Kapitel 82, Zukunftspläne

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Ich stehe auf der großen grünen Fläche und halte Ausschaue nach ihr. Sie sagte, ich solle genau hier auf sie warten und wie gewöhnlicherweise auch, tue ich was sie sagt. Ich drehe mich seufzend um meine eigene Achse in der Hoffnung, sie würde jetzt auftauchen. Und genau als ich mich erneut umdrehe, entdecke ich sie lachend auf mich zulaufen. Ihre braunen Haare wehen ihr ständig ins Gesicht, aber sie lässt sich davon nicht stören. 

"Wo warst du?" , frage ich sie aufgeregt.

Sie schwankt grinsend hin und her, während ich sie mit neugierigen Augen beobachte. Wenig später holt sie eine braune Tüte hervor, die ich vorhin nicht bemerkt hatte.

"Was ist da drin?" , frage ich neugierig.

Ich greife nach der Tüte und hole den Inhalt ohne zu Zögern heraus. Als ich in meine Hand schaue, entdecke ich mehrere bunte Bonbons. Ich reiße erstaunt meine Augen auf. Heute ist Montag und montags bekommen wir hier nie Süßigkeiten.

"Woher hast du das ganze?" , frage ich sie.

Sie strahlt mich an wie schon lange nicht mehr. Ich liebe es, wenn sie dabei dieses minimale Grübchen an ihrer linken Wange bekommt.

"Ich habe es gefunden." , sagt sie.

Ich schaue sie misstrauisch an.

"Gefunden?" 

Ich weiß ganz genau, dass sie das nicht gefunden hat. Keiner von den Kindern hier, lässt seine Tüte einfach irgendwo liegen. Es ist sogar fraglich, warum es nicht gleich verschlingt wurde.

"Fein." , stöhnt sie. 

Daraufhin verdreht sie genervt ihre Augen, bevor sie ihre Arme noch vor der Brust verschränkt.

"Ich habe es gestohlen. Zufrieden?" , murmelt sie.

"Du hast was?" , zische ich.

Augenblicklich lasse ich die Tüte von meiner Hand fallen und der ganze Inhalt verteilt sich auf dem Boden. Es ist nicht das erste Mal, dass sie so etwas macht. Und obwohl ich ihr ausdrücklich verboten habe, solche Sachen zu machen, hört sie mir wie immer nicht zu. So war es schon immer. Obwohl ich um paar Minuten die Ältere bin, hat sie hier das Sagen. Sie war schon immer die Selbstbewusstere und die Mutigere von uns. Ich hasse es, wenn sie stiehlt. 

"Komm schon, sei nicht so eine Heulsuse." , meckert sie.

"Ich bin keine Heulsuse!" , streite ich ab.

"Es sind nur Süßigkeiten,man." , sie verdreht erneut ihre Augen.

Dann bückt sie sich und sammelt den Inhalt wieder auf. Sie wirft alles unachtsam in die Tüte und dann stellt sie sich wieder auf die Beine.

"Heute sind es Süßigkeiten, was wird es morgen sein?" , frage ich aufgebracht. "Du kannst nicht etwas nehmen, was dir nicht gehört. Du hättest einfach fragen können."

"Weißt du Katherine, ich habe keine Lust mehr auf eine Spießerin wie dich! Ich wollte dich nur glücklich machen und die Bonbons mit dir teilen, aber anscheinend kannst du mir nicht einmal dankbar dafür sein! Deine Mutter und dein Vater, beide haben dich zurückgelassen. Du hast nur noch mich, kapierst du das nicht? Ohne mich wärst du hier eine Niete!" , schreit sie mich an.

Ich schaue sie mit weit aufgerissenen Augen an. Meine Augen sind schon glasig. Sie wusste nie wie sehr sie mich mit ihren Worten verletzten konnte. 

"Sag das nicht. Mama und Papa haben uns hier gelassen, damit wir besser leben können. Außerdem haben sie uns nicht zurückgelassen. Sie werden uns wieder abholen." , widerspreche ich leise.

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