19. Kapitel

1.8K 64 17
                                    


Nach zwei gefühlten, mehr als nur langweiligen - vielleicht auch schon Todes langweiligen -, Geschichtsstunden erklingt das Geräusch der Schulglocke. Ich liebe dieses Geräusch und bin dankbar, dass es ihn gibt. Wer weiß, wie es wäre, wenn die Lehrer selbst bestimmen würden, wann der Unterricht zu Ende ist. Ich lege meine Tasche auf meine Oberschenkeln und räume schnellstmöglich meinen Material ein. Cole und Cam, meinen sie wollen schon mal vorgehen, was ich mit einem Kopfnicken und einem schnellen."Ja, klar.", bestätige. Gerade bin ich dabei meine rote Federmappe in die Tasche zu quetschen, da sie übrigens mit den ganzen Mathe, Englisch und Französischbüchern voll ist.

"Wird es mal heute etwas?", höre ich die faszinierende Stimme meiner aller besten Freundin im ganzen Universum und hinter den großen sieben Bergen, sagen. Mein Kopf schießt nach oben und fragend sehe ich sie an. "Könntest du vielleicht mein Geschichtsbuch in deine Tasche reintun? Ich habe nämlich gar keinen Platz mehr für irgendetwas und sei es auch nur ein bloßer Bleistift.", ihre vorherige ironisch gestellte Frage, ignoriere ich und lächle sie dann liebevoll an, in der Hoffnung sie würde das tun, worum ich sie gerade eben gebeten habe. Gwen nickt und haltet die Hände nach dem Buch ausgestreckt. "Gerne. Für dich doch immer.", artikuliert sie, dabei gebe ich mein Geschichtsbuch an sie weiter und erhebe mich von meinem Platz.

Gwen packt das Buch sofort ein und schon laufen wir los, in die Richtung des Lehrerpultes, wo ich noch einmal Miss. Blake ansprechen will. Sie sitz auf ihrem Stuhl und tippt etwas auf ihrem Handy ein. Wow, so etwas besitzt Miss. Blake auch? Respekt. Ich jedenfalls hätte nicht gedacht, dass diese ältere Dame, die unsere Geschichtslehrerin ist, ein Handy besitzt.

"Miss. Blake ..?", setze ich fragend an. Ihre kurzen blond - grauen Haare versucht sie sich hinters Ohr zu schieben und abrupt liegt sie ihr Handy auf den Tisch ab. "Ja?", entgegnet sie etwas genervt, doch schon in einem viel netterem Tonfall, als vorhin im Unterricht. "Sie besitzen so etwas wie ein Handy?", so als hätte Gwen meine Gedanken gelesen, es sei denn sie hatte dieselben. Ich ziehe meine Lippen zu einer dünnen Linie zusammen, um nicht lauthals loszuprusten. "Dafür besitzen Sie wenig Gehirn, Gwen.", bemerkt sie ernst. Upss.

"Faith?",

"Ah, ja ... wäre es vielleicht möglich, dass ich einen Aufsatz zu morgen schreibe über ein beliebiges Thema, was sie mir vorgeben und muss dann dafür heute nicht zum nachsitzen kommen? Ich bin ja auch nicht mit Absicht zu spät gekommen ... Es war Cole's Schuld. Und außerdem, Miss Blake, war es erst das zweite mal, dass ...", sie schneidet mir das Wort gnadenlos ab und hebt dann ihre Hand in die Höhe, damit ich aufhöre zu reden.

"Genau. Das zweite mal, Faith. Es sollte überhaupt nicht in meinem Unterricht vorkommen. Ich ... ich möchte gar nicht wissen, was sie und Landon gemeinsam gemacht haben ...", gibt Miss. Blake von sich, wobei sie am Ende ihres Satzes den Kopf schüttelt.

Ok, dann will ich lieber nicht wissen wovon meine Lehrerin nachts träumt. Bläh. Cole und ich? Was gemeinsames? Nein, nein, lieber nicht.

Gwen lacht, doch sofort richtet sich Miss. Blakes Blick auf sie und bringt sie somit auch zum schweigen. "Entschuldigen sie. Aber er möchte einfach nur Cole genannt werden, Miss.", erklärt sie ernst. "Was auch immer.", die Frau vor mir setzt ihre Brille richtig auf und schaut dann eben, in ihr offenes Buch.

"Hmm ... In Ordnung, Faith. Ich möchte ein Referat über die russische Revolution, mindestens zwei Seiten lang.", ich nicke hastig und lächle sie dankend an. "Ah, ja bevor ich es vergessen sollte. Das Referat ist zu Montag und du wirst ihn nicht alleine, sondern mir Cole schreiben.", fügt sie noch ebenfalls lächelnd hinzu. Nur ihr lächeln ist ein zerstörendes und teuflisches. Ich hasse diese Frau einfach, obwohl ich vor einigen Sekunden angefangen habe sie ein bisschen zu mögen. Anscheinend ging es super schnell, denn ich hatte nicht einmal die Gelegenheit darüber nachzudenken. Toll ...

"Aber ...", will ich wenig zustimmend, protestieren. "Schluss ist. Sie werden das Referat für Montag zusammen mit Cole schreiben und es dann auch vorliegen haben, ansonsten heißt es für beide eine sechs und den ganzen Nachmittag Kaugummis abkratzen bei dem Hausmeister, verstanden?", trotzig nicke ich und stampfe dann beleidigt aus dem Klassenraum, wahrscheinlich dicht gefolgt von Gwen, die nichts sagt.

Warum sagt sie nichts? Ich bleibe stehen und schaue nach links, wo ich sie eigentlich wiederfinden sollte, was ich aber nicht tue. Meine Mundwinkeln zucken schlagartig nach oben, sobald ich Gwen sehe. Sie wurde von Miss. Blake im Klassenraum aufgehalten und muss jetzt nun die Tafel putzen und soweit ich richtig sehe, hält Miss. Blake ihr auch einen Besen hin. Tja, hat man was davon, wenn man schadenfroh ist.

"Und damit es klar ist, Gwen. Sie sollten mal lieber zu erst nachdenken, bevor sie Ihren Mund aufmachen.", Gwen macht eine Grimasse und im nächsten Moment deute ich ihr mit einer Hand, dass ich schonmal zu den Jungs gehe. Sie nickt und macht weiterhin die Tafel sauber.

Ich gehe auf die Treppe zu, weil ich den kürzeren Weg nehmen will, um in die Cafeteria zu gelangen. Eigentlich dürfen wir Schüler uns während der Pause im oberen Geschoss der Schule, nicht aufhalten, weil die Lehrer denken wir wären schon solche Rebellen, dass wir die neusten Klassenzimmer randalieren würden. Was zum Teil vielleicht bei einigen Stimmen würde aber nicht bei meinen Freunden und mir. Als ich mich an den Schülern, die im Gang stehen, durchquetsche, steige ich die Treppen auf, doch bevor ich dies mache, schaue ich einmal kurz über meine Schultern und sehe nach, ob ein Lehrer im Gang steht nur damit ich den unnötigen ärger vermeiden kann.

Kein Lehrer, also eile ich die Treppe rauf und befinde mich kurz darauf im oberen Geschoss der Schule. Die Gänge hier oben sehen genauso aus, wie auch unten. Die Klassenräume auch, deswegen verstehe ich nicht wieso wir uns hier nicht aufhalten können. Mit schnellen Schritten durchquere ich die Gänge und plötzlich nehme ich zwei Stimmen, nicht weit entfernt von mir, wahr.

"Am Donnerstag ist alles da ...", mehr höre ich nicht. Was ist am Donnerstag da? Eigentlich hat Kara mir beigebracht anderen Menschen bei ihren Gesprächen nicht zu lauschen aber ich habe hierbei das Gefühl, als täte ich das richtige. Keine Ahnung warum.

Ich gehe weiter gerade aus und nähre mich den Stimmen. An einer nebenliegenden Wand lehne ich mich an und lausche. "Bist du dir sicher, dass diese Sache mit Scarlett geregelt ist?", unerwartet und aus Reflex lege ich eine Hand auf meinen Mund. Mir wird irgendwie warum und in mir steigt das unbehagliche Gefühl der Angst.

"Sie wird schon ihre Klappe halten ansonsten weiß sie, wie das alles für sie enden wird. Ich werde ihren Ruf und noch mehr zerstören.", antwortet Finn einem Jungen, dessen Stimme mir nichts sagt. Die ganzen zwei Wochen lang habe ich geschwiegen, weil mein Unterbewusstsein insgeheim hoffte, dass der Freund meiner aller besten Freundin doch kein aggressiver Drogendealer wäre. Wie viel ich in dieser Zeit hätte machen können. Gwen wäre nicht mit ihm zusammengekommen und ...

Etwas klingt. Ein langes Piepen und ich fühle, wie etwas in meiner Hosentasche vibrierte. Verdammt mein Handy! Ich hoffe nur ... "Hallo?", fragt der andere Junge. Ich schaue auf den Display und sehe Cole's Nummer. Dafür werde ich mich noch später bei ihm herzlich bedanken. Sarkasmus lässt grüßen. "Wer ist da!", ruft Finn und in seiner Stimme schwingt ein bedrohlicher Unterton mit. "Komm raus!", ich kneife meine Augen zusammen und fasse all meinen Mut, den ich habe zusammen und enttarne mich. Dabei versuche ich nicht ängstlich zu wirken. Zeige niemals den anderen Menschen deine Angst, sagte Kara immer, als ich kleiner war, denn dann haben sie einen großen Vorteil über dich.

Finn's Augen weiten sich auf, als er mich sieht. Natürlich weiß er wer ich bin. Die beste Freundin seiner Freundin, die jetzt schon wahrscheinlich wegrennen sollte und anschließend von all dem Gwen berichten sollte, aber ich tue es nicht. Ich will ihn konfrontieren, obwohl es mir etwas Angst macht. Schließlich kann ich nicht wissen, wozu er und sein blondhaariger Freund mit den blauen Augen, fähig sind. Der Junge starrt mich an und seine kantigen Wangeknochen betonen sein nicht all zu schönes Gesicht. "Faith ...", Finn's Stimme ist eine klare Drohung und er kommt angespannt, zugleich aber auch mit einer aggressiven Haltung auf mich zu.

Finding FaithWo Geschichten leben. Entdecke jetzt