Prolog

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Linlithgow Palace, Scotland 1559

Der Kerzenschein warf unheimliche Schatten an die steinigen Mauern. Das junge Mädchen, vor Schreck und Angst geweiteten Augen, lief so schnell sie konnte durch das uralte Gemäuer. Verworrene Gedanken, aufgewühltes Gefühlsleben und physischen Schmerz machten sie langsam, dennoch erinnerte sie sich stetig daran, sich zu beeilen. Ihre Augen füllten sich erneut mit glasklaren, prall gefüllten Tropfen, die im minimalen Licht der Kerzen wie kleine Diamanten funkelten. Doch sie achtete stets darauf, das kleine Geschöpf in ihren Armen nicht mit ihrer Nässe aufzuwecken. Gerade erst hatte sie den Schlaf gefunden und sie wollte sie auf keinen Fall wecken, während des Sprungs.

»Miss«, begrüsste der einzige Soldat an den Toren die junge Frau mit einem knappen Kopfnicken und leisem Geflüster. Sie ignorierte ihn nicht, jedoch schenkte sie ihm keine wertvolle Zeit, sie wusste, es könnte jeden Augenblick zu spät sein. Stattdessen folgte sie den Fackeln, welche den Mauern des Schlosses entlang verliefen, orientierte sich an ihrem hellen Schein in der Dunkelheit und fühlte sich einen Moment ein bisschen weniger niedergeschlagen, doch dann erblickte sie den eingehüllten Fremden, der auf sie zu warten schien. Die Trauer, die Verzweiflung übermannte sie erneut, sie konnte sich nicht dagegen wehren, und einen Augenblick überlegte sie sich kehrt zu machen, die Kleine mitzunehmen und das Einzige zu tun, dass ihr Instinkt für richtig hielt. Doch ihr Herz sagte etwas anderes, genau wie ihr Kopf. Und aus diesem Grund ging sie weiter, auf den in einen schwarzen Umgang eingehüllten Mann zu, dessen Augen alles waren, was sie sehen konnte. Die glatte, glänzende Oberfläche wurde vom Licht der Fackeln reflektiert, sodass er unheimlich und gefährlich aussah. Sie zögerte sofort.

»Ihr liesset mich rufen wegen eines Kindes?«, fragte er mich, als er zu merken schien, dass sie sich nicht sicher war. »Ich bringe es in Sicherheit, Ihr habt mein Wort.«

Die junge Frau sah auf das kleine Wesen in ihren Armen nieder. Friedlich wie sie da lag und schlief, hätte niemand geglaubt, dass sie bis vor einer Stunde noch lauthals geschrien hatte. Ihre regelmässigen Atemzüge produzierten rauchige Fetzen in die Nachtluft, dabei bewegten sich ihre weichen, rosafarbenen Nasenflügel wie wild...

Und sofort erinnerte sie sich an die Augen des Babys; diese Augen würde sie nie wieder vergessen, sie würden sie immer in ihren Träumen verfolgen.

Dann strecke sie ihre Arme aus und reichte dem Fremden, dass in dicke, weiche Decken eingewickelte Kind. Sie sah ihm tief in die Augen, als eine Art Vertrauensbeweis. Aber nur, weil sie keine andere Wahl hatte. »Sie darf unter keinen Umständen gefunden werden, habt Ihr mich verstanden? Ihr wisst über alle erforderlichen Informationen Bescheid? Es ist sehr wichtig, versteht Ihr?«

Der Fremde nickt. »Ich verstehe, Mylady. Niemand wird sie jemals finden.«

Shadow of Past - Band IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt