44. Bloß nicht verplappern

123 7 0
                                    

Lunas Sicht:
Die Nacht hatte dank meinem Alptraum, der mich immer wieder weckte, nicht viele Stunden. Ich träumte immer wieder von unsrem Absturz, von Papa, von... Davon, dass ich erfuhr, dass Papa tot war.
Am nächsten Morgen bekam ich schon sehr früh Besuch von meinem behandelnden Arzt. Ein bisschen zu früh, schließlich schlief ich noch tief und fest.
„Guten Morgen, Luna.", weckte er mich vorsichtig und mit verschlafen zugekniffenen Augen schaute ich ihn an.
„Oh, Dr. Wagner. Das... Schön... Ich... Ich hab gar nicht geschlafen.", lächelte ich verlegen und streckte mich.
„Das ist doch kein Problem, Luna. Ich kann mir ja denken, warum du noch so müde bist. ... Wie geht es dir denn heute Früh?" „Mir... Mir könnte es gar nicht gut genug gehen."
„Hast du noch Kopfschmerzen? Was machen deine drei angeknacksten Rippen?", fragte mich der Arzt, als er kurz in meine Krankenakte und dann wieder auf mich schaute.
„Ich... Mir geht es richtig gut. Die Kopfschmerzen sind wie weggeblasen. Und meine Rippen, die merke ich auch nicht mehr.", sagte ich lächelnd.
„OK, deine Werte sehen auch soweit wieder gut aus. Ich denke, unter den Umständen... können wir dich heute Nachmittag wieder nach Hause lassen. Ich habe auch schon mit Dr. Lüdwitz und Frau Dr. Thaler gesprochen, die werden auf dich aufpassen."
„Na, wenn Michael und Karin auf mich aufpassen, dann kann mir auch nichts mehr passieren. Ich danke ihnen, Dr. Wagner. ... Dann... Dann kann ich also heute Nachmittag wirklich nach Hause fahren?", fragte ich aber lieber noch mal nach, was mir Dr. Wagner bestätigte: „Ja, Luna. Du kannst nach Hause. Dr. Lüdwitz wird dich dann nach seinem Dienst hier abholen und nach Hause bringen. ... Hast du noch irgendwelche Fragen?"
„Nein, bisher nicht. Mir geht es gut. Ich danke Ihnen, Dr. Wagner.", sagte ich zu meinem behandelnden Arzt, der anschließend mein Zimmer verließ und mich alleine ließ.
Dann gab es auch schon Frühstück für mich.
„Guten Appetit, Luna.", wünschte mir der junge Pfleger von gestern Nacht, als er mir das Frühstück brachte.
Ich setzte mich an die große Fensterfront meines Zimmers und schaute in den von wenigen Schleierwolken verhangenen Himmel, der von der rotschimmernden Morgensonne in ein wunderschönes Dunkelrosa getaucht wurde.
Und als ich mein Fenster öffnete, hörte ich in weiter Ferne das Geräusch der Rotoren von unserer BK 117.
„Mama...", flüsterte ich leise und grinste über beide Ohren.
In ein paar Minuten, das wusste ich schon jetzt, würde sie auf dem Dachlandeplatz der Klinik landen und sicherlich auch mal bei mir vorbei schauen.
Doch vorher ging die Tür auf und Max, der Mechaniker, kam zu Besuch.
„Guten Morgen, Luna.", grüßte er mich freundlich. „Wie geht's dir?"
„Guten Morgen, Max. ... Danke, mir geht's soweit gut. Ich kann heute Nachmittag nach Hause, Michael wird mich dann nach seinem Dienst abholen.", freute ich mich schon und auch Max schien sich zu freuen, dass ich wieder in Ordnung war.
Schließlich, so wusste er ganz genau, hatte er als Mechaniker eine gewisse Mitschuld an dem Absturz unseres Hubschraubers. Das allerdings glaubte ich nun wirklich gar nicht.
„Ich... Ich glaube nicht, dass du an dem Absturz schuld bist.", versuchte ich ihm zu erklären, doch Max schüttelte den Kopf. „Ich hätte doch zu jeder Zeit aufpassen müssen, dass... Dass euch nichts passiert. Dass die Maschine in Ordnung ist. Und... Jetzt liegt Thomas auf der Intensivstation, du bist auch nicht hundertprozentig in Ordnung; von Peter will ich jetzt eher schweigen."
Ja, unser guter Peter. Ich konnte bisher immer noch nicht glauben, dass... Dass er nicht mehr auf die Basis zurückkommen würde. Dass unser Peter tot war. Wir hatten noch kurz vor dem Absturz viel Spaß miteinander gehabt, haben noch gekichert und Papa ein bisschen veralbert. Und jetzt... War Peter einfach so... Nicht mehr da.
„Ich vermisse Peter ganz schön.", seufzte ich und schaute in den Himmel, in dem jetzt unsere BK 117 direkt über uns stand.
„Biggi hatte schon zu Dienstbeginn einen Einsatz gehabt. Es ging heute Früh schon ganz schön zeitig los. Deine Mutter konnte sich kaum so schnell anziehen, wie es schon den Einsatz gab.", wusste Max, als auch er sich die sich nähernde BK sah. „Als ich losgefahren bin, um Thomas und dich hier zu besuchen, da sind unsere Kollegen gerade zu dem Einsatz los geflogen."
„Das ist doch schön, dass Mama jetzt schon heute Früh her kommt. Bestimmt kommt sie mich jetzt gleich besuchen. Das hat sie schon gemacht, als ich offiziell noch bei Familie Steinberg wohnte. Jetzt bin ich ja schon... ein halbes Jahr bei Mama und Papa zu Hause."
„Deine Adoptivmutter, diese Frauke, hat sich übrigens heute Früh bei deiner Mama zu Hause gemeldet. Sie hat von eurem Absturz heute Früh in der Zeitung gelesen. Und... Da wollte sie sich erkundigen, wie es dir..."
„Das steht in der Zeitung? Da... Ich hoffe mal nicht, dass Stella die Zeitung liest.", vermutete ich, doch ich wusste bereits jetzt, dass sie die Zeitung bestimmt nach ihrer Ankunft hier las. Vor allem, wenn der Artikel als große Schlagzeile auf der ersten Seite der Zeitung stand.

Erzählersicht:
Ein Café in der Innenstadt war der erste Anlaufpunkt von Stella Contini, die sich mit ihrem Bruder Enrico verabredet hatte.
„Hallo Stella.", begrüßte Enrico seine Schwester mit einem freundlichen Küsschen auf die Wange. „Schön, dass du uns mal wieder besuchst."
„Hallo Enrico.", grüßte auch die viel beschäftigte Mutter des kleinen Oliver, der im Kinderwagen saß und mit seinem Spielzeughubschrauber spielte, den er bei Peters letztem Besuch von seinem Vater geschenkt bekommen hatte.
„Ich freue mich, dass du mal wieder da bist. ... Wie geht's dir?", fragte Enrico und schaute sich angestrengt um. Schon bei zwei Passanten in der kleinen, ruhigen Nebenstraße hatte der ehemalige Sanitäter von Medicopter 117 die Zeitung mit der großen Schlagzeile über den Absturz der Maschine gesehen. Und jetzt hatte er natürlich Sorge, dass Stella dadurch vom Tod von Peter erfuhr.
„Mir geht's gut. ... Sag mal, Enrico. Was ist denn los? Suchst du irgendwen?" „Nein, nicht wirklich. Ich schaue mich nur um. Ich... Oliver ist ja auch schon ziemlich groß geworden, seit ich ihn das letzte Mal gesehen habe.", lenkte der junge Sanitäter von seinen nervösen Blicken ab. Er nahm den kleinen Schreihals aus seinem Kinderwagen und setzte sich mit ihm an den Tisch des kleinen Cafés.
„Was gibt es denn alles Neues bei euch? Hast du dich denn wieder mit Thomas vertragen und arbeitest wieder als Sanitäter bei Biggi?", fragte Stella, nachdem sie sich einen Cappuccino bestellt hatte und anschließend ihren Bruder fragend anschaute.
„Ich hab mich bei Thomas entschuldigt. Und... Naja... Bei Medicopter arbeite ich nicht mehr. Ich... Ich hab mir jetzt... Ich lerne jetzt, ein Hotel zu führen. Dann komme ich nach Italien zurück. Mich hält hier nichts mehr. Biggi und Thomas gehören zusammen, die beiden können sich einfach nicht trennen. Schon allein wegen Luna. Die liebt Thomas über alles. Das merkt man ja auch jetzt, wo Thomas..."
„Was ist denn los, Enrico?", wollte Stella wissen.
‚Klasse.', seufzte Enrico gedanklich und sagte dann zu seiner Schwester: „Es... Es gab einen... Es gab einen Unfall. Thomas... Der ist mit... Nach einem Einsatz auf dem Weg in die Basis zurück... mit dem Hubschrauber abgestürzt. Luna war bei dem Absturz dabei."
„Oh, Gott. Wie geht es den beiden denn? Was ist mit Peter?", wollte Stella, die geschockt die Tasse wieder auf dem Tisch abstellen musste und ihren auf ihrem Schoß sitzenden Sohn ein wenig anders hinsetzte, von ihrem Bruder wissen.
„Es... Das kann ich dir nicht sagen. Ich weiß nichts Genaueres darüber. Meine Kollegen und ich haben schon eine ganze Weile keinen Kontakt mehr. Ich hab es nur zufällig mitbekommen, dass Thomas mit dem Hubschrauber abgestürzt ist. Keine Ahnung, wie es den Kollegen geht. Biggi wollte mir nichts sagen. Sie war ja auch total in Eile, als ich sie getroffen hatte."

Liebe liegt in der LuftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt