57 - kämpfen

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Wenn ein geliebter Mensch im Koma liegt, fällt man langsam aber sicher auch ins eines. Es scheint so unerträglich, dass alles in mir schreit aber ich kein Wort über meine Lippen bringe, dass ich nichts mehr bräuchte, als Schlaf, aber alles über mir zusammenbricht, wenn ich meine Augen schließe, dass keiner versteht, dass ich nicht reden aber trotzdem nicht alleine sein möchte und dass mir alles, was ich mache, viel zu sinnlos erscheint.

Ich habe nie realisiert, wie sehr ich Marco liebe, bis der Tag kam, an dem ich es ihm nicht mehr einfach sagen kann.

Jetzt sage ich es ihm jeden Tag, wenn ich spät Abends an seinem Bett sitze, seine Hand in meiner Halte und ihn anstarre.

Das Leben der Stadt zieht an mir vorbei, während ich durch Dortmund laufe und die kalten Schneeflocken fallen mir ununterbrochen ins Gesicht.

Es ist erst halb sieben und dennoch ist der Himmel über mir in ein tiefes schwarz getaucht. Früher habe ich den Winter gehasst, die Kälte und die Dunkelheit, die grauen Tage und die glatten Straßen, aber jetzt fühle ich mich geborgener, wenn ich in der Kälte laufe und weiß, dass es zu Hause wärmer ist.

Ich freue mich darauf, im Pulli und zwei decken auf meiner Couch meinen Tee zu trinken und nebenbei sinnlosen Mist im Fernsehen anzusehen, während ich mir überlege, was ich zu essen bestelle.

Der Lieferant kennt mich inzwischen so gut, dass er manchmal einfach mit indischen Essen kommt, ohne dass ich es bestelle habe.

Auf jeden Fall laufe ich jetzt jeden Tag in der frischen Luft rum und rede mir selbst ein, dass es mir gut tut.

Manchmal kaufe ich irgendeinen unschönen Kleinkrams für irgendjemanden, damit ich meiner Mutter oder Isi erzählen kann, dass ich heute einkaufen war.

Heute stehe ich mal wieder bei Mo's Antiquitätenladen und lasse meinen Blick über die Gegenstände im Schaufenster schweifen. Eiskalter Winterwind weht mir meine Haare seitlich ins Gesicht und ich beginne, zu zittern.

Als eine alte Dame das Geschäft verlässt, raffe ich mich mal wieder dazu auf und husche neben ihr hinein, wo ich meine vom Schnee Nasse Kapuze abstreife.

Ich mag Mo's Laden ziemlich gerne. Hier ist es warm, rustikal und gemütlich eingerichtet und außerdem sind hier nie viele Menschen, weshalb ich mich gut umsehen oder mit Mo, welcher immer irgendwo rumläuft, unterhalten kann.

Dieses Mal steht er an seiner kleinen Theke, wo er selbstgemachten Kuchen und Kaffe verkauft.

,,Hallo,Mo" lächle ich höflich.

,,Hallo, Toni! Schön, dich zu sehen" grüßt er mich freundlich zurück.

Mo ist vielleicht Anfang 30 und ein wirklich sehr lieber Mensch. Ich war die letzten Tage so oft hier, dass wir sogar Freunde geworden sind.

,,Wie geht es dir heute?" frage ich, während ich mich auf einen weichen Barhocker vor ihm setze.

,,Mir geht es gut! Wie geht es dir?" stellt er die Gegenfrage, während er mir automatisch ein Stück meines Lieblingskuchen auf einen Teller tut. Dazu bereitet er mir meine heiße weiße Schokolade zu.

Dankend ziehe ich den Teller zu mir und nehme mir eine Kuchengabel.

,,Ganz okay" antworte ich und stecke mir ein himmlisches Stück Bananenschokokuchen in den Mund.

,,Ich sehe dir an, dass das nicht die Wahrheit ist" meint Mo leise.

Ich senke meinen Kopf und esse langsam weiter. Als ich schließlich wieder aufsehe, sind Mo's dunkle Augen auf meine gerichtet und ich beiße mir auf die Unterlippe.

,,Ich habe nur Angst" sage ich leise, weil ich nicht darüber sprechen möchte.

Mo weiß es zwar, kommt jedoch immer noch nicht damit klar, dass ich so stark darunter leide.

,,Es geht nicht darum, dass du gewinnst" meint Mo plötzlich und ich sehe ihn an.

Er lächelt. ,,Toni, du hast Angst, dass Marco nicht mehr aufwacht und das ist völlig verständlich, es wäre komisch, wenn du das nicht hättest. Aber du hast auch Angst, dass du selbst nicht mehr aufwachst"

Mo nimmt meine Hand.

,,Du hast Angst, dass du völlig im nichts versinkst, dein Leben nicht mehr auf die Reihe bekommst, keine Ärztin wirst und deine Freunde vernachlässigst, deine Zukunft völlig zerstörst und nichts von dem, was du dir vorgenommen hast, erreichen wirst, aber es geht nicht darum, dass du gewinnst"

Ich spüre den allbekannten Druck in meinem Hals.

,,Es geht darum, dass du kämpfst" lächelt Mo.

,,Dass du es versucht, dass du nicht aufgibst, dass du nicht zusammenbrichst, dass du weiterlebest" sagt er.

,,Es geht darum, dass du kämpfst."

Ich schlucke meine Tränen fest runter und sehe den Mann vor mir  an.

,,Davor habe ich Angst" wispre ich schwach.

,,Ich habe Angst, .... Angst, zu schwach zu sein, um zu Kämpfen."

****

Frierend ziehe ich die Haustüre hinter mir zu und stelle die Einkäufe, die ich noch schnell besorgt habe, neben mich an die Wand. Nachdem ich Mantel und Schuhe ausgezogen habe, schalte ich die Lichter an und laufe in die Küche, um die Einkäufe zu verstauen, bevor ich gewohnheitsgemäß ins Schlafzimmer gehe und mich umziehe. Mit einem Couscous Salat im Plastikbecher aus dem Supermarkt, lasse ich mich auf die Couch fallen und schalte den Fernseher an, um mir eine Serie anzusehen.

Weil mir die Serie jedoch bereits nach zehn Minuten zu doof wird, schalte ich auf das normale Programm um und lausche mit einem Ohr den Tagesnachrichten, während ich mich hauptsächlich mit meinem Handy beschäftige.

,,Was sagt die Mannschaft dazu, Herr Tuchel?" nehme ich von dem jungen Reporter wahr und atme langsam aus. Ich hasse es, zwei mal wöchentlich im Fernseher von Marcos Zustand zu hören. Als würde mir die Tatsache, dass er im Koma liegt, nicht reichen.

,,Es ist natürlich ein unglaubliches Gefühl, gerade zu...ja, überwältigend" antwortet Thomas und ich spitze meine Ohren unglaubwürdig.

Stimmt, ist ja unglaublich überwältigend, dass mein Freund im Koma liegt, vor allem für den BVB.

Verwirrt lege ich mein Handy bei Seite und drehe meinen Kopf zum Fernseher.

Und was ich dann sehe, nimmt mir fast die Luft zum atmen.
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Frohe Weihnachten euch allen! :*

Tut mir leid, dass in letzter Zeit so wenig kommt, aber ich hatte wenig Zeit :'3

In den Ferien wird jetzt aber auf jeden Fall mehr kommen :)

xx, Liah.

Das Herz eines StarsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt