10. Kapitel

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Die Stille herrscht nicht wirklich lange. Um ehrlich zu sein, bin ich dankbar, dass diese unangenehme Stille nicht länger folgt.

Manchmal ist das Schweigen qualvoller, als ein wirres Geschrei. Oder in diesem Fall Cole's äußerst freches Mundwerk.

"Tut dein Knöchel immer noch weh?", fragt Cole und einen Moment lang bilde ich mir ein, Besorgnis in seiner Stimme zu hören.

Wie gesagt es ist nur eine Einbildung gewesen. Wir sorgen uns nicht umeinander, denken nicht aneinander, mögen uns nicht einmal und sind aus muss miteinander gefangen, bis mein geliebter Bruder aufkreuzt.

Das hindert mich jedoch nicht daran den Blick von dem Fernseher zu nehmen und ihn von der Seite anzusehen. Die Augen geschlossen, den Kopf in den Nacken gelegt und die angebundenen Füße am Kaffeetisch abgelegt, fühlt er sich wirklich, wie bei sich Zuhause.

Ich bin mir sicher, dass seine Mutter ihm Manieren beigebracht hat — wahrscheinlich noch sehr gute —, aber, was nimmt schon ein rebellischer Jugendlicher von Zuhause — abgesehen von Kleidung und seiner PlayStation? Richtig, rein gar nichts.

"Warum? Interessiert es dich etwa?", frage ich belustigt zurück. Meine Mundwinkel zucken nach oben und ich schaue Cole auffordernd an.

Schlagartig öffnen sich seine Augen, ein eiskaltes blau nimmt mich ins Visier, was mir einen kalten Schauer einjagt. Ich habe keine Ahnung gehabt, wie faszinierend Augen sein können, wie viel in ihnen steckt, das ich niemals entschlüsseln werden kann. Jetzt, da es mir bewusst ist, möchte ich am liebsten in ihnen ertrinken und das auch für meine schrägen Gedanken, die verboten sein sollten. 

Ich sehe, dass er mit sich auf irgendeiner Art kämpft, jedoch ahne ich nicht zu wissen, warum er es tut.  Schließlich räuspert er sich. "Nein, ich habe nur plötzlich Durst bekommen und da du ja so eine tolle Gastgeberin bist könntest du - nur wenn dein Knöchel nicht mehr wehtut, ich will ja nicht unhöflich sein -, mir etwas zu Trinken bringen!", gibt Cole knurrend von sich. Ok? Einerseits könnte ich ihn jetzt Ohrfeigen, doch von der anderen Seite aus, hat er nicht so kalt klingeln wollen, wie er es meist immer tut.

Ich verdrehe meine Augen und lecke mir einmal über die Unterlippe, die schon bereits etwas viel zu trocken ist. Mann, ich hasse es immer wenn meine Lippen trocken sind. Es fühlt sich für mich einfach so ekelig an, ugh. "Na ja, als aller erstes bin ich nicht deine Gastgeberin und du ebenfalls nicht mein Gast ...", ich schenke ihm ein strahlendes dennoch genervtes und auf gespieltes Lächeln, fahre dann aber zügig fort. " ... und zweitens kannst du froh sein, dass du Glück hast, ansonsten würdest du es wahrscheinlich nicht in das Fußballteam schaffen.", ich lächle mild. Mein zuckersüßes aufgesetzte Lächeln, das ich schon so gut beherrsche.

Ich frage mich wie es wäre, wenn ich meinem extrem beschützenden Bruder erzählen würde, wie Cole zu mir ist. Aber dann schiebe ich diesen blöden Gedanken beiseite, denn erstens ist mein Bruder jetzt nicht so streng beschützend und zweitens würde ich nicht beschützt werden wollen, da ich selbst auf mich aufpassen kann.

Schließlich bin ich schon groß genug und nur, weil ich ein Mädchen bin muss es nicht heißen, dass ich schwach bin. Vor zwei Jahren war ich zusammen mit Gwen auf einem Selbstverteidigungskurs, aus dem wir einige Tricks gelernt haben. Nur für den Fall der schlimmsten Fälle.

"Süß ... ich dachte du wärest nur super nervig aber das du fantasievoll bist, bemerke ich erst jetzt.", ich lache auf. "Super dumm bist du auch noch.", murmle ich zu meiner Verteidigung.

"Oh, komm schon. Fällt dir nichts anderes ein, hm?", fragt er mit einem Hundeblick. Innerlich muss ich mir ein breites Grinsen verkneifen, denn dieser Blick funktioniert tatsächlich ein bisschen. Doch ich gebe ihm nicht den Vorteil und gewähre mir nicht irgendein Spruch aus meinem Mund kommen zu lassen. "Ich bin ziemlich müde aber das liegt nun mal daran, dass du so langweilig bist, Cole.", sage ich gemein. Tja, das hätte er nicht erwartet. Wahrscheinlich dachte er ich würde so etwas wie: "Du bist dümmer als es ein Mensch nur sein kann!", rauslassen. Nun aber da hat er sich wohl getäuscht.

"Niedlich.",
"Niedlich?",
"Ja, nun ich finde, dass ich es mehr als nur verdient habe im Team mitzuspielen. Ich kann es dir beweisen.", kommt Cole wieder auf das eigentliche Gesprächsthema zurück, worauf ich ehrlich gesagt froh bin. "Tatsächlich? Wie denn?", meine Interesse steigt.

"Komm am Freitag zum Training. Ich werde auch ein Oberteil an haben nur damit du nicht in Ohnmacht fällst.", er zwinkert mir zu und auf seinen Lippen bildet sich ein breites Grinsen, wodurch auch seine Grübchen zum Vorschein kommen.

Paah, da muss er sich darüber ziemlich sicher sein, dass er besser als mein Bruder ist. Na ja, wer weiß. Jedenfalls entscheide ich mich zu kommen, da Gwen am Freitag natürlich keine Zeit hat, weil sie ja ein Date mit Finn hat.

"Geht klar. Fang schonmal an heute zu trainieren!", sage ich monoton. Plötzlich geht die Haustür auf und ein belustigter Nolan und Hunter - Nolan's bester Freund-,  betreten das Haus. Hunter's grüne Augen funkeln mich an und ich kann mir schon denken, dass die Jungs heute feiern werden. Sein blondes Haar hat er wie immer kurz und ich höre nur ein schnelles "Hallöchen, Fay.", von ihm, was ich ebenfalls erwidere. Nolan's Augen weiten sich auf und sein Gelache hört abrupt auf.
"Cole, tut uns leid für die Verspätung aber meine Schwester hat mich zur Apotheke geschickt.", Nolan fährt sich einmal durch das Haar und richtet seine Jacke. "Ich hoffe sie hat nicht all zu sehr genervt!", fügt er möglichst schnell hinzu. 

"Ah, keine Sorge! Ich habe Erfahrung mit Nervensägen, deine Schwester muss nur lernen nach vorne zu schauen, denn ansonsten hat sie mal das Bein gebrochen.", entgegnet Cole, als er aufsteht. Arsch.

"Sehr witzig!", knurre ich. Nolan grinst und kommt auf mich hinzu. "Das alles ist überhaupt nicht ernst gemeint, Faith.", er drückt mir einen Kuss auf die Stirn. "Love you, Sugar!", höre ich noch von meinem Bruder eher er zusammen mit Hunter und Cole aus der Tür verschwindet. "Viel Spaß!", schreie ich hinterher. Nicht weniger als eine Minute später, öffnet sich die Tür erneut und Gwen kommt rein.

In einer Hand trägt sie eine Schüssel Popcorn und in der anderen eine Tüte. "Habe ich gerade richtig gesehen? Cole?", brummt sie. "Ja, ja hast du.",

Finding FaithWo Geschichten leben. Entdecke jetzt