81. Ein Nachmittag zu Zweit

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Lunas Sicht:
Mit Jens hatte ich mich für den Nachmittag in der Stadt verabredet; entgegen meines Wunsches ließ mich Thomas bei dem Treffen allerdings ganz alleine.
Er musste noch etwas für sein Baby einkaufen, hatte er mir gesagt. Klar, ich hatte es doch von Anfang an gewusst; jetzt verlor ich auch noch meinen Papa.
Gedankenverloren löffelte ich in meinem Eisbecher und schaute aufmerksam auf die Straße.
Hunderte von Autos, zum Teil auch älteren Datums, fuhren an mir vorbei. Doch das Auto von Jens war nirgends zu sehen.
Ich wartete nun bereits seit knapp zweieinhalb Stunden in der Eisdiele, in der ich mich mit Jens verabredet hatte, auf meinen Erzeuger.
Die Zeit verging, während ich wartete, ziemlich stockend; Jens' Dienst war seit 2 Stunden bereits beendet. Doch von ihm war bisher weit und breit nichts zu sehen.
Anrufen konnte ich ihn allerdings leider auch nicht, sein Handy war aus, auf der Basis war nur Max ans Telefon gegangen, der mir versichert hatte, dass Jens nach seinem Dienst pünktlich losgefahren sei und bestimmt gleich bei mir ankam.
Die Stunden vergingen und ich wartete und wartete.
Hatte er mich wirklich vergessen? Oder wollte er mich nicht sehen? Hatte er nur angerufen, um zu zeigen, dass ich ihm wichtig war und er sich bei uns telefonisch melden würde, wenn etwas wäre?
War ich ihm denn überhaupt wichtig?
Da rief Papas bester Freund Michael an und wollte wissen, wo ich im Moment war. Der Abend war herein gebrochen und es wurde langsam dunkel.
Weinend antwortete ich ihm: „Michael, ich... Ich sitze immer noch hier in... der Eisdiele, in der wir... Ja, genau in der. ... Kannst... Kannst du mich bitte hier abholen? ... Jens kam nicht. Ich... Ich warte hier... seit Stunden auf ihn. ... Ich möchte nach Hause, Michael. Kannst du mich bitte hier abholen? Oder Papa herschicken? ... OK, bis gleich, Michael."
Die Tränen liefen mir über die Wangen und ich wollte schon aufstehen und gehen, da hörte ich hinter mir eine bekannte Stimme.
„Luna, hey. Was ist denn los?", fragte mich Karin. „Hey, Kleines. Was hast du denn?"
„Jens... Er... Er ist nicht gekommen. Er ist einfach nicht gekommen. Ich... Ich will nach Hause. Michael holt mich hier gleich ab. Er macht sich jetzt zu Hause auf den Weg."
Heulend kuschelte ich mich an Karin, die tröstend auf mich einsprach.
„Luna, Kleines. Das... Das tut mir ja alles so verdammt leid für dich. ... Wo... Wo ist denn Thomas? Wollte er dich nicht zu dem Treffen mit Jens begleiten?"
„Ja, aber... Er ist... Er ist einkaufen gegangen. Für sein Baby.", motzte ich und setzte mich mit Karin wieder an den Tisch in der Eisdiele.
„Hast du denn schon mal versucht, Jens anzurufen?" „Ja, ich... Ich hab es auf seinem Handy versucht. Aber das ist aus. Und auf der Basis... Max hat mir versprochen, dass Jens pünktlich losgegangen ist und... aber... Aber er ist einfach nicht gekommen. Er ist einfach nicht da... Verstehst du...?"
„Natürlich verstehe ich dich. Du hast dich doch bestimmt auch auf Jens gefreut, oder?", fragte mich Karin und ich nickte. „Ach, Mensch. Luna, meine Kleine. Jetzt werden wir erst mal auf Michael warten. Der bringt dich erst mal nach Hause. Und dort sehen wir weiter."
„Ich... Ich will... Da kommt ja auch schon dein Michael.", erkannte ich das auf uns zurasende Auto, das direkt vor der Eisdiele abrupt abgebremst wurde.
Michael stieg aus und ich fiel ihm heulend in die Arme. Zum Glück hatte ich in solchen schweren Situationen nicht nur Mama und Papa, auf die ich zählen konnte, sondern auch meinen liebsten Schwiegervater und seine Frau. Michael und Karin passten immer auf mich auf, wenn Mama und Papa mal keine Zeit hatten und ich jemanden brauchte.
„Luna, hey. Das... Das tut mir ja so leid, dass er dich im Stich gelassen hat. Mein Schatz, ich... Ich kann mir natürlich sehr gut vorstellen, wie du dich jetzt fühlst. ... Ich werde mir diesen Mistkerl morgen zum Dienstbeginn mal vorknöpfen. ... Na, komm. Jetzt steig doch erst mal ein. Ich fahre dich nach Hause. ... Karin, Schatz. Kommst du jetzt auch mit nach Hause?"
„Ja, ich bin schon da. ... Michael, ich... Ich war beim Gynäkologen. Ich... Wir... Was hältst du denn davon, wenn... Wenn wir uns nicht um die... Frage, was wir uns wünschen würden, streiten müssten?"
„Was soll denn... Was soll denn das heißen, Karin?", fragte Michael und seine Liebste holte ein Ultraschallbild heraus, während ich bereits in Michaels Auto stieg.

Türenknallend und heulend verschwand ich sofort in meinem Zimmer, als wir nach Hause kamen. Ich ließ weder Mama, noch Karin oder Michael zu mir.
Thomas, der bereits das Abendessen vorbereitete, bekam erst mal nichts mit.
„Was ist denn los?", fragte Mama, die mir nur hinterher schauen konnte und jetzt zusammen mit Michael vor meiner Tür stand, den besten Freund von Papa.
„Sie ist anscheinend sehr gekränkt wurden. ... Jens kam nicht zum vereinbarten Treffen. Deswegen habe ich sie jetzt auch abgeholt. Wenn Jens gekommen wäre, hätte bestimmt er unsere kleine Luna nach Hause gefahren.", ließ mein lieber Schwiegervater Michael meine Mama wissen und die klopfte vorsichtig an meiner Tür an.
„Luna, mein Schatz. Hey, meine Süße. Ich bin es, deine Mama. ... Darf ich reinkommen?" „Nein, ich will keinen sehen."
„Luna, ich verstehe ja, wie es dir geht. Aber... Thomas steht unten in der Küche. Er... Soll er mal zu dir kommen?"
„Nein, ich will keinen sehen.", schrie ich noch einmal und warf mich heulend auf mein Bett.
„Das hat der nicht umsonst gemacht. Das nicht.", hörte ich Michaels strenge Stimme und dann bekam ich nur noch mit, wie er und Mama nach unten gingen.
Schon kurze Zeit später allerdings hörte ich Papas Stimme. „Luna, mein Kleines. Mach doch mal bitte die Tür auf. Ich hab... Ich hab eine Überraschung für dich. ... Luna, meine Kleine. Bitte. Ich verstehe doch, wie es dir geht, aber..."
„GEH WEG, THOMAS. ICH WILL KEINEN MEHR SEHEN.", schrie ich durch meine verschlossene Tür und krallte mich in meinem Kopfkissen ein. „DU WILLST MICH DOCH AUCH GAR NICHT MEHR HABEN. DU HAST DOCH SCHON FÜR DEIN BABY EINGEKAUFT. ICH... ICH GEHE VON EUCH WEG. DANN KÖNNT IHR MEIN ZIMMER FÜR DAS BABY EINRICHTEN."
„Luna, bitte. Lass mich doch bitte wenigstens zu dir rein kommen. Ich erkläre dir, was ich gemacht habe. Ich... Luna, mein Kleines. Bitte. Ich habe eine wunderschöne Überraschung für dich, mein kleiner Engel. Ich..."
„GEH DOCH ENDLICH WEG, THOMAS. UND WERDE MIT MAMA UND EUREM GEMEINSAMEN BABY GLÜCKLICH.", schrie ich und Thomas verzog sich.
„Ihr wollt mich doch sowieso nicht mehr.", flüsterte ich leise und weinte weiter.
Allerdings bemerkte ich erst, als Thomas in meinem Zimmer stand, dass ich ganz vergessen hatte, die Verbindungstür zum Schlafzimmer von Mama und Papa zuzuschließen. Es war zu spät, Thomas betrat mein Zimmer und ich schluchzte leise.
„Luna, meine Süße. Komm mal her.", sagte er mir ganz behutsam, sehr vorsichtig setzte er sich zu mir ans Bett und nahm mich in den Arm. „Es... Es tut mir leid, dass ich dich alleine gelassen habe. Obwohl ich dir versprach, dass ich dich begleiten werde und nicht alleine lasse. Das war nicht richtig, was ich gemacht habe. ... Aber... Luna, ich... Ich weiß, wie sehr dich das verletzt hat, als wir deine kleine Freundin wieder zu ihrer rechtmäßigen Besitzerin gegeben haben. Und... Und jetzt hat dich auch noch Jens im Stich gelassen. Aber..."
„Papa, dass mich Jens im Stich gelassen hat, das... Das war ja noch voraus zu sehen. Er liebt mich einfach nicht. Aber... Dass du plötzlich verschwunden bist und dich nicht mehr gemeldet hast. Das war schlimm für mich. Ich hab gedacht, du... Ich hab gedacht, du würdest..."
„Luna, ich weiß. Ich hab ja auch gedacht, der kleine Einkaufsbummel würde etwas schneller gehen. Aber... Ich... Luna, ich habe eine Überraschung für dich. Die dich ein bisschen aufmuntern könnte. ... Komm mal mit.", bat mich Thomas, nahm mich an die Hand und führte mich ins Schlafzimmer von Mama und ihm.

Liebe liegt in der LuftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt