3. Kapitel

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Ich schweige und schaue gerade aus auf die Straße. Gwen's flüchtige Blicke kann ich ohne meine Augen auf sie zu richten, fühlen. Wahrscheinlich fragt sie sich gerade, warum ich nichts sage aber ich belasse es dabei ihr es nicht erklären zu müssen. Sie weiß ganz genau, dass ich es hasse nachgefragt zu werden und sei es auch nur die Frage wie es mir geht. Diese hasse ich am meisten von all den fragen, die es auf dieser Welt gibt. Ja, ich meine es völlig ernst, denn jetzt mal ohne einander anzulügen, ich zweifle so sehr daran, dass es auch nur einen Menschen auf dieser Welt gibt der noch nie aber wirklich noch nie gelogen hat, wie er sich wirklich fühlt.

Es gibt immer diese Leute, die dich fragen, wie es dir geht, aber ich habe schon daraus gelernt und zwar oft. Sie meinen es würde sie interessieren wie es einem geht aber in Wirklichkeit ist es ganz anders. Es interessiert sie ein scheiß Dreck, wie man sich wirklich fühlt. Als Gwen's Dad letztes Jahr an Krebs gestorben ist, wurde sie ständig danach gefragt wie es ihr ging. Die Leute um sie herum - ihre Großeltern, ihre Cousins, ihre Cousinen und einige Freunde aus dem Volleyball verein -, fragten sie, wie es ihr ging, dagegen antwortete sie immer höflich; "Danke, es geht mir gut.", oder " Mir geht es gut, ich weiß, dass alles besser wird."

Obwohl nicht einmal ein Kern Wahrheit in dem steckte was sie sagte. Sie freuten sich aber keiner wusste wie weh es ihr innerlich tat ... außer ich.
Eines abends, als Gwen und ich alleine bei ihr zu Hause geblieben sind, ist sie völlig zusammengebrochen. Sie hat geschrien, dass niemand sie versteht und, dass es ihr niemals wieder gut gehen wird, weil ihr Vater von ihr weggenommen wurde. Doch Leute kommen und gehen und nur Gott weiß wie sie sich danach fühlen.

Ob besser oder schlechter.

Ich wusste ganz genau wie scheiße es ihr ging. Ich sah es in ihren Augen, sie waren körperlich bei uns aber nie wirklich geistig. An diesem Abend weinte und schrie sie das aller letzte mal, wie sehr sie diese Welt hasste. Und ab da weinte sie nie wieder. Nicht einmal für einen Jungen und ich muss sagen, dass ich auf einer Art wirklich stolz auf sie bin, weil sie so stark war, schon damals. Natürlich kannte ich Verlust aber als meine Eltern gestorben sind, war es mir im Prinzip gar nicht bewusst was es bedeutete zu sterben. Ich dachte immer der Tod wäre eine lange Reise und nach einiger Zeit würde man wieder an dem Ort zurückkehren an dem man alles und jeden zurückgelassen hatte aber mit jedem Jahr in dem ich älter wurde, wurde mir bewusst, dass es nicht der wirklichen Realität entspricht.

Wenn man stirbt dann ist man Tod.
Ich weiß nicht ob es ein Leben nach dem Tod gibt aber ich hoffe es, wirklich, ich hoffe es so sehr.

Ich halte an, weil die Ampel rot ist. Mein Blick fällt auf die Autouhr und ich stelle fest, dass wir zum Unterricht mit Sicherheit zu spät kommen werden, da es schon 7:58 Uhr ist und wir noch ungefähr sieben Minuten fahren müssen. Lange genug geschwelgt!

Mir entfährt ein lauter Seufzer. "Ein Vollidiot ist in mein Auto reingefahren." Ich schaue Gwen an und diese wirkt etwas verblüfft als sie ihr Gesicht zu mir dreht.
"Wann ist das denn passiert?" Ihre Pupillen sind groß und sie mustert mich mit ihren goldenen Augen. "Gerade eben vor Starbucks.", gebe ich ganz knapp von mir. "Und warum hast du mich nicht gerufen? Hoffentlich hast du ihn oder sie ordentlich zahlen lassen, Fay!"

"Ihn. Und nein, habe ich nicht! Es ist nur ein kleiner Kratzer und ich hatte wirklich keine Lust noch irgendetwas mit diesem Jungen zu besprechen. Außerdem müssten wir zu einem Lackierer fahren, um uns über die genaueren Kosten und Schäden zu informieren und glaub mir so wie ich jetzt und hier sitze, mit einer Hand auf dem Herzen, dieser Junge war einfach nur der reinste Witz!", erzähle ich etwas aufgeregt.

Gwen schaut mich fassungslos an. Wahrscheinlich denkt sie sich jetzt ich wäre dumm aber ich hatte ganz einfach keine Lust diesen Jungen wieder begegnen zu müssen. "Sah er wenigstens gut aus?" Sie zieht ihre Augenbraue hoch und stupst mich spielerisch mit ihrem Ellenbogen an.

Finding FaithWo Geschichten leben. Entdecke jetzt