68 - Das Ende

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Eigentlich passiert nie etwas genau so, wie wir es geplant haben.

Seite ich mit acht Jahren das erste mal in einem anderen Land als Deutschland und Italien stand, wusste ich, dass mich in der Zukunft nichts mehr in Deutschland halten wird. Ich wollte reisen, die Welt sehen, unabhängig sein, Menschen sowie Kulturen kennen lernen und mein Leben so gestalten können, wie Ich es will.

Hätten mich meine Eltern schulisch nicht unter Druck gesetzt, wäre ich wahrscheinlich nicht weiter als in die Zehnte Klasse gekommen, bevor ich meine Koffer gepackt und meine Heimat verlassen hätte.

Australien, Kanada, China und Island waren seit Jahren in der Weltkarte in meinem Zimmer markiert und ich konnte an nichts anderes denken, als zu reisen, doch weder meine Eltern, noch irgendwer anders, stand bei diesem Gedanke hinter mir, denn ich sollte mehr werden.

Ich sollte lernen. Abi machen. Studieren.

Mit achtzehn blätterte ich dann in Anatomie Büchern, anstelle von Reiseführern und meine Vorstellung von meiner Zukunft sprang in ein riesiges Krankenhaus. Ich hatte die Medizin schnell geliebt und arbeitete jeden Tag daraufhin, in der Zukunft eine unabhängige Oberärztin in einer Universitätsklinik zu werden, mit meinem Freund und einem Hund in einem Haus zu wohnen, das ich selbst bezahlen kann, und die totale Karriere zu machen.

Aber in Wirklichkeit, stehe ich hier.

Mit meinem neunjährigen Sohn an der Hand und meiner siebenjährigen Tochter an der anderen, vor meinem riesigen Haus in Deutschland, das mein Freund bezahlt.

Isi und ich haben es nicht geschafft, wie geschworen, mit sechsundzwanzig nach Kanada zu reisen und Tage lang durch die atemberaubende Natur zu wandern.

Tim und ich haben uns kein Ferienhaus in unserem Heimatsort in Italien gekauft, so wie wir es seit Klein auf geplant haben, denn Tim starb, bevor er richtig gelebt hat.

Während die anderen Assistenzärzte bereits ihre Facharztprüfungen geschrieben haben und fest im Leben als unabhängige Ärzte stehen, bin Ich nach meiner insgesamt Zwei Jahre langen Pause, verursacht durch meine Kinder und harte Zeiten, noch immer quasi am Anfang. Und wenn wir mal ehrlich sind, kann aus mir schon gar keine extrem die Karriere machende Oberärztin an einer Universitätsklinik werden, weil ich mit 32 bereits Zwei Kinder habe und den Haushalt mehr oder weniger alleine schmeißen muss.

Mein Freund ist genau in der Berufsgruppe, die ich Jahre lang verachtet und für den unverdient großen Haufen Geld, der dort verdient wird, nicht leiden konnte, und ich bekomme teure Geschenke von ihm. Ich bin kein bisschen unabhängig, aber ich liebe Marco so sehr, wie ich keinen anderen Mann jemals hätte lieben können.

Eigentlich passiert nie etwas genau so, wie wir es geplant haben, aber das ist auch das Gute, denn wir können unser Glück nicht planen.

Ich stehe hier, mit meinen Kindern und meinem Freund, mit einem völlig anderem Ende, als ich es mir Jahre lang erträumt habe, und lächle.

Denn das ist mein Ende.

Und es gibt nichts, rein gar nichts, das ich auf irgendeine Art und Weise daran ändern wollen würde.

Ende

Das Herz eines StarsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt