinzu.

"Willst du mich dabei haben?" , biete ich ihm an.

...

"Hier wären wir." , sagt Chace.

Ich habe beschlossen für heute die Schule zu schwänzen. Wäre es nicht etwas derart wichtiges, dann würde ich natürlich nicht darauf bestehen. Ich habe Hanna eine SMS geschrieben, in der ich ihr auch gesagt habe, dass ich heute fehlen werde. Bislang hat sie nichts zurückgeschrieben.

Wir steigen vom Auto aus und gehen mit langsamen Schritten auf deren Haus zu - das Haus der Styles. Irgendwie zittern meine Beine. Ich glaube deren Vater schüchtert mich ein wenig ein, auch wenn ich es nie zugeben würde. Im Vergleich zu meinem Haus, gibt es hier weder einen Garten, noch einen zweiten Stockwerk. 

Dann sperrt Chace auch schon auf. Im Gegensatz zu mir, zieht er seine Schuhe nicht aus. Unwillkürlich folge ich ihm, ohne meine Schuhe auszuziehen. Warum macht man das Haus extra dreckig? 

"Mom?" , ruft er durch das Haus. 

Es kommt keine Antwort zurück.

"Bestimmt ist sie einkaufen." , versichert er mir.

Ich nicke und betrachte die ganzen Bilder an den Wänden, während wir durch das Haus laufen. Es hängen so viele Bilder, dass es unmöglich ist sich alle anzuschauen. Seine Mutter ist im Gegensatz blond mit blauen Augen. Er muss seine Augenfarbe von ihr haben, das sieht man gleich beim ersten Blick.

"Dad?" , ruft er.

Chace betritt einen Raum und ich folge ihm auf Schritt und Tritt. Der Mann sitzt mit dem Rücken zu uns auf dem Sofa und dreht halb seinen Kopf hierher.

"Warum bist du um diese Uhrzeit hier?" , fragt er mit seiner rauen Stimme.

Seitdem ich weiß, dass er auch Harrys Vater ist, vergleiche ich beinahe alles zwischen den beiden. Chace hat definitiv nicht eine derartig raue und tiefe Stimme wie Harry und sein Vater.

"Ich habe jemanden mitgebracht." , sagt Chace und ignoriert seine Frage.

Chace hält mich unerwartet an der Hand und zieht mich mit sich zum zweiten Sofa, gegenüber dem des Vaters. Als der Mann mich erkennt, vergrößern sich seine Pupillen. Mein Atem stockt für einen Moment, bis ich mich räuspere und ihm ein Lächeln schenke.

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