10. Ein Einsatz mit Folgen

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Thomas' Sicht:
„Thomas, mein Schatz. Endlich kannst du wieder nach Hause.", freute sich Biggi, als sie mich nach ihrem Dienstschluss aus der Klinik abholen kam. „Ich hab dich so vermisst. ... Hat sich Enrico denn schon mal bei dir gemeldet?"
„Nein, wieso sollte er? Ich lege darauf keinen großen Wert. ... Ich bin nur froh, dass ich... Dass ich wieder fliegen darf. ... Und dass ich wieder bei dir bleiben darf. ... Biggi, es... Es tut mir immer noch so leid, was... Was ich dir an den Kopf geworfen habe... Von wegen, du würdest nicht wissen, wie... Wie ich mich fühle. Ich meine, du hast damals deine Tochter verloren. Und..."
„Das... Das ist doch schon so lange her, Thomas. Ich... Ich denke zwar heute noch viel an meine Kleine. Aber... Aber ich hab... Thomas, ich... Ich will jetzt nicht mehr an meine süße kleine Luna erinnert werden. Ich will jetzt einfach nur noch für dich da sein. Damit du eines... Damit du eines Tages auch... Damit auch du nicht mehr so leiden musst. Ich meine, wegen Lisa und Laura. Ich weiß ja schließlich, wie... Wie wichtig Freunde sind, wenn... Wenn so was passiert."
„Ich bin sehr froh, dass... Dass du meine... Dass du mir meinen Ausrutscher... verzeihst, Biggi. Ich liebe dich über alles. ... Aber es... Aber das ist einfach im Moment... auch alles sehr schwer für mich. Ich habe meine..."
„Thomas... Lass uns nicht mehr darüber reden. Lass uns jetzt nach vorne schauen. Wir haben uns. Und wir haben unsere Freunde. Mehr brauchen wir nicht."
„Ich brauche nicht einmal mehr unsere Freunde und unsere Kollegen. Das Einzige, was... Das einzige, was ich noch brauche, bist du, Biggi. Ich liebe dich über alles. Und ich will dich auf keinen Fall verlieren.", machte ich meiner Biggi kurz vor unserem gemeinsamen Weg nach Hause ein, wie ich fand, wunderschönes Liebesgeständnis und sie fiel mir um den Hals.
„Thomas... Das war... Das war jetzt gerade wunderschön. Ich liebe dich... Ich liebe dich über alles auf der ganzen Welt. Und ich wünschte, wir hätten ein gemeinsames Kind."

Am Wochenende hatte ich endlich meinen ersten Arbeitstag nach meinem kleinen „Unfall" mit Enrico, der sich bei mir noch immer nicht entschuldigt hatte.
Ein paar Probleme machten mir meine angeknacksten Rippen zwar noch, aber ich konnte wieder fliegen. Und das war das Wichtigste.
Inzwischen war es kurz nach 11 und der Einsatzalarm erklang schon zum dritten Mal seit unserem Dienstbeginn. Man merkte, dass das Wetter an diesem Wochenende besonders schön war.
Peter, Mark und ich rannten in Begleitung unseres neuen Rettungshundes, dem deutschen Schäferhund Flocke, zu unserem Helikopter. Noch bevor ich den Heli in die Luft gehoben hatte, meldete sich die Rettungsleitstelle über Funk zu Wort.
„Das Mädchen ist beim Skifahren gestürzt, die Bergrettung kommt aufgrund von Maschinenschaden ihres Helikopters nicht an die Patientin heran."
„Das ist verstanden, Rettungsleitstelle. Wir erreichen den Unfallort in ca. ... 13 Minuten. Over and Out.", gab ich per Funk durch.
„Das ist doch wirklich mal wieder klassisch, die Eltern passen nicht auf ihre Kinder auf und wir haben nach einem Unfall dann die Verantwortung für die Unfallopfer. Ein scheiß Job ist das.", fluchte unser Notarzt Mark und ich blickte kurz zu ihm nach hinten.
„Und wenn die Eltern gar nichts dafür können, dass das Mädchen verunglückt ist. Du weißt doch noch gar nicht, wie das wirklich alles passiert ist.", fauchte ich ihn an. „Vielleicht wollte das Mädchen nur mit ihren Schulfreunden ein paar schöne Stunden verbringen. Und dann kam es zu dem Unfall."
„Thomas, was sollte denn das jetzt? Mark hat Recht, wie oft haben wir schon Kinder fliegen müssen, weil die Eltern nicht aufgepasst haben. Denk doch nur mal an das Baby letzte Woche. Was vom Wickeltisch gefallen war. Das konnten wir in letzter Sekunde retten. Das ist doch klar, dass es Mark als werdenden Vater an die Nieren geht, wenn es Kinder trifft.", maßregelte mich der neben mir sitzende Peter sofort.
„Jaja. In Ordnung. Ich bin ja schon ruhig. ... Medicopter 117 an Rettungsleitstelle. Erreichen den Unfallort und gehen zur Landung.", gab ich der Leitstelle per Funk durch.
„Das ist verstanden, Medicopter 117.", meinte die Rettungsleitstelle und ich landete unsere BK auf dem Hang, wenige Meter vom Unfallort entfernt, zu dem nun Mark und Peter mit ihren Taschen liefen.
Auch unser Rettungshund begleitete die beiden mit lautem Gebell.

Marks Sicht:
Das Mädchen, das schwer verletzt am Hang lag, schien sehr große Schmerzen zu haben; jede noch so kleine Bewegung und die ca. 12, 13 Jährige schrie schmerzerfüllt auf.
„Hallo, ich bin Mark Harland. Ich bin der Notarzt. Wie ist das denn passiert?", fragte ich das Mädchen, während Peter bereits routiniert den Blutdruck der Kleinen kontrollierte.
„Ich... Ich hab... Ich weiß nicht. ... Aua.", schrie das Kind erneut, als ich ihren rechten Arm nur kurz abtastete. „Ich... Ich war mit den... Ich war mit den Jungs unterwegs. Und dann haben wir... Ich... Ich weiß nicht mehr so genau, was... Aaaa."
„Ganz ruhig. Ich bin ja da.", beruhigte ich das Mädchen, bevor ich Peter anwies, er solle ein Schmerzmittel aufziehen, was er sofort tat.
„Hier, Mark.", übergab er mir die Spritze und schon wenige Minuten später schien das Schmerzmittel zu wirken. Das Mädchen beruhigte sich langsam und wir konnten sie nach der Untersuchung vorsichtig auf die Trage heben.
„Auf drei. Eins, zwei, drei.", gab ich das Kommando zum Anheben der Trage, die von Thomas, Peter und einem von den Freunden des Mädchens getragen wurde, während ich die Infusionsflasche fachmännisch in die Luft hielt.
„Thomas, wir fliegen die Marienklinik an. Gibst du mir mal bitte die Aufnahme.", wandte ich mich kurz nach dem Abflug in die Klinik an unseren Piloten.
„Wird sofort gemacht, Mark. ... Medicopter 117 ruft Marienklinik."
„Hier Notaufnahme Marienklinik. Was liegt an, Medicopter 117?"
„Hier spricht Dr. Harland. Ich habe hier eine ungefähr 13 jährige Patientin mit Verdacht auf Unterarmfraktur rechts, stumpfen Bauchtrauma und Gehirnerschütterung. Zudem besteht der Verdacht auf eine Verletzung der Milz oder der Leber. Meine Patientin muss sofort in den OP."
„Das ist verstanden, Dr. Harland. Ein OP-Team wird sofort für sie bereit gestellt. ... Wie lange ist noch ihre Flugzeit?"
„So ungefähr 5-6 Minuten, kommt auf den Verkehr hier an.", gab Thomas grinsend zu uns nach hinten durch und schaute dann wieder hochkonzentriert auf den Luftraum vor ihm, um uns und unsere Patientin sicher in die Klinik zu bringen.

Innerhalb der nächsten 5 1/2 Minuten hatten wir wirklich die Klinik erreicht, Peter und ich brachten die Patientin in die Notaufnahme.
„Dr. Harland, kommen sie mich auch mal besuchen?", wollte das Mädchen von mir wissen und ich nickte, während wir die Trage, auf der die wieder vor Schmerzen weinende 13 Jährige lag, in die Notaufnahme fuhren.
„Klar, wenn ich Zeit hab, dann komme ich dich doch gerne besuchen. ... Wie heißt du denn eigentlich?", fragte ich die 13 Jährige und die antwortete auf meine Frage: „Ich bin Luna... Luna Estelle Steinberg. Aber die meisten nennen mich nur Estelle."
Steinberg - so hieß doch der Chefarzt aus dem Rosenheimer Klinikum.
„Steinberg? Bist du etwa zufällig verwandt mit dem Dr. Steinberg aus Rosenheim? Dem Chefarzt des Rosenheimer Klinikums.", fragte ich die Patientin verdutzt und sie nickte.
„Ja. Nicht nur zufällig. Der Dr. Steinberg aus dem Rosenheimer Klinik ist mein lieber Vater. ... Der wird sich freuen, wenn er erfährt, dass ich einen Unfall hatte.", sagte das Mädchen kurz lächelnd und die 13 Jährige beruhigte sich langsam wieder.
Die Schmerzen schienen endlich wieder abzuklingen und die 13 jährige Tochter des Chefarztes aus Rosenheim beruhigte sich wieder etwas.
Doch eines kam mir sehr komisch vor - vor 13, 14 Jahren waren Dr. Steinberg und seine Frau doch getrennt. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass... Dass Dr. Steinberg von einer Schwangerschaft seiner Frau erzählt hatte.
Und so kam ich auf einen schrecklichen Verdacht, den ich schnellstens zu klären hatte...

Liebe liegt in der LuftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt