34. Man darf die Hoffnung nicht aufgeben

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Lunas Sicht:
„Michael... Michael, komm mal bitte ganz schnell her. Ich... Hier ist..." Nach einer gewissen Zeit hatte ich endlich auch unseren Peter gefunden; er lag vollkommen regungslos auf einem ziemlich großen, mit Schnee bedeckten Stein hinter dem Rumpf unseres Hubschraubers.
Michael und ich wussten schon im ersten Moment genau, was das bedeuten könnte, aber weder unser Notarzt, noch ich wollten es wirklich wahr haben.
„Peter...", rief Michael geschockt und lief zu seinem Sanitäter, mit dem er in den letzten Jahren zu einem super Team zusammen gewachsen war. Die beiden waren schon eine halbe Ewigkeit schon miteinander befreundet.
Währenddessen schaute ich mich noch einmal kurz um. Alles war voller Schnee bedeckt und Einzelteile, auch eine Blutspur, war auf dem weißen Schnee zu erkennen.
Ich wusste genau, dass die Blutspur von mir kommen musste, aber das war für mich in diesem Moment trotzdem vollkommen egal. Ich musste Thomas finden, das war ich ganz allein meinem Papa schuldig.
Schließlich war ich ja auch schuld an dem Absturz unserer Maschine. Ich hatte doch... Klar, ich hatte während des ganzen Fluges nicht einen Knopf, nicht einen Schalter im Cockpit angerührt. Hatte Papa nur zugeschaut, wie er die Maschine konzentriert von einem Ort zu einem anderen flog.
Aber Papa war doch vorher noch nie mit einem Hubschrauber abgestürzt. Erst jetzt, als ich zum ersten Einsatz mit flog, ausgerechnet da stürzte der Hubschrauber ab.
Schwach schleppte ich mich durch den meterhohen Schnee zurück zu unserem Heli und rief mit ziemlich schwacher Stimme noch einmal nach Thomas.
„Papa... Papa, wo bist du denn? Was ist denn los? Papa... Wo bist du?"
Ich hörte die Verzweiflung in meiner Stimme und trotzdem wusste ich, dass ich in dieser Situation die Hoffnung nicht aufgeben durfte. Egal, was uns jetzt alles noch erwartete, aber ich musste mich hier um Thomas kümmern. Er... Er musste doch irgendwo sein.
Zufällig fiel mein Blick plötzlich noch einmal ins Cockpit des Wracks unseres Helis.
„Thomas... Papa..." Mir fiel es wie Schuppen von den Augen, als ich endlich Thomas gefunden hatte. „Papa...", hörte ich mich anschließend selber geschockt flüstern, bis ich überlegte, Michael zu holen.
„Michael... Komm schnell. Michael!", rief ich unseren Notarzt, der zu Thomas und mir kam und erschrak.
„Thomas, oh mein Gott. Um Himmels Willen. Was... Wie ist denn das passiert?", fragte er und ließ alles stehen und liegen.
Thomas... Mein lieber Stiefvater... Er hing bewusstlos in seinem Gurt auf dem Pilotensitz. Blut floss aus seinem Mund.
„Papa...", flüsterte ich schwach und traurig und kletterte zu Thomas ins fast vollkommen zerstörte Cockpit. Ich hatte Angst, so große Angst; ich wusste nicht, wie ich jetzt auf diese Situation reagieren sollte, was ich zu tun hatte; wie ich Papa helfen könnte.
Anders, als ich, wusste Michael aber zum Glück sofort, was zu tun war.
„Luna... Du musst jetzt am besten erst mal dafür sorgen, dass... Pass auf, Luna... Wenn Thomas zu sich kommt, darf er auf keinen Fall das Bewusstsein wieder verlieren. Unterhalte dich am besten mit ihm; erzähl ihm irgendeine Geschichte, die dir gerade in den Sinn kommt. Aber hindere ihn daran, wieder einzuschlafen. Das ist ganz wichtig, Luna. Bei der Kälte hier... Ein fürchterliches Wetter ist das heute. Muss das alles gerade jetzt im Winter passieren. Kann es nicht im Frühling sein, dass wir hier abstürzen. ... Oder am besten gar nicht. Das reicht, wenn deine Mama schon einmal abgestürzt ist. ... Pass auf, Luna. ... Ich schaue in der Zwischenzeit, ob... Wir Peter nicht auch irgendwie... Und du kümmerst dich hier weiter um deinen Papa."
„Ich... Michael, ich... Ich will... Ich will Thomas nicht verlieren. Ich... Er... Er ist doch mein Papa. Auch, wenn wir nicht wirklich miteinander verwandt sind. Aber er ist mir trotzdem wichtig.", flüsterte ich traurig. „Versprich mir bitte, dass... Dass Papa nicht stirbt, Michael. ... VERSPRICH ES MIR! BITTE!"
Michael hörte, dass ich langsam die Hoffnung aufgab, dass alles gut ausgehen würde. Er nahm mich tröstend in den Arm und versprach mir ganz fest, dass sich bald die Kollegen auf die Suche nach uns machten.
„Luna, meine Kleine. Deine Mami und die Kollegen machen sich bestimmt in ein paar Minuten auf die Suche nach uns. Wir sind jetzt... Seit... ca. zweieinhalb Stunden unterwegs. Deine Mutter macht sich doch bestimmt auch schon Sorgen um Thomas und dich.", flüsterte er mir behutsam zu, während ich meinem Papa vorsichtig über die Hand streichelte. „Sie weiß doch, was passiert ist. In ein paar Minuten ist sie hier."
Auf meine vorsichtigen Berührungen reagierte Thomas jedoch nicht. Auch nicht auf den vorsichtigen Kuss, den ich ihm auf die Wange gab.
„Ich weiß doch, dass dir dein Papa so wichtig ist. Das verstehe ich doch, Luna. Aber genau deswegen musst du Thomas auch wach halten, wenn er wieder zu sich kommt. Das ist jetzt ganz wichtig, meine Kleine. ... Mach dir keine Sorgen. Wir helfen deinem Papa jetzt. ... Luna, du hast doch vorigen Monat im Krankenhaus ein Praktikum gemacht. Willst du... Ich meine, du willst doch auch Medizin studieren. Das würde bestimmt helfen, wenn du hier... schon mal übst."
Michael holte aus seiner Tasche eine Infusionsnadel und gab sie mir, als ich kurz nickte.
„Thomas, ich... Es tut mir riesig leid. Aber... Ich..." Ich zitterte und, während Michael mir dabei zusah, hatte ich die Nadel auch schon in der blassen Hand von Thomas versenkt.
„Das hast du doch schon ganz prima gemacht. Deine Mama kann richtig stolz auf dich sein. Du wirst bestimmt mal eine sehr gute Ärztin.", sagte mir Michael aufmunternd lächelnd und schon kurze Zeit später lief die Infusion durch.
„So, nächster Schritt. Wir müssen Thomas hier irgendwie rausholen. ... Pass auf, wir machen das ganz professionell."
Den Gurt bekamen weder ich, noch Michael auf, weswegen unser Notarzt ihn mit einem Messer durchschnitt.
„So, super. Glaubst du, du kannst mir helfen, Thomas hier raus zu heben? Wie geht es denn deinen Rippen?", fragte mich Michael besorgt, worauf ich antwortete: „Das geht schon wieder. ... Ich... Ich helfe dir, Michael."
„OK, Luna. Pass auf, du nimmst die Beine. Ich den Oberkörper. ... Aber vorher müssen wir die Trage... Ach, da ist sie ja schon."
Michael holte die wenige Meter von uns entfernt liegende Trage und stellte sie direkt neben den Heli.
„Luna, komm mal her zu mir. ... Du nimmst seine Beine. ... OK? Auf Drei. Eins, zwei, drei."
Gemeinsam hoben Michael und ich Thomas vorsichtig aus dem Heli. Anschließend deckte ich meinen Papa vorsichtig zu und hockte mich neben ihn in den kalten Schnee.
„Gut, ich gehe noch mal rüber zu Peter. Du bleibst hier bei Thomas. Wenn irgendwas ist, rufst du mich sofort."
„OK, Michael. Alles klar. Das... Das wird gemacht. Ich passe hier ganz genau auf. ... Papa, ich lasse dich nicht alleine.", gab ich durch und hielt Thomas' linke Hand, in der noch immer die Infusionsnadel steckte, fest in meiner Hand.
„Thomas, du musst es jetzt einfach schaffen. Ich... Ich will... Ich will dich nicht jetzt auch noch verlieren müssen. Ich... Papa, ich liebe dich doch über alles auf der Welt. Ich will dich nicht verlieren. Hörst du? Du musst es schaffen. ... Ist das denn wirklich mein Schicksal?", flüsterte ich mit äußerst verzweifelter Stimme, als ich Thomas vorsichtig über die Hand streichelte.
„Die Kollegen werden bestimmt gleich hier sein, Luna. Das verspreche ich dir.", versprach mir Michael noch einmal und machte sich dann wieder auf den Weg zu Peter, der noch immer bewusstlos auf dem Platz lag, auf dem ich ihn zuvor auch gefunden hatte.

Liebe liegt in der LuftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt