86. Nie wieder fliegen?

107 5 0
                                    

Zusammen mit Pilotin Gina, die auf dem Copilotenplatz neben Thomas Platz nahm, stiegen Luna und ihr Stiefvater in den rot gelben Hubschrauber, der auf dem Gelände der Medicopterbasis stand und auf weitere Einsätze wartete.
„So. Und jetzt zeige ich dir mal, wie gut ich diese wunderschöne Maschine fliegen kann, mein Schatz. Du wirst dich umschauen. So gut, wie ich hier mit unserem Hubschrauber umgehen kann. Sowas verlernt man doch auch nicht. Auch, wenn man einmal abstürzt. Frag das mal deine Mama. Die konnte zwar eine Zeitlang nicht fliegen, weil sie Angst hatte, aber als es dann darauf ankam da... Da konnte sie plötzlich wieder fliegen. Und ich werde ihr jetzt zeigen, dass...", erklärte Thomas selbstsicher und startete anstandslos die großen Rotoren der wunderschönen BK 117.
„Na, das sieht doch schon ganz gut aus, Thomas. Da wird die Prüfung ganz glatt gehen.", meinte Gina und nickte. Thomas kannte sich noch immer gut mit dem Hubschrauber aus, doch irgendwas schien er seiner Tochter zu verheimlichen.
„Du brauchst mir nicht... erklären, wie dieses Maschinchen zu fliegen geht. Ich hab unser wunderschönes Baby hier schon geflogen, da... War an dich hier bei Medicopter noch gar nicht zu denken.", grinste Thomas.
Doch dann waren sie ganz plötzlich alle wieder da - diese Bilder vom Absturz. Thomas sah immer noch die Bilder der zerstörten Maschine, die er auf Fotos gesehen hatte, er sah die Angst in Lunas Augen.
Plötzlich fing er an zu zittern und schaute nach hinten zu seiner Tochter.
„Luna, meine süße Kleine. Sag mal... Hättest du denn Lust, die Maschine mal... selber... zu fliegen? Ich meine, du hast doch die... Ich brauche doch keine Flugstunden. Aber... Wenn du später vielleicht mal den Platz von Biggi und mir... übernehmen willst..."
„Nee, Papa, nicht ich soll hier fliegen, sondern du sollst dich wieder dran gewöhnen, euer Baby in der Luft zu steuern. ... Du machst das doch auch schon wieder ganz gut. ... Nur nicht so hier... herumwackeln, Papa. Ich kann...", beschwerte sich Luna bei ihrem Vater und schaute auf die Anzeigen der BK.
„Ich... Gina, übernimmst du bitte die... Die Steuerung. Ich weiß...", erklärte Thomas und resignierte vor dem Fliegen.
Luna blickte geschockt zu Thomas, so kannte sie ihren geliebten Stiefvater doch gar nicht. Dass er seine wunderschöne BK nicht mehr fliegen wollte und seiner Kollegin die Steuerung der BK überließ.
Er war doch sonst immer so darauf fixiert, den Hubschrauber zu fliegen. Hatte sonst immer Probleme damit gehabt, wenn Biggi die Maschine flog und er nur nebendran sitzen konnte.
„Meine süße Kleine, es ist... Es ist doch nicht... Ich...", zitterte Thomas und lehnte sich in seinem Sitz zurück, während Gina die BK wieder in Richtung der Heimatbasis zurück steuerte.
„Papa, ich kann es doch gar nicht... Papa, ich kann dich im Moment wirklich gerade nicht verstehen. Du und Baby, ihr beide, ihr braucht euch doch. Du kannst doch nicht ohne dein Baby. Sowohl ohne mich, als auch ohne das, in dem wir gerade hier sitzen. Und auch nicht ohne das, was Mama unter ihrem Herzen trägt. ... Papa, ich..."
„Luna, lass es jetzt bitte. Es ist alles OK, in Ordnung? Ich hab einfach... Ich bin einfach noch nicht soweit. Heute ist kein guter Tag zum Fliegen. Ich..."
„Papa, es ist doch so ein wunderschöner Tag zum Fliegen. Schau doch mal, die Sonne scheint über uns, die kleinen Vögelchen zwitschern. Daran liegt es ganz bestimmt nicht, dass du nicht fliegen willst. ... Du hast ganz einfach Angst, Papa. Das... Das hab ich an deinem Zittern gemerkt. ... Schau doch mal, ich weiß, wie du dich fühlst. Aber... Du musst deine Angst ablegen. Sonst kannst du nie wieder fliegen. Dann ist alles vorbei, Papa. Und das würde ich niemals zulassen. Ich weiß, wie sehr du die Fliegerei liebst."
„Luna, es ist auch alles vorbei, OK? Ich... Wenn ich jetzt schon... das große Zittern bekomme, bevor es überhaupt in den Einsatz geht... Ich weiß nicht, wie es dann weiter gehen soll. Ich werde nie wieder fliegen. Aber... Vielleicht als Vollzeitdaddy erst nur für dich und dann für dich und deine kleine Schwester oder deinen kleinen Bruder da zu sein. Das ist doch auch eine ganz wunderbare Idee, oder Luna? Ich finde, das wäre doch was."
„Papa, was soll denn das? Ich sehe dich doch nur noch... die ganze Zeit über grübeln. Ich... Papa, was ist denn wirklich mit dir los?", fragte Luna, doch von Thomas bekam sie keine Antwort.
„Ich... Ich will einfach nicht mehr fliegen. Ich werde jetzt immer für dich da sein, meine Kleine. Ich... Ich werde hier kündigen, dann ist... Biggi ist doch sowieso die beste Pilotin."
„Papa...", flüsterte Luna und schaute nach vorn, während Gina die BK vorsichtig auf dem Landeplatz landete und die Rotoren ausschaltete.
Thomas sprang aus dem Hubschrauber und lief in Richtung Hangar, als Luna ihn stoppte.
„Thomas... Hey, Thomas... Papa, jetzt warte doch mal bitte auf mich. Ich... Papa... Ich will mit dir reden. ... Papa, hey.", rief sie ihm hinterher, doch Thomas hörte nicht auf die 14 Jährige, sondern lief stur weiter.
„Thomas, hey. Wir reden mit dir. Könntest du mal bitte stehen bleiben, mein lieber Kollege? Du kannst doch deine Tochter nicht so im Stich lassen." Auch Gina konnte nicht mit ihrem Freund und Kollegen reden. Der lief weiter stur zum Flipperautomat und trat mit dem Fuß dagegen.
Da kam auch Michael dazu und sah seinen verzweifelt auf der Hubschrauberplattform sitzenden Freund, dem die dicken Tränen aus den Augen liefen. „Thomas, hey. Was ist denn los? ... Thomas! Ich rede mit dir. Und dann antwortest du bitte auch. ... Thomas..."
„Ich kann nicht mehr fliegen. Ich...", sagte Thomas, sprang auf und lief nach draußen.
Luna, die neben Gina am Hubschrauber stand, konnte das alles nicht glauben. Ihr Vater wollte nicht mehr mit der BK fliegen? Mit dem Hubschrauber, den er über alles auf der Welt liebte? Der ihm zum Teil mehr bedeutete, als sein eigenes Leben? Diese Maschine wollte er nicht mehr fliegen?
„Thomas... Ich kann es gar nicht glauben, dass er nicht mehr fliegen will. Dass er nicht mehr fliegen... Dass er nicht mehr mit seiner BK fliegen will. Dass er nicht... Dass er...", stotterte die 14 Jährige und schaute ihrem Stiefvater, der von Michael verfolgt wurde, traurig hinterher.
„Luna, er wird bald wieder fliegen wollen. Thomas und sein Baby - die werden sich doch nicht trennen lassen."
„Ich kann mir das ja auch nicht vorstellen, dass mein lieber Papa nie wieder fliegen will. Ich weiß doch, wie sehr er an seinem Hubschrauber hängt. Er liebt Baby doch über alles.", sagte Luna.
„Aber... Er hat im Moment eine Blockade, eine psychische Blockade. Er... Wahrscheinlich hatte er ein Deja-Vü und sah den Absturz ein zweites Mal vor sich. Das kann passieren. Lass Thomas ein wenig Zeit, Luna. Er wird bald wieder fliegen können. Du kennst doch unseren Thomas. Den kann man doch nicht einfach von seinem Baby trennen.", erklärte Gina der völlig verzweifelten 14 Jährigen, die mit Thomas mit litt.
„Komm, wir gehen rein. Vielleicht hat es Michael ja auch schon geschafft und Thomas hat sich endlich wieder beruhigt.", munterte die Pilotin die Schülerin auf und ging mit Luna zusammen in den Aufenthaltsraum, wo Michael ihnen schon entgegen kam.
„Thomas schläft jetzt erst mal, ich hab ihm ein Beruhigungsmittel ins Wasser gemischt. ... Was ist denn eigentlich passiert?"
„Papa hatte beim Flug eine Panikattacke und... Gina musste übernehmen. Kann ich denn jetzt mal kurz zu ihm?" „Ja, aber... Pass bitte auf, dass du ihn nicht wieder weckst. Er soll sich erst mal ein wenig ausruhen. Er war ja ein komplettes nervliches Frack. So habe ich unseren Thomas noch nicht einmal erlebt. Wir sollten Biggi anrufen."
„Mama müssen wir mit dem Problem doch nicht auch noch belasten, Michael.", meinte Luna und ging zu Thomas, der auf dem Sofa lag und noch immer ein wenig zitterte.
„Papa...", seufzte Luna und setzte sich vor Thomas auf den Boden. Behutsam streichelte die 14 Jährige ihm über die Hand, während Michael und Gina die Tür zum Pausenraum schlossen und die Basis verließen.

Liebe liegt in der LuftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt