69 - Beerdigung

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Heute war es soweit. Meine Mutter wurde begraben.

Ich strich das schwarze Kleid glatt und schaute in den Spiegel, aus dem mich ein zerbrochenes Mädchen anschaute. Leise kullerte eine Träne über meine Wange und tropfte von meinem Kinn hinunter auf den Boden.

Ein Klopfen riss mich aus meinen Gedanken, die sanfte Stimme von Ace ertönte, als er in mein Zimmer trat. "Bist du so weit, Kleines?", fragte mich der Junge und trat hinter mich, legte seine Hände auf meine Schultern. Ich nickte, drehte mich zu ihm und nahm seine Hand in die meine.
Wir gingen die Treppen herunter, hinaus zu dem Wagen meines Vaters, in dem er, seine Frau und Liam schon warteten. Wir stiegen ebenfalls ein und fuhren zum Friedhof. Dort angekommen gingen wir über den gepflasterten Weg, bis wir an der kleinen Kirche ankamen und hineintraten. Von überall wurden mir mitleidige Blicke zugeworfen. Ace drückte meine Hand stärker, zeigte mir somit, dass er für mich da war. Ich wüsste nicht, wie ich dies hier überstehen sollte, wäre er nicht an meiner Seite.
Wir gingen den kleinen Gang endlang, bis wir ganz vorne ankamen und uns auf der linken Seite hinsetzten. Liam setzte sich neben mich, nahm ebenfalls meine Hand, schaute mich an und versuchte mir ein kleines Lächeln zu schenken, doch er versagte, genauso wie ich es tat, seitdem sie von uns gegangen war.

Der Priester trat hervor, stellte sich vor den Sarg und fing mit seiner Rede an.

"Heute sind wir alle zusammengekommen um von einem geliebten Menschen Abschied zu nehmen. Mary Taner war nicht nur eine starke Frau, die viel zu früh von uns gegangen ist, sonder auch Mutter und Freundin. Sie war die Liebe in Person und versuchte dies mit jedem zu teilen, deswegen bitte ich Euch, im Namen des Herren, trauert nicht, wenn Ihr an die denkst, sondern seit dankbar dafür, was sie getan hat, als sie noch unter uns weilte. Erinnert Euch an ihr liebes Gesicht.
Erinnert Euch an ihr herzliches Lachen.
Erinnert Euch an ihre schönen Augen.
Erinnert Euch an all die Dinge, die Euch zum Lachen brachten.
Erinnert Euch an Tage voller Freude.
Erinnert Euch an ihre Hände.
Erinnert Euch an ihre Stimme.
Solange Ihr an sie denkt, wird sie in Euch weiterleben und bei Euch sein.", sprach er, rührte mich damit zu Tränen.

"Nun bitte ich Sabrina bitte hervor, um einige Worte zu sagen.", Sanft lächelte er mich an. Ich tupfte mir erneut, mit einem Taschentuch, die neuen Tränen weg und stand auf. Langsam und mit einem viel zu schnell schlagenden Herzen ging ich die wenigen Schritte, bis ich dort stand, wo der ältere Mann bis vor wenigen Sekunden noch stand.
Ich hob meinen Blick und schaute in die Trauernden Gesichter, die in dem kleinen Raum verteilt waren.

Mit zittrigen Händen faltete ich den kleinen Zettel auf, auf dem ich geschrieben hatte, was ich sagen wollte, doch sofort faltete ich ihn wieder zusammen und sprach etwas komplett anderes. Mir wurde bewusst, dass eine Beerdigung nicht für die Toten war, wie wir immer denken, die war für die Zurückgeblieben, denn wir denken, dies sei der erste und letzte Schritt, sich von einem Menschen zu trennen. Sie war ein Zeichen des Abschiedes, aber auch eines der Zusammenführung, da durch diese verschiedene Menschen zueinander finden, sich unterstützen über das Geschehene hinwegzukommen.

"Das letzte das sie zu mir sagte, war ich liebe dich und dies war, als sie mich zu meinem Vater brachte und ich hatte nie die Gelegenheit gehabt, ihr zu sagen, dass ich sie liebte. Ich war damals zu wütend auf sie, um dies zu sagen. Auch die letzten paar Jahre hatte ich es nicht mehr zu ihr gesagt. Das letzte mal war vor dem Tod meiner Schwester. Danach hatte sich alles für uns geändert. Ich verschloss mich, zog mich zurück, wodurch sich die Beziehung zu meiner Mom verschlechterte und fast komplett verschwand, doch sie gab nicht auf. Sie kämpfte um mich, um uns, denn wir waren die Einzigen, die wir noch hatten. Nicht nur ich habe damals meine Schwester verloren, nein, meine Mom hat eine ihrer Töchter verloren. Nie ließ sie es sich anmerken, dass sie litt, doch das tat sie, wahrscheinlich noch mehr als ich es tat und noch immer tue. Doch egal wie sehr sie litt, sie war für mich stark. Sie lehrte mich, mit dem Schmerz zu leben und wieder fröhlich in die Zukunft zu blicken.
Viele sagen, dass es das Schlimmste ist, sein Kind zu begraben, doch ich weiß, dass es mindestens genauso schlimm ist, seine Mutter, seine Eltern, seine Geschwister oder sonst jemand aus der Familie oder dem Freundeskreis zu begraben, selbst wenn man wochen-, monate- oder sogar jahrelang nicht mehr miteinander gesprochen haben sollte. Man sollte nie jemanden zu Grabe tragen, ob man ihn nun kennt oder nicht. Man geht immer durch die Hölle.
Doch ich stehe nicht vor euch und möchte nur über die schlimmen Dinge, die ein Tod mit sich bringt, sprechen, ich möchte euch darum bitten, nicht alleine mit eurer Trauer zu sein. Hier sind viele Menschen, wir leiden alle unter dem selben, wir müssen füreinander da sein und uns helfen aus dem schwarzen Loch, das sich Trauer nennt, zu befreien, denn wenn wir uns nicht gegenseitig helfen, bleiben wir dort für immer gefangen.
Ich bitte euch, teilt eure Trauer, eure Stärke und vor allem, lebt euer Leben weiter, denn das ist das wichtigste, das ihr in dieser Situation machen könnt. Lebt weiter und bleibt nicht in der Vergangenheit. Schon morgen kann der beste Tag eures Lebens werden und Ihr würdet ihn nicht wahrnehmen, da ihr in der Vergangenheit lebt und nicht mit ihr.
Danke.", sprach ich zu den Trauernden vor mir, verlor genauso viel Tränen wie in den letzten Tagen, doch schämte mich nicht. Es waren nicht nur Tränen der Trauer, sondern auch Tränen der Liebe. Ich liebte meine Mutter und ich werde sie immer lieben, auch wenn sie nicht mehr bei mir war, ich sie nicht mehr sehen konnte, wusste ich, dass sie immer auf mich aufpassen wird.

"Mom, ich liebe dich."

Ich bedanke mich wahrscheinlich in jedem Kapitel für die Reads, aber ich habe mich noch nie für eine Sache bedankt:
Danke, dass ihr meine Geschichte lest, dass sie euch gefällt. Ohne euch würde ich diese hier wahrscheinlich schon längst abgebrochen haben, doch durch euch und euer Ansporn immer weitere Kapitel zu schreiben, habe ich weitergemacht. Und diese Geschichte ist nicht nur eine normale, erfundene Geschichte, mit ihr verarbeite ich vieles, nicht nur den Verlust eines Freundes, sondern auch andere Dinge. Das schreiben lenkt mich ab und die Freude von euch, die ihr durch eure lieben Kommentaren ausdrückt, wenn ein neues Kapitel kommt, erhellt meinen ganzen Tag und dafür werde ich euch immer dankbar sein:)

All the love - xG

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