54. Überzeugungsarbeit

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Mark, Michael und Biggi hatten sich zusammen zum Hubschrauber begeben und warteten dort auf Luna, die von ihrer Mutter angefunkt wurde.
„Luna ist auf dem Weg hierher. Und dann fliegen wir wieder zurück in die Basis. Ich... Ich hab vorhin zwar schon mit Ebelsrieder telefoniert und der hat uns für den restlichen Tag außer Dienst gestellt, aber wir müssen trotzdem unser Baby nach Hause fliegen."
Da kam Luna auch schon zum Hubschrauber und schaute Mark böse an.
„Mark, ich kann nicht glauben, dass du dein Baby im Stich lässt.", fauchte die 14 Jährige von dem Notarzt enttäuscht. „Papa hat schon seine beiden Töchter verloren. Meinst du nicht, dass... Dass dein Baby... Ich meine, Papa hat Lisa und Laura verloren. Er kann dir genau sagen, wie es ist, wenn man ein Kind verliert. Und jetzt... Du kümmerst dich nicht eine Sekunde um dein Kind. Schäm dich, Mark. Du bist ein erwachsener Mann. Und... Du hast eine Verantwortung für die Kleine. Sie ist deine Tochter. ... Aber du lässt ja auch Gina völlig im Stich. ... Mama, ich werde hier in der Klinik bleiben. Notfalls schlafe ich bei Papa auf der Intensivstation. Aber ich kann Gina jetzt nicht im Stich lassen. Irgendwie fühle ich mich verantwortlich für... Ich hätte Gina schließlich daran hindern müssen, den Heli zu putzen. Es war einfach zu anstrengend für sie. Vielleicht bin ich... ja sogar schuld, wenn... Wenn Gina jetzt..."
„Luna! DU bist auf keinen Fall schuld, wenn Gina... Aber unsere Kollegin wird nicht sterben. Sie schafft das. Und das hat sie dir zu verdanken. Hättest du mir nicht so erstklassig assistiert..."
„Michael, ich habe gerade mal im Heli die Hand von Gina gehalten. Mehr habe ich doch gar nicht gemacht. ... Dank dir kommt Gina durch. Du hast sie im Heli... Ich hätte mich das niemals getraut. Auch nicht, wenn ich Medizin studiert hätte. Ich hätte auf keinen Fall das Baby im Hubschrauber auf die Welt geholt.", erklärte Luna stolz und lächelte dem Freund ihres Vaters zu.
„Luna, du steigst jetzt zu deiner Mutter in den Hubschrauber. Ich muss mich um Gina kümmern. Sie ist meine Freundin. Und... Du bist eine gute Freundin von ihr, aber als erstes muss ich mich um meine Gina..."
„Das ist schon mal ein Schritt in die richtige Richtung. Aber dann gibt es da noch jemanden, der dich braucht. Sogar im jetzigen Moment mehr, als Gina."
„Ja, ich weiß. Das Baby. Aber... Kannst du dich denn nicht im Moment um die Kleine? ... Ich fühle mich dazu einfach noch nicht in der Lage. Ich meine, ich... Ich habe morgen Dienst auf dem Medicopter. Wie soll ich mich denn dann noch um das Baby kümmern können?"
„Du schaffst das schon. Außerdem kann auch Karin... Ich meine, wir können morgen unsere Basis wegen wichtiger interner Probleme schließen. Ich... Du weißt doch bestimmt, dass morgen dein Kollege Geburtstag hat. Und deswegen..."
„Das ist ein Tag, wie jeder andere. Ich werde ein Jahr älter, aber... Das ist doch jetzt nicht so wichtig. Wichtiger ist, dass Thomas wieder auf die Beine kommt und nach Hause zurückkehren kann. Ich hab vorhin mal mit dem behandelnden Arzt von Thomas gesprochen. Der hat... Der hat einen kleinen Verdacht. Unser Thomas verheimlicht uns etwas. Irgendetwas stimmt nicht mit unserem lieben Thomas. ... Luna, könntest du noch mal kurz bei deinem Stiefvater vorbei schauen und ihn fragen, was los ist?"
„Und du meinst, Thomas sagt mir die Wahrheit. Er würde mir sagen, was mit ihm nicht stimmt. Mir ist es auch schon aufgefallen, aber... Ich denke, Thomas will einfach nach Hause. Wieder zurück zu seiner Familie. Und das ist doch verständlich, oder? Können wir unseren Thomas nicht nach Hause holen? Wenigstens übers Wochenende?"
„Luna, wie stellst du dir das denn vor? Ich habe Dienst, Karin hat Dienst. Genau, wie deine Mutter."
„Die einzige, die frei hat, bin ich.", erklärte Luna und grinste. „Ich kümmere mich um Papa. Er wird auch ganz bestimmt bei uns im Bett liegen bleiben. Ich werde höchstens mit ihm auf die Terrasse gehen. Da kann er sich in die Sonne legen. Ich will meinen Papa einfach wieder um mich haben, Michael. Und morgen ist dafür doch ein toller Tag, oder?"
„Ja, du hast ja Recht, Luna. Aber... Wie stellst du dir das vor? Wenn wir Thomas... morgen nach Hause holen und er... und er kippt uns zu Hause um. Womöglich auch noch auf der Treppe. Er landet doch direkt wieder im Krankenhaus. Und... Und dann gefährden wir seine Genesung. ... Ich kann ja verstehen, dass du deinen Papa vermisst. Aber... Wir können Thomas..."
„Morgen nach Hause holen. Ich will endlich meinen Papa wieder zu Hause haben. Er fehlt mir einfach, Michael. Er ist... Er ist doch schon viel zu lange im Krankenhaus. Ich kann... Ich kann die Nächte ohne ihn einfach nicht mehr aushalten. Vor allem auch die Abende. Dass Papas Platz am Abendbrottisch freibleibt, das... Das ist für mich das Schlimmste, was es gibt. Ich vermisse Papa so sehr.", bettelte Luna und Michael konnte nicht lange in die bettelnden Augen der 14 Jährigen schauen.
„Luna, ich verstehe ja, dass du deinen Papa nach Hause holen willst. Aber... Michael hat Recht. Thomas sollte die nächsten Tage noch hier im Krankenhaus bleiben. Du kannst ihn doch jederzeit besuchen. Wenn du das willst."
„Aber... Das ist doch nicht dasselbe. Ich vermisse es einfach, mit Papa am Esstisch zu sitzen. Papa beim Fliegen zuzuschauen. Auf ihn warten, wenn ihr beim Einsatz seid. Ich... Ich will Papa wieder glücklich sehen. Jetzt ist er doch nur noch ein Trauerkloß, der nur hin und wieder mal lächeln kann. Habt ihr das denn noch nicht gemerkt?"
„Ja, natürlich. Wir haben uns doch immer schon Sorgen gemacht, als wir unseren Thomas in den letzten Tagen besucht haben.", meinte Biggi zu ihrer Tochter und wandte sich dann an Mark: „So, Mark. Und du gehst jetzt gefälligst zu deinem Kind. Es ist wichtig, dass wenigstens der Vater für die Kleine da ist. Wenn schon Gina im Moment nicht für eure Kleine da sein kann. Oder denkst du etwa, Gina hätte dich betrogen?"
„Nein, das denke ich natürlich nicht. Ich weiß, dass Gina so etwas nie getan hätte. Ich... Gind und ich gehören einfach zusammen. Da passt kein Blatt zwischen uns. Wir sind zwei zusammen gehörende..."
„Dann zeig es doch auch deiner Freundin und kümmere dich um euer Baby. Die Kleine braucht jetzt ihren Vater ganz besonders. Ich weiß, wovon ich spreche. Lunas Vater hat uns auch verlassen. Kurz nach der Geburt der Kleinen. Er hatte versprochen, immer für uns da zu sein. Und dann... Dann machte ihm eine andere Frau schöne Augen und schon... war er weg. Und dann wollte er auch noch die Kleine mitnehmen."
„Er... Er wollte mich mitnehmen? Wie..." Luna war geschockt. Ihr Vater wollte sie bei sich behalten, sie ihrer Mutter wegnehmen?
Gut, Herr Steinberg... Lunas Adoptivvater hatte das gleiche getan. Aber... Ihr eigener Vater... wollte die Kleine einfach... von jetzt auf gleich... ihrer Mutter wegnehmen und mit einer anderen Frau zusammen aufziehen.
Wäre die andere Frau ihres Vaters eigentlich bereit gewesen, mich als ihr Kind mit großzuziehen? Hab ich vielleicht Halbgeschwister? Und vor allem, wer um Gottes Willen, ist mein leiblicher Vater?
Das waren die Fragen, die Luna plötzlich in die Gedanken schossen.
„Mama, wer... Wer ist mein leiblicher Vater?", fragte die 14 Jährige ihre Mutter und Biggi, die nie mehr an ihren Ex-Freund, der ihr doch so weh getan hatte, erinnert werden wollte, überlegte, ob sie ihrer Tochter die Wahrheit sagen sollte. Ob Luna wirklich schon bereit wäre, die volle Wahrheit darüber zu erfahren, was ihr Vater getan hatte.
„Luna, ich... Ich finde, es... Luna, ich glaube, ich sollte mit dir...", stotterte Biggi und setzte sich mit ihrer Tochter zusammen ins Cockpit der glänzenden BK 117.

Liebe liegt in der LuftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt