Kapitel 50: Rummel

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*Violetta

Am Samstag war es endlich so weit: Ich wollte mit meinen Freunden auf den Rummel gehen. Am morgen frühstückte ich schnell und zog mich dann an.

Danach rief ich Leon an: „Hallo Leon, ich wollte fragen, ob du mich heute abholst?" Er überlegte einen Moment und sagte dann: „In Ordnung, ich bin gleich da." Ich packte meine Tasche und schon klingelte es an der Tür. Ich lief die Treppe runter und sah, wie Papa die Tür öffnete. „Was willst du denn hier?", fragte Papa genervt. „Leon holt mich ab, damit wir mit den anderen auf den Rummel gehen." Ich trat neben die beiden. Papa gab sich damit zufrieden und verabschiedete sich von mir.

Dann fuhren wir auf seinem Motorrad. Es fühlte sich ein wenig wie früher an, doch jetzt war alles anders. Seit der Szene im Musikraum weiß ich, dass es mit uns endgültig aus ist. Ich musste mich damit abfinden und weiterleben. Was spricht denn dagegen Diego näher kennenzulernen? Er ist immer da und ich mag ihn sehr... Nein. Ich muss an Leon und Ludmi denken, Diego ist nicht gut für mich. Ich darf mich nicht auf ihn einlassen! Egal jetzt, ich genieße diesen Tag und dann sehe ich weiter.

Nach einigen Minuten kamen wir am Rummel an. Durch einen hinteren Eingang fanden wir uns in einer Ecke des Platzes wieder. Hier stand auch eine Wildwasserbahn, die sich „Dschungel-Tour" nennt. Hier waren wir mit unseren Freunden verabredet. Leon und ich hatten noch kein Wort geredet und ehrlich gesagt wollte ich das auch nicht. Ich schaute mir die Geschäfte in der Nähe an und nach und nach trafen unsere Freunde ein. Neben der Wildwasserbahn stand ein großer Freifallturm und gegenüber war ein schnelles im Kreis fahrendes Ding, namens „Amazonas". Ansonsten gab es sehr viele Läden mit Essen und Trinken, Schießstände und Wurfbuden. Die größeren Fahrgeschäfte ragten hoch in den Himmel und ein Stück entfernt sah ich das Riesenrad, auf das ich mich schon sehr freute.

Ich setzte mich zu unseren Freunden bis wir schließlich vollzählig waren. „Womit fangen wir an?", fragte Cami in die Runde. „Ich dachte wir gucken erst mal was es so gibt.", warf Leon ein. Fran machte ein trauriges Gesicht und sagte: „Können wir nicht einmal mit der Wildwasserbahn fahren? Ich sehe sie hier die ganze Zeit und warte schon so lange..." - „Wir können doch eine Runde fahren und uns dann umsehen, okay?", fragte Ludmi und wir stimmten zu. Wir gingen also in die Wildwasserbahn. Mit kamen: Leon, Ludmi, Diego, Marco, Fran und ich. Broduey, Cami, Maxi und Naty wollten nicht mitfahren. Ich fand das nicht schlimm, wir waren eine große Gruppe und jeder soll nur da mitfahren, wo er möchte.

Passenderweise waren die Boote auf sechs Personen ausgelegt. In der Mitte war eine Bank und wir mussten je einen Fuß auf eine Seite setzen, so, dass wir alle hintereinander saßen. Fran setzte sich nach ganz vorne, dahinter Marco, danach Diego, dann kam ich, hinter mir saß Ludmila und zum Schluss Leon. Unser Boot trieb anfangs durch das ruhige Gewässer. Diego griff vorsichtig meine Hände und zog sie zu seinem Bauch. Dann lehnte er sich ein Stück nach hinten, drehte seinen Kopf zur Seite und lächelte mich an. „Halt dich ruhig an mir fest", fing er an und ich lächelte, „und stütze dich mit den Füßen ab." - „Danke", sagte und meinte ich. Es war wirklich schön ihn dabei zu haben. Ich spürte Leons Blick in meinem Nacken und drehte mich um. Ludmi lächelte mich zuckersüß an und Leon sah ein bisschen genervt aus. Ruckartig wurde der Weg steiler, wir fuhren bergauf. Ich hielt mich an Diego fest. Als wir oben waren, warteten alle gespannt darauf, dass es runter geht, einige lehnten sich schon zurück. Unser Boot kam auf eine Plattform und wir wurden umgedreht. Alle waren total überrascht und wir sausten schnell rückwärts hinunter. Ich klammerte mich vor Schreck an Diego und das Bauch-kribbeln war unbeschreiblich.

Als wir unten aufsetzten ergoss sich eine Lawine aus Wasser über uns und wir wurden klatschnass. Wir setzten uns gerade hin und wischten uns das Wasser aus den Augen. Ludmi jammerte ein wenig um ihre Haare, lachte aber auch. Wir sahen an der Seite Naty, Maxi, Broduey und Cami, die sich fast totlachten. Der Weg ging wieder hoch und dieses Mal fuhren wir geradeaus hinunter und es war nicht so schön, wie das erste Mal. Ich rutschte unfreiwillig ein Stück nach vorne, sodass ich Diego ganz nah war. Als wir ankamen, rückte ich ein Stück weg und wir stiegen aus. Dann drehten wir eine Runde über den Rummel. Es gab viele interessante Fahrgeschäfte, doch je länger ich zusah, desto mehr Angst bekam ich. Vor allem Dinge, die sich überschlagen, konnte ich überhaupt nicht leiden. Doch ich wollte meine Angst überwinden und mitfahren.

Als wir wieder an der Wildwasserbahn ankamen, überlegten wir, was wir nun tun sollten. „Ich denke, wir fahren jetzt und essen später, ansonsten wird's unschön...", sagte Leon. Wir nickten zustimmend und gingen weiter über den Rummel. Als nächstes stiegen wir in einen Freifallturm, der sich „Tower of Doom" nennt. Dieses Mal fuhren alle außer Naty mit. Sie tat mir echt leid, aber wegen ihrer Höhenangst konnte sie nicht mitfahren. Wir kauften die Tickets und stiegen ein. Es war schon ziemlich voll.

Ich setzte mich neben Diego und der Rest setzte sich auf die andere Seite, sodass ich nur Fremde und Diego sah. Wir fuhren schnell hoch und warteten dort darauf, dass wir ganz plötzlich runterfallen. Die Aussicht war wunderschön... Man sah den ganzen Rummel, alle Fahrgeräte und Stände, das nahe gelegene Freibad und den wunderschönen See. Es war zum Verlieben! Und Diego war bei mir und teilte dieses Erlebnis! „Ist es nicht wunderschön?", fragte er, als er meine großen Augen sah. „Ja, dieser Moment ist perfekt", erwiderte ich. „Du machst ihn perfekt!" Ich wendete mich der schönen Aussicht ab und sah Diego an. Dann sah ich verlegen weg, was Diego zum Lächeln brachte. Er schaffte es immer wieder, mich glücklich zu machen. Aber an diesem besonderen Tag war das auch nicht besonders schwer. Er lehnte sich ein Stück zu mir herüber und legte seine Hand auf meine. Jetzt sah ich ihn an und griff auch seine Hand.

„Im Ernst, Violetta, wenn ich der Tänzer bin, bist du meine Musik. Bin ich die Frage, bist du meine Antwort. Und bin ich der Himmel, dann bist du meine Sonne. Du vervollständigst mich." Er beugte sich so weit vor, wie es in diesen Sitzen möglich war und ich kam ihm entgegen. „Diego...", flüsterte ich leise. Ich versank in seinen Augen und konnte nicht mehr klar denken. Alles geschah automatisch, wie ferngesteuert. Wir gingen beide ruckartig auf einander zu. Wahrscheinlich hätten wir uns geküsst, wären wir nicht plötzlich aus unseren Gedanken gerissen worden.

Wir fielen runter, ganz schnell und mit einem wundervollen Bauch-kribbeln. Ich erschrak so sehr, dass ich kurz aufschrie. Was war gerade geschehen? Ich war schwach geworden. Zum Glück hatte mich das Fahrgerät wachgerüttelt, sonst hätte ich etwas getan, was ich womöglich später bereut hätte. Und trotzdem war ich sauer auf mich, weil ich mich nicht unter Kontrolle hatte. So etwas darf nicht passieren. Ich war nur froh, dass Leon und alle anderen auf der anderen Seite saßen und keiner etwas mitbekommen hatte. Und es geschah, dass ich bei dem ständigen auf und ab in diesem Turm nicht mehr böse auf mich sein konnte oder auf Diego. Es hatte sich richtig angefühlt und damit im Hinterkopf waren wir nach wie vor die besten Freunde und alles andere würde sich ergeben. Ich verhielt mich also so wie sonst und vergaß diese Situation.



Dieletta- Alles könnte so einfach sein!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt