Kapitel 97, Kampftag

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Harry hat mir erlaubt auch wieder zurückzufahren. Während der Autofahrt hat er kein Wort mit mir gewechselt und der Grund dafür war mir schon klar. Ich wünschte ich hätte ihn nicht dazu gedrängt dieses Spiel zu spielen, dann wäre das gar nicht erst passiert. Während Harry dem kleinen Jungen eine Freude gemacht hat, hat der kleine Junge Harry einen Stich in die Brust versetzt. Ich verabscheue seinen Vater dafür, dass Harry sogar dreizehn Jahre später noch daran leiden muss. Er hat das nicht verdient. Nur wegen ihm hat Harry sich unter dem Teufel versteckt. 

"Wir sind da." , sage ich leise.

Harry scheint nicht mal bemerkt zu haben, dass ich das Auto seit zwei Minuten schon geparkt habe. Ich wünschte, er würde seine Gedanken mit mir teilen, aber ich werde ihn dazu nicht drängen. 

"Tut mir leid." , murmelt er kopfschüttelnd.

Er löst seinen Gurt und dann steigen wir synchron aus.

"Ist es okay, wenn du mir irgendwann meinen Teddy bringst?" , frage ich ihn.

Er bleibt stehen und dreht sich abrupt zu mir. Seine Augenbrauen sind zusammengezogen und seine grünen Augen schauen mich mit einem undefinierbaren Blick an. Ich spiele nervös mit meinen Fingern, während er mich nach wie vor durchbohrt.

"Bleibst du nicht?" , fragt er mich.

Ich schaue ihn lächelnd an. So wie ich Harry kenne, würde er sicherlich jetzt alleine sein wollen. 

"Ich sollte lieber gehen." , murmele ich.

Ich gehe auf ihn zu und stelle mich auf meine Zehenspitzen, um ihm einen Kuss auf die Wange zu platzieren. Ich kann vom Blickwinkel sehen, wie er dabei die Augen schließt. Ich lasse meine Lippen länger als sonst auf seinen Wangen ruhen, während er leise ein- und ausatmet. Hoffentlich habe ich die gleiche Auswirkung damit auf ihn, wie er es auch bei mir hatte. Als es mir schlecht ging und Harry mich küsste, war es so, als würde er mit seinem Kuss die schlechten Erinnerungen aus meinem Gehirn löschen. Je länger der Kuss war, desto mehr konnte er löschen. Vorsichtig ziehe ich mich zurück, seine Augen immer noch geschlossen. Sekunden später öffnet er seine Augen.

"Bleib." , flüstert er.

Ich schaue ihn überrascht und glücklich zugleich an. Ohne auf meine Antwort abzuwarten, nimmt Harry meine Hand in seine und zieht mich hinter sich mit. Er sperrt die Haustür auf und steuert direkt auf die Treppen zu. Schweigend folge ich seinen Schritten. Er geht bis ans Ende des Ganges und dann öffnet er die Tür zu seinem Zimmer.

"Schläfst du mit mir?" , fragt er leise.

Ich schaue ihn mit großen Augen an. Mein Atem stockt mir für einen Moment, bis mir klar wird, dass er es nicht so meinte. Ich nicke ihm erleichtert zu und dann zieht er mich zu seinem Bett. Harry zieht die Decke zurück und legt sich hin. Dann rutscht er zur Seite und klopft auf die freie Seite. Mit einem Lächeln nehme ich den großen Platz in seinem Doppelbett ein. Er schaltet die Nachttischlampe auf seiner Seite an und dann dreht er sich zu mir. Ich tue es ihm gleich. 

"Danke." , flüstert er.

Ich hebe meine Hand und lege es auf seine glühende Wange. Daraufhin schließt er seine Augen. Vorsichtig zeichne ich Kreise an seiner Wange.

"Ich habe den Tag vermasselt, tut mir leid." , murmelt er.

"Nein, sag das nicht. Es war der schönste Tag seit langem, Harry." , widerspreche ich.

Er öffnet langsam seine Augen und dann schaut er mich mit leicht zusammengezogenen Augenbrauen an.

"Wirklich?" , fragt er.

"Wirklich." , grinse ich. "Ich war schon lange nicht mehr in einem Freizeitpark. Vor allem die Achterbahn, die war richtig cool." , sage ich ihm aufgeregt.

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