Kapitel 77, erster Flug

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Ich starre wie gebannt aus dem kleinen Fenster, als das Flugzeug über die Bahn rollt. Ich habe beide Hände fest in den Sitz gekrallt, als wären sie meine Rettung bei einem Absturz. Innerlich bete ich zum zweiten Mal, sodass auch alles einwandfrei verläuft bis wir landen.

"Harry." , murmele ich nervös.

"Mhm?" , erwidert er abwesend.

Seine Augen sind immer noch geschlossen und seine Arme hat er immer noch lässig vor der Brust verschränkt.

"Harry." , wiederhole ich.

Das Flugzeug wird immer schneller und meine Angst steigt mit jeder vergangenen Sekunde. Was ist wenn es abstürzt?

"Hast du Angst?" , ertönt die raue Stimme in einem misstrauischem Ton.

Ich bin so unter Druck gerade, dass ich nicht fähig bin ihm zu antworten. Ich schlucke in der Hoffnung, dass ich meine Angst gleich auch mit runterschlucke, aber vergebens. Mein Herz klopft wie wild - so stark war es nicht einmal mit den unzählige Malen mit Harry, als er mir so nah war. Mein Griff um den Sitz wird fester. Ich versichere mich, ob ich auch wirklich angeschnallt bin.

"Katherine." , haucht er an meinem Ohr.

Wenn ich nicht in dieser Situation wäre, hätte das für eine Ablenkung völlig ausgereicht. Mein Mund fühlt sich plötzlich so trocken an. Ich hätte vielleicht doch auf Harrys Platz sitzen sollen. Ich zucke zusammen, als Harry mit einem Finger unter meine Hand fährt um meinen Griff zu lockern. Tatsächlich lasse ich etwas locker und er ergreift die Möglichkeit meine Finger mit seinen zu verschränken. Trotzdem ist mein Blick nach draußen gehaftet.

"Wir heben gleich ab." , informiert er mich.

Ich nicke hastig. Plötzlich hebt das Flugzeug wirklich ab und innerhalb weniger Sekunden befinden wir uns in einer überragenden Höhe. Ich beiße mir auf die Unterlippe um ja nicht loszuschreien. Das wäre nicht nur verdammt peinlich, sondern es wäre auch noch der Horror für die Passagiere. Ich sehe zu, wie binnen Sekunden alles so viel kleiner wirkt. Man fühlt sich wie ein Riese. Alles scheint so klein zu sein, dass man mit der Lupe schauen müsste um etwas zu erkennen. Und dann fliegen wir auch schon durch die Wolken, sodass man nichts mehr sehen kann.

"Schon vorbei." , beruhigt er mich mit sanfter Stimme.

Vorsichtig drehe ich meinen Kopf zu ihm. Ein kleines Lächeln bildet sich auf meinen Lippen, während sich mein Herz allmählich zu beruhigen scheint. Mein Blick wandert runter auf unsere verschränkten Finger. Erst jetzt bemerke ich, dass ich seine Hand die ganze Zeit gezwickt habe. Augenblicklich löse ich meine Finger von seinen. Meine Fingernägel haben sich förmlich in seine Haut gebohrt und dort einen Abdruck hinterlassen - fünf Abdrücke um genauer zu sein.

"Tut.." , ich stottere. "Tut mir so leid."

Ich höre ihn leise lachen. Er ballt seine Hand zu einer Faust und dann lässt er sie wieder locker. Vorsichtig streiche ich mit meinen Fingern über seine Hand.

"Tut es sehr weh? Wieso hast du nichts gesagt? Ich wollte nich-"

"Hey." , stoppt er mich.

Er legt seine freie Hand unter mein Kinn, sodass ich ihn anschauen muss. Ein Lächeln hat sich auf seinen Lippen gebildet, das sein Grübchen zeigt.

"Es tut nicht weh." , beruhigt er mich.

Ich erwidere entschuldigend sein Lächeln. Seine Hand die gerade noch an meinem Kinn lag, liegt jetzt auf seinem Oberschenkel. Die andere Hand hat er sich unter die andere Achsel geklemmt.

"Du bist also noch nie geflogen,ja?" , fragt er fassungslos.

"Ich hatte doch nur Rose und sie hat mit mir in Nashville gelebt. Wohin sollte ich denn fliegen? Ich war mein ganzes Leben nur in Nashville, bis ich eben nach New York gezogen bin." , erkläre ich kurz.

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