68. Kapitel

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''Es lohnt sich wirklich deine Träume zu leben''

Augenblicklich hört die gesamte Welt auf, sich zu drehen. Das ticken der uralten Wanduhr ist das einzige Geräusch - außer meiner flachen Atmung -, das ich wahrnehme.

Wie oft muss einem Menschen das Herz rausgerissen und wieder an Stelle geklebt werden, bis es nicht mehr kann?

Ich bin mir sicher, dass ich meine Grenzen bereits überschritten habe. Es ist einfach auf einmal zu viel geworden, alles. Sogar das Atmen fällt mir in diesem Moment schwer. Es ist, als würde ich die Luft sammeln, um meine Lunge damit zu befühlen, aber dort ist ein Loch, das die Luft nicht einmal ansatzweise an meine Lunge ranlässt.

Wieso passiert mir so ein Scheiß ständig?

Warum, muss immer mehr auf den Haufen Probleme drauf gepackt werden?

Wann kippt alles um und ertränkt mich und mein ganzes Leben?

Ist es der Preis, den wir für die Liebe zählen müssen?

Ich habe bereits so viel für Cole aufgegeben. Meine eigenen Gedanken, mein Herz, meine Seele, meine Person. Wenn ich könnte, würde ich noch mehr geben, aber alles hat seine Grenzen. Auch die Liebe, denn sie ist nicht grenzenlos. Das sehen wir jedes Mal, wenn uns klarwird, was in anderen Ländern passiert. Krieg und Morde. Fakt ist, dass Liebe gegen Hass gewinnt. Fakt ist aber auch, dass es auf der Welt viel mehr Hass, als Liebe gibt. Und wenn man denkt diese gefunden zu haben, lacht das Schicksal uns aus und reißt sie uns brutal aus den Händen.

Liebe ist wert jeden Kampf. Gegen die Menschheit, gegen die Welt, gegen den Tod und das Schicksal, das unsere zwei größten Feinde zu sein scheinen.

Aber es ist schwer zu verstehen, dass die Person, für die man so unglaublich viel Empfindet, sie unheimlich sehr liebt, sich nicht mehr an dich erinnern kann. Sie kann sich nicht an eure gemeinsamen Momente erinnern, an das, was ihr gemeinsam durchgemacht habt.

Ich betrachte mein Leben, als eine Art Buch. Alles was man tut, wird irgendwo aufgezeichnet, notiert und verfasst. Entweder du entscheidest dich das Buch zu schließen - und somit auch dein Leben, oder du blätterst weiter, bis du ans Ende ankommst.

Und die Erinnerungen an das, was wir in unseren Leben durchgemacht haben, was wir ernteten und von uns gaben, wen wir verloren und geliebt haben, wie wir gekämpft und verloren haben, alles ist in der Zeit geritzt, in der Welt, in der wir ein kleiner Teil sind - immerhin ein Teil.

Cole ist ein großer Teil meiner Welt - er ist meine Welt. Und wenn ich auch so wichtig für ihn bin, muss er sich erinnern. An mich, an sich, an uns.

Ich empfinde Schmerz. Nicht in meinem Herzen, denn ich bin glücklich - mehr als alles andere -, dass er lebt. Dass die Einzige Person, die mein Herz in tausend Stücke zerfetzen könnte und ich sie trotzdem noch mehr lieben würde, als mich selbst, lebt.

Ich empfinde Schmerz, da, wo er nicht zu sehen ist, nicht einmal ein Arzt könnte es.

"Ich werde den Arzt rufen", sagt Gloria, während sie in meine glasigen Augen schaut. Ich weine nicht, weil das Einzige, was wirklich zählt, vor mir liegt und atmet und lebt.

Ian's Gesicht ist blass, er hält die Luft an und wagt es nicht, irgendetwas zu sagen gar einen Laut von sich zu geben. Cole's Blick verschweißt sich mit meinem und die Intensität, mit der er mich ansieht, lässt die Schmetterlinge in meinem Bauch wirr rumtanzen. Verrückt, dass er so etwas in so einer verkorksten Situation mit mir anstellen kann. Und vor dem Inneren meines Auges sehe ich, wie wir hinter meinem Haus, im Garten auf der Wiese liegen und den dunklen endlosen Sternenhimmel über uns betrachten.

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