Kapitel 32, Mary Williams

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Am nächsten Morgen habe ich meine Schlüssel in meinem Schuh gefunden. Er muss reingefallen sein, als ich ihn eigentlich in meine Tasche werfen wollte. Gott sei Dank habe ich ihn nicht verloren. Der herrliche Geruch von Omelett erfüllt das Haus. Mein Magen knurrt wie sonst nie, als ich anfange zu essen.

Gerade als ich dabei bin mein Besteck in die Hände zu nehmen, klingelt es an der Tür. Ich frage mich wer das sein könnte, als ich die Tür öffne. Eine alte Dame steht vor mir, die zu meinem Erstaunen wunderschön aussieht. 

"Oh, bin ich falsch?" , fragt sie verwirrt.

"Wen suchen sie denn?" , frage ich nach.

"Edward." 

Sie lächelt nach ihren Worten und ihre weißen Zähne treten hervor. Trotz ihres Alters hat sie schön gepflegte Zähne. Ihre blau-grauen Augen strahlen, nachdem sie den Namen ausgesprochen hat.

"Tut mir Leid, ich kenne keinen Edward." , enttäusche ich sie.

"Oh." , sie senkt ihren Kopf.

Ich kann es gar nicht sehen, wenn alte Menschen traurig sind und gar erst leiden. Ihre Stimme hört sich traurig an und es macht mich automatisch auch traurig.

"Möchten sie vielleicht rein kommen?" , biete ich schüchtern an.

Die Dame hebt ihren Kopf und schaut mich lächelnd an. Dann nickt sie und es bringt mich zum Schmunzeln. Ich trete einen Schritt zur Seite, sodass sie rein kann.

"Haben sie Hunger? Ich habe gerade gegessen."

"Das ist lieb." , sagt sie.

Zusammen gehen wir in die Küche. Sie setzt sich an den Tisch. Ich teile mit der Fremden meinen Omelett. Schnell nehme ich ihr die Jacke ab und hänge sie auf. Ich liebe es, wenn ich Menschen durch Kleinigkeiten glücklich machen kann, wie zum Beispiel sie zu einem gemeinsamen Frühstück einladen.

"Solche netten Jugendlichen wie dich trifft man heutzutage selten." , lächelt sie.

Ich bedanke mich bei ihr und stelle eine Tasse Tee neben ihrem Teller ab. Es ist merkwürdig mit jemandem am Tisch zu sitzen, den ich vor nicht einmal fünf Minuten kennengelernt habe. Innerlich weiß ich, dass sie keine schlechten Absichten hat und ganz nett ist. 

"Mein Name ist übrigens Mary Williams." , informiert sie mich.

"Ich bin Katherine." , erwidere ich. "Sie suchen einen Edward? Vielleicht könnten sie ihn ja mal anrufen?"

"Liebes, ich wollte meinem Edward eine Überraschung machen. Außerdem besitze ich kein Handy und seine Nummer habe ich nur Zuhause liegen."

"Oh."

Ich nehme einen Schluck von meinem Fencheltee, während ich mir überlege, wie ich ihr helfen könnte.

"Mrs.Williams, wohnen sie denn weit weg? Vielleicht könnten sie Edward von Zuhause nochmal anrufen." , schlage ich vor.

"Bitte nenne mich doch Mary, ich komme mir alt vor." , lacht sie.

Ich lache über diese Ironie. Schätzungsweise ist Mary um die sechzig. Trotzdem finde ich sie sehr hübsch, ihre Klamotten sind elegant und sie hat fast keine Falten im Gesicht. Wie ist es möglich mit ihrem Alter noch so schön auszusehen? Ich stelle mir immer vor, dass ich viele Falten haben und dick sein werde.

"Ich wohne leider nicht in der Nähe. Ich wollte meinem Edward nur eine Überraschung machen." , antwortet sie. "Der Omelett ist köstlich, Liebes."

"Danke, Mary." , lächle ich. 

Es ist mir ziemlich ungewohnt eine ältere Person mit dem Vornamen anzusprechen, aber wenn es das ist was sie möchte, dann kann sie es gerne haben. 

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