In stinkenden Kellern

1.8K 132 8
                                    

Ich erwache nur sehr langsam aus einem schmerzhaften, dämmerigen Zustand der Ohnmacht. Mir ist speiübel, ein dumpfes Dröhnen hämmert im Inneren meines Kopfes so laut, dass es sich anfühlt als würde er gleich explodieren und mein Herz rast wie verrückt.

Ich zwingen meinen Körper, sich aufzusetzen, damit ich schnellstmöglich Orientierung bekomme.

Die Bewegungen sind für meinen Körper so anstrengend und nicht meinen momentanen Kräften entsprechend, dass mir die Galle aufsteigt. Doch ich kann mich gerade so noch davon abhalten, mich auf Ort und Stelle zu übergeben.

Ich stütze mich am Tischrand ab, auf dem ich bis dahin gelegen habe, sehe mich hilfesuchend um... Der Raum ist abgedunkelt; es sieht so aus, als ob vor den Fenstern dunkle Tücher hängen, um die Sonne auszusperren.

Der Raum ist kahl eingerichtet. Abgesehen vom Bett, stehen bloss ein kleines Tischchen, ein Sessel und eine Kommode herum, die allesamt heruntergekommen und trist wirken. Es riecht feucht, fast ein wenig so, als würde sich der Raum unter der Erde befinden. Was ich dadurch erkennen kann, das die oberen Rahmen der Fenster, wie bei einem Kellergewölbe, fast die Decke berühren.

Ich reibe mir kräftig die Augen um die Schmerzen in den Augenhöhlen zu vertreiben, und streiche ich mir die strähnigen Haare zurück, die mir in die Augen fallen. Ich suche nach etwas Anziehbarem, da ich nicht mehr am Leib trage, als einer kurzen Shorts und etwas ähnlichem wie einem Sport-BH.

Was ist hier wohl mit mir passiert? Wurde ich einigen irren Tests unterzogen, wie ein Kaninchen im Labor? Haben die mir Blut abgenommen? Apropos... Bin ich in der Vergangenheit? 2017? Welche Zeit haben wir?

In meinem Kopf dreht sich noch immer alles, als wäre ich auf einem Karusell. Also versuche ich aufzustehen und bewege meine Zehen um meinen Körper zu mobilisieren, ihn irgendwie aufzuwecken, damit der Schwindel verschwindet.

Ich spüre den kalten Stein auf meinen Fusssohlen, auch, dass es ein wenig feucht ist. Gänsehaut überzieht meinen Körper und ich beginne zu zittern. Angestrengt versuche ich, mich zusammenzureissen.

Ich muss herausfinden was mit mir passiert ist, wo ich bin und vor allen Dingen, wie ich hier wieder rauskomme. Was wohl mit Fionn geschehen ist? Ob es ihm gut geht...

Ich suche auf dem kleinen Tischchen gleich zur Rechten des Bettes, auf dem ich gelegen habe, nach einer Waffe, die ich zur Verteidigung einsetzen kann. Ich gebe mich schlussendlich mit einem kleinen Skalpell zufrieden. Es ist wirklich klein, aber sehr scharf und leicht zu verbergen.

Dann mache ich mich an der Tür zu schaffen, die zu meiner Überraschung nicht verschlossen ist. Ich bin zwar einen Moment irritiert und frage mich, ob das eine Falle ist und ich nicht besser wieder zurück gehe, aber dann entscheide ich mich dagegen.

Wenn ich die Chance nicht nutze aus dem Zimmer zu kommen, ist dies vielleicht meine letzte, so oder so. Also trete ich hinaus, auf den leeren, ebenso dunklen Gang und sehe mich erst einmal um. Ich kann weder etwas erkennen noch nehme ich ein Geräusch wahr, deshalb entscheide ich mich vollkommen impulsiv nach rechts weiter zu gehen.

Nach wenigen Schritten in diese Richtung sehe ich ein fahles Licht unter einem Türspalt hindurch scheinen, und nach kurzer Weile kann ich auch Stimmen hören. Sie sind nicht gerade leise, es scheint ein reges Gespräch zu sein; ein aufkommender Streit.

Die Stimmen werden lauter und ich kann sehen, wie sich die Schatten unter dem Türspalt bewegen. Sie bewegen sich hin und her und dann bewegen sie sich auf die Tür zu.

Ich werde panisch, weil ich unsicher bin, wie ich reagieren soll. Also bleibe ich einfach stehen, vermutlich mit weit geöffneten Augen, was so gar nicht zu mir passt.

Aber dann ist es bereits zu spät und die Tür wird geöffnet. Als da zwei Personen herauskommen und ich erkennen kann, wer das ist, kann ich es kaum glauben.

Wie auf einen Schlag ist das alte Ich auch schon wieder zurück und ich ignoriere meine Schmerzen, egal wie sehr mich meine Rippen dabei schmerzen, mein Kopf hämmert oder meine Knie sich weigern richtig mitzuhelfen.

Ich springe Fionn wie eine wildgewordene Katze an, die an Tollwut erkrankt ist, greife nach dem Messer, dass ich an meinem Körper versteckt habe und hätte am liebsten damit auf ihn eingestochen. Stattdessen ringe ich ihn aber zuerst zu Boden und halte es ihm drohend an die Kehle, sodass er sich nicht bewegen kann und sodass auch sein Freund, wer auch immer das sein soll, seine Füsse und Hände vorerst still hält.

»Keine Bewegung«, knurre ich, so drohend ich kann, »keiner rührt sich vom Fleck, bis ich endlich weiss, was hier gespielt wird!«

»Emma, beruhige dich, es ist alles nicht so, wie du denkst«, sagt Fionn. Seine Stimme klingt ruhig. Er wirkt nicht so, als ob er von mir eine Gefahr erwarten würde. Das kann sich aber ganz schnell ändern, er sollte mich mal besser nicht unterschätzen.

»Halt die Klappe, Fionn«, sage ich zu ihm. »Ich glaube dir kein Wort mehr. Du willst, dass ich dir vertraue? Dass ich dir zuhöre? Dann erzähl endlich!«

»Das darf ich nicht«, gibt er zu, »ich bin an deiner Seite, um dir zu helfen, um dich zu beschützen. Das ist meine Aufgabe, es ist mir nicht gestattet, dir die Wahrheit zu sagen.«

Ich schnaube wutentbrannt. Langsam reicht es mir mit diesem geheimnisstuerischem Verhalten.

»Das ist doch Schwachsinn!«, brülle ich wie eine wildgewordene Furie. Dann drücke ich das Messer noch enger gegen seine Kehle und unter dessen Rand kann ich bereits einen kleinen Tropfen Blut ausmachen. 

»Denkst du, ich mache Scherze? Zuerst lässt du mich von irgendwelchen Irren entführen und jetzt willst du mir sagen, dass du mir die Wahrheit nicht erzählen darfst

Er lächelt, als er das hört. Wie kann er es nur wagen, zu lächeln? Das wirkt glatt so, als oh er keine meiner Handlungen oder Worte auch nur im mindesten ernstnehmen kann. Und ich fühle, wie in meinem Kopf alle restlichen Sicherungen komplett durchbrennen.

»Ich habe dich natürlich nicht entführen lassen, Emma. Ich habe dich da rausgeholt«, versichert Fionn mir geschwind, als er meinen vermutlich total irren Gesichtsausdruck erkennt, »ich muss zugeben, dass sich die Dinge verändert haben. Es wird langsam lebensbedrohlich für dich und offenbar haben auch Freya und Levi das bemerkt. Und wenn du willst, werde ich dir alles zeigen. Deshalb habe ich dich hier hergebracht.«

Ich stutze. »Hierher? Wo sind wir denn?«

Wieder lächelt er. Aber dieses Mal ist es ein richtiges, echtes Lächeln. »In Schottland.«

Shadow of Past - Band IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt