63. Eine eisige Nacht

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Vor Kälte und Angst bibbernd und weinend saß Luna in einer Höhle und schaute in den Himmel, in dem noch immer hunderte grelle Blitze aufzuckten.
„Mama... Papa... Ich... Ich will nach Hause.", erklang die zitternde Stimme der 14 Jährigen und sie dachte an ihre geliebten Eltern Biggi und Thomas.
Wie gerne würde sie jetzt bei ihnen sein, ihnen einfach nur sagen, wie froh sie war, die beiden zu haben. Wie gerne würde sie jetzt mit den beiden zusammen sein.
„Mama, bitte. Hol mich hier weg. Ich..." Zitternd und zusammengekrümmt saß die 14 Jährige auf einem kalten Stein in der kleinen Höhle und bekam keinen klaren Gedanken zusammen.
„Mama..." In ihren kurz klaren Gedanken sah sie vor sich die BK 117 in der Luft stehen und sie lächelte vorsichtig. Dann war allerdings der Hubschrauber auch wieder ganz schnell weg.
Natürlich, Luna hatte ihren Walkie dabei, aber den konnte sie vergessen. So weit, wie sie von der Basis entfernt war, reichte die Funkverbindung nicht. Ihr Handy war aus, das Akku war leer; Luna hatte das Handy neben sich auf dem kalten Boden gelegt.
Den einzigen Freund, den Luna bei sich hatte, war der kleine Hund, der ihr gefolgt war.
Sie kuschelte sich an das körperwarme, ganz weiche Fell der Hündin und zog ihre Beine fast bis an ihren Bauch hoch. „Ich... Ich will nach Hause.", weinte das Mädchen und ließ sich ihre Tränen von der Hündin trocknen.
Liebevoll, als wäre Luna ein Welpe der Hündin, ging der Mischling mit der 14 Jährigen um, die kaum eine Minute schlafen konnte. Beruhigend winselte der Hund und versuchte so, das Mädchen zu trösten. Allerdings klappte es nicht und Luna weinte immer mehr.
„Mir ist... Mir ist so kalt.", weinte Luna und die beruhigend vor sich hin winselnde Hündin legte ihren dunkelbraunen Schwanz auf die 14 Jährige.

Der Abendbrottisch im Hause Wächter/Lüdwitz war für fünf Personen gedeckt; Biggi hatte völlig ausgeblendet, dass ihre Tochter nicht da war.
„Biggi, du hast ein Gedeck zu viel auf den Tisch gestellt, mein Engel der Lüfte. ... Schau mal, wir sind heute Abend doch nur zu viert.", meinte Thomas, der am Herd stand und für seine Familie kochte. „Oder erwartest du noch Besuch?"
„Nein, ich... Luna..." „Luna ist nicht da, Biggi. Wir... Wir werden sie morgen finden." Thomas legte den Kochlöffel weg, drehte sich zu seiner Biggi um und nahm sie vorsichtig in den Arm.
„Ich liebe dich, Thomas.", flüsterte die Pilotin und fügte dann, als sie ihrem Thomas einen Kuss gegeben hatte, unter Tränen hinzu: „Ich bin so froh, dass du für mich da bist."
„Das ist doch ganz klar, Biggi. Ich liebe dich ja auch wie verrückt. Und ich will weder dich, noch unsere Kleine jemals verlieren.", erklärte Thomas und erwiderte den vorsichtigen Kuss seiner Biggi mit einem ebenso vorsichtigen Kuss seinerseits. „Ich werde immer für dich und unsere Luna da sein. Egal, was passiert."
„Ich... Ich bin... Ich liebe dich, Thomas."
Gemeinsam setzten sich Thomas und Biggi an den Abendbrottisch und warteten auf ihre Freunde Michael und Karin, die sogleich in die Küche kamen, als die beiden Piloten warteten.
„Ihr beide seid so ein tolles Paar.", sagte Michael und gab seiner Karin einen Kuss. „Ich hoffe so für euch, dass wir Luna morgen lebend finden."
„Wer hat morgen Früh eigentlich Schicht?", fragte Karin und schaute zwischen Biggi und Thomas hin und her.
„Ich... hab morgen Früh Dienst.", erklärte Biggi und fügte dann noch hinzu: „Gemeinsam mit Michael und Ralf."
„Da werden wir deine Luna finden. Das weiß ich ganz genau. Ich hab das im Gefühl. ... Luna ist ja auch nicht völlig alleine. Sie hat einen neuen Freund gefunden."
„Einen neuen Freund?", fragte Biggi und Michael lächelte: „Ein kleiner Hund. Ein etwas zu heiß gewaschener Schäferhund."
„Ein... Ein Hund? Meine Tochter? Wo hat die denn auf einmal einen Hund her?" „Sie hat den Hund wohl am See gefunden. Hat sie mir erzählt. Er hat wohl auch kein Halsband umgehabt und es wäre auch sehr unmöglich gewesen, dass der Hund einen Besitzer hätte."
„Wenn meine Luna wirklich noch lebt und der Hund... Dann werden wir den Hund sofort bei uns aufnehmen.", wusste Biggi sofort und dachte dabei unentwegt an ihre Tochter. „Thomas, wir... Ich würde mich besser fühlen, wenn... Wenn du morgen mitkommen würdest. Du musst ja unsere BK um Gottes Willen nicht fliegen, aber... Wenn wir Luna finden... Sie braucht jemanden, der ihr ein bisschen beisteht. Der ein bisschen auf die Kleine aufpasst. Und... Wenn ich da vorne unser Baby fliegen muss, dann... bleibst ja nur noch du."
„Ich werde natürlich auf Luna aufpassen, mach dir keine Sorgen. Unsere Luna wird zu keiner einzigen Minute alleine sein. ... Jetzt iss bitte, Biggi. Sonst wird das Essen doch kalt."
„Ich... Thomas, ich kriege keinen Bissen herunter. Ich... Ich will meine Luna heute schon wieder zurück haben. Ich..."
Traurig schob Biggi den Teller zurück, blickte zum Fenster hinaus und sah in den dunklen Himmel. Durch das Unwetter wurden sehr viele auch zum Teil alte und starke Bäume einfach entwurzelt; die zuständigen Förster hatten viel zu tun.
„Ich wünschte, Luna würde da draußen ihr Funkgerät mithaben und sie... Sie würde... Ich wünschte..."
„Luna hat doch ihr Funkgerät sogar dabei.", fiel Karin erst jetzt ein. „Sie hat doch ihren Overall unter ihrem Pullover an. Da... Die Kleine... Wir hätten Luna doch einfach nur anfunken müssen. Dann hätten... Wir hätten Luna finden können."
„So weit kann das Funkgerät nicht funken.", nahm Thomas der Notärztin sofort alle Hoffnung. „Außerdem ist das Funkgerät von Luna auf den Funk unseres Hubschraubers eingestellt. Und zusätzlich haben wir das Gerät auf Empfang gestellt. Eigentlich hätte Luna... mit dem Funk etwas mitbekommen müssen, wenn ihr nah genug..."
„Aber... Wir hätten... Wir haben doch bestimmt nicht alles versucht. Irgendwas... Vielleicht hat sie uns auch durch ihr Funkgerät gehört und wollte nicht antworten."
„Auch dann hättet ihr keine Chance gehabt. Ihr..."
Da klingelte es an der Tür und Biggi sprang sofort auf. Schließlich dachte sie, ihre Tochter wäre da.
Doch es war nur Jens, ihr Ex-Freund.
„Was willst du hier?", fragte sie genervt und wollte schon die Tür zuknallen, doch Jens sagte ihr: „Biggi, hör mir... Hör mir doch jetzt bitte zu. Ich... Ich weiß, ich habe Mist gebaut. Aber denkst du, mir geht das am A**** vorbei, dass Luna verschwunden ist. Ich bin ja auch schließlich schuld daran. Wenn man deinem Freund glauben schenken kann."
„Und was willst du jetzt wieder hier bei mir? Willst du jetzt vielleicht noch mal nachtreten? Ich kann nicht mehr mit dir reden. Du bist schuld, dass meine Tochter verschwand. Du hast sie... mit deinen Lügen doch völlig durcheinander gebracht. Sie wusste zuletzt nicht mehr, wem sie noch glauben sollte und wem sie nicht mehr glauben konnte."
„Ich weiß, Biggi. Ich habe einen riesen Fehler gemacht. Aber... Ich liebe dich noch. Ich wollte... Ich habe versucht, dich und Thomas auseinander zu bringen. Ich konnte... Ich wollte euch beide auseinander... Als ich dich und deinen neuen Freund... Deinen Thomas gesehen habe, da wusste ich, dass... Dieser Mann... für Luna... Der Vater wäre, den sie sich immer gewünscht hatte. Der Vater, den sie nie hatte. Ich hätte mich um mein Kind kümmern müssen. Stattdessen habe ich dir in den Ohren gelegen, du solltest unser Kind umbringen."
„Das weiß ich... Und deswegen habe ich dich ja auch damals verlassen. Ich wollte mich nicht zwischen dir und unserem Kind entscheiden müssen. Ich wollte unser Kind, von Anfang an."
„Du solltest unser Kind... Ich habe... Ich weiß, ich war ein riesen Idiot damals. Aber... Ich war einfach für ein Kind... noch nicht bereit. Ich habe dich geliebt, aber ein Kind... Das war einfach für mich noch zu früh. Und... Aber als ich dann nach ihrer Geburt unsere Kleine im Arm hielt, da hab... Ich hab gespürt, dass die Kleine mich brauchte."
„Ja, aber trotzdem hast du dich nie wieder gemeldet. Und deswegen habe ich dir damals ein paar Monate nach Lunas Geburt diesen Brief geschrieben. In dem ich dir damals schrieb, dass ich dich nie wieder sehen will."

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