22. Kapitel

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"Was soll ich denn über mich erzählen?", fragt er lächelnd. Seine Augen sind in dem schwachen Nachtlicht dunkelblau und in ihnen kann ich mich selbst sehen. Mein Haar offen, wie eigentlich immer. Die Augen starr auf Cole gerichtet. Ich zucke mit den Schultern, siehe zum Himmel auf und lecke mir einmal über die schön viel zu trockene Lippen. "Warum bist die hierher gezogen? Nach Charleston? Ich meine Los Angeles, Hollywood ... Es ist so ziemlich weit entfernt von hier.", er richtet sich neben mir auf und wirft mir einen Seitenblick zu.

"Sagen wir mal, dass ich ziemlich viel scheiße gebaut habe.", gibt er zu und kratzt sich dabei beschämt an seinem Hinterkopf. - Sagen wir mal, dass ich scheiße gebaut habe ...-, dieser Satz hallt in meinem Kopf und ich fange an mich zu fragen, was für scheiße er gebaut hat. War er ein Teil einer Gang? Ein Dealer? Schläger oder Kriminalist?

Ich denke das ist es nicht.

Ich richte mich ebenfalls auf und mustere ihn. Seine Arme liegen auf seinen Knien und mit seinen Händen reißt er immer wieder etwas Grass ab, welches er auf mich wirft. "Hey!", er will offensichtlich das Thema wechseln, aber ich bin noch lange nicht damit zufrieden und will wissen, was für eine Scheiße er gebaut hat. "Lenk nicht ab. Was hast du gemacht?", will ich wissen, dabei schaue ich ihn forschend an. Er trägt nur ein rotes T-Shirt und ich kann sehen, wie geschmeidig und glatt seine Haut ist. Ohne zu wissen warum, verspüre ich den Drang seine Haut anfassen zu wollen. Verrückt, ja ich weiß. Kopfnuss, Faith!

In seinem Gesicht bilden sich wieder diese Grübchen, sobald er mich verlegen anlächelt. Irgendwie sieht er jetzt süß aus. Keine Anzeichen dafür, dass er kriminell ist.  "Ich will nicht darüber sprechen. Außerdem lebe ich hier und jetzt und nicht in der Vergangenheit.", ich kann Cole gar nicht einschätzen. Ich weiß nicht wieso es so ist. Das kann ich einfach nicht. Mein Blick zeigt reine Beleidigung, als ich ihn direkt ansehe. "Ok.", schnaube ich. Plötzlich klingelt ein Handy, doch nicht meins, sondern seins. Als er auf das Display schaut, legt er schnellstmöglich ab. Ich will nicht fragen wer es war, denn es geht mich nichts an. Stattdessen habe ich noch eine frage, auf die ich gern eine Antwort haben will.

"Hast du eine Freundin?", frage ich grinsend. Zwar hat er nie von einer gesprochen, aber wer kann das schon wissen, oder? Vielleicht lebt sie ja in Los Angeles, denn ich zweifle er würde in diesen zweieinhalb Wochen in Charleston eine Freundin gefunden haben.

Er lacht auf. "Nein, habe ich nicht. Liebe gibt es viel zu selten auf dieser Welt, sodass ich keiner von den glücklichen sein kann, der sie erleben darf. Deshalb halte ich das ganze auf Abstand. Ich gebe nicht viel auf die Beziehung mit einem Mädchen.", sagt er monoton. Irgendwie hat er recht. Echte Liebe gibt es viel zu selten auf dieser Welt. Menschen heiraten, haben Kinder, sind glücklich und dann passiert etwas plötzliches in ihrem Leben und schon reichen sie Monate später die Scheidungspapiere ein. Nur die wenigsten Beziehungen halten. Nur die wenigsten Menschen lieben die eine Person bis an den letzten Tag ihres Lebens. Bis sie ihren letzten Atemzug nehmen und daraufhin die Augen schließen.

"Nicht viel geben? Was soll das heißen?", frage ich interessiert nach. Er scheint kurz über seine Antwort zu überlegen, doch dann räuspert er sich. "Na, ja damit meine ich, dass ich mir nicht viel mühe gebe. Es scheint mich nicht zu kümmern. Von meinen Eltern habe ich wirklich wenig Zuneigung bekommen. Mein Vater hatte kaum Zeit für mich, für meinen Bruder ...", er hält inne und ich sehe, wie sich seine Brust hebt und kurz danach wieder senkt. Er schließt die Augen und in mir steigt ein ungewolltes Gefühl auf. Ein Gefühl ihn umarmen zu müssen, da ich ahne, was gleich die Antwort auf meine Frage sein wird. Doch ich lasse es sein."Du hast einen Bruder?", mit beiden Händen fährt er sich durch sein dunkles Haar. "Er ist tot.", gibt er von sich und so sehr ich wünsche, ich würde diese Frage nicht gestellt haben, geht es nicht. Die Zeit kann man nicht zurückdrehen.

"Es tut mir leid.", ich lege eine Hand auf seine Schulter und kurz zuckt Cole zusammen, als ich meine Hand auf seine Haut lege. "Das muss es nicht.", ihn fragen, was passiert ist, traue ich mich nicht. Schließlich will ich nicht wissen, wie es ist seinen Bruder zu verlieren. Wenn Nolan irgendetwas passieren würde, würde ich es nicht überleben. Nicht nur, weil Zwillinge sind, sondern weil er in besserer Teil von mir ist. "Es wird langsam kalt. Lass uns reingehen.", stelle ich fest. Cole nimmt seine Jacke in die Hand und wirst sie mir um die Schultern. Sofort wird mir etwas wärmere und dankend lächle ich ihn an. "Nur falls du vor unserem Referat erfrieren solltest. Immerhin musst du ihn ja schreiben.", nichts von dem was er gerade gesagt hat, hält ihn, an seiner sonst so guten Laune ab.

Ich werfe ihm einen Killer Blick zu und kuschle mich in seine Jacke hinein. Ein komischer Zimtduft schießt mir in die Nase und abrupt erkenne ich den Geruch. Wrigley's Big Red Kaugummis.
Ekelig. Zimt und Pfefferminz passen einfach nicht zusammen. Ich ziehe eine Grimasse, was Cole zum schmunzeln bringt. "Möchtest du ein Kaugummi?", hastig schüttle ich meinen Kopf. "Nein, nein.", versichere ich. Cole steht auf und streckt mir beide Hände entgegen. Seine Mundwinkeln zucken langsam nach oben, sobald ich sie annehme und mich von ihm viel zu schnell hochziehen lasse. Ich knalle gegen seinen Brustkorb, der durchtrainiert zu sein scheint. "Autch.", entfährt es mir leise. Mein Kopf schießt nach oben und sofort treffen unsere Augen aufeinander. Er lächelt und hält immer noch meine Hände in seinen, die sehr warm sind. Sein Blick löst sich von meinen Augen und als ich diesem Blick folge stelle ich fest, dass er auf meine Lippen schaut. Jetzt grinse ich. "Können wir endlich rein oder willst du mich noch eine Weile bewundern?", er beugt sich runter und flüstert dann in mein Ohr.

"Träum weiter!", seine Jacke zieht er mit einem Ruck von mir und über beide Ohren grinsend, läuft er an mir vorbei.

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