Lauter Krach erklingt von ausserhalb des Kerkers. Ich erschrecke aus einem unruhigen Schlaf, der kaum erholsam gewesen ist. Ich bin desorientiert und mir ist schwindlig, als ich deswegen aufschrecke.
Aber um genau zu sein, erschrecke ich die Tage wegen allen Kleinigkeiten.
»Es ist alles okay«, beruhigt mich Fionn, auf dessen Schoss ich geschlafen habe. Er streichelt meinen eiskalten Oberarm und auch wenn er kaum noch lebendig erscheint, ist er immer noch um einiges wärmer als ich. »Diese Idioten da draussen haben sicherlich nur etwas fallen lassen.«
Aber als nach wenigen Minuten Gejohle und Gefluche durch die steinernen Wände dringt, bin ich mir da nicht mehr so sicher. Die merkwürdigen Geräusche machen mich so nervös, dass ich mich aufrecht aufsetze.
Mein Blick ist auf die schwarze Metalltür gerichtet, die uns minimal vor diesem bedrohlichen Krach schützt. Ich habe ein ungutes Gefühl, dass gleich eine Horde schwarz gekleideter Wilder hier reinstürzt und mich von Fionn trennt. Mich dann fortschleift und augenblicklich vor lauter Augen englischer Zivilisten hinrichtet.
Obwohl ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen kann, dass meine Existenz unbedingt bei den Zivilisten bekannt gewesen ist.
»Beruhige dich, Emma«, murmelt Fionn, direkt an meinem Ohr. »Es ist alles -«
Doch Fionn kommt nicht mehr dazu, den Satz zu Ende zu sprechen, denn davor kommen tatsächlich explosionsartig eine Horde Männer in unsere Zelle gestürzt. Mir fällt nur am Rande auf, dass es nicht alles in schwarz gehüllte Soldaten sind, einige davon sind ganz normale, gerüstete Soldaten. Ihre Haare sind zottelig und lang, ihre Bärte ungepflegt und ihre Gesichter düster aber konzentriert.
Sie kommen auf uns zu. Einige packen mich an den Armen und ziehen mich mit ihren immensen Kräften auf die Füsse, aber aufgrund meiner fehlenden Kräfte falle ich sogleich wieder um. Noch bevor ich auf den Boden knalle, fängt mich einer der Unverhüllten auf und hebt mich mühelos auf seine Arme.
Ich kann nur ganz verschleiert hören, wie Fionn versucht die Männer aufzuhalten und bei mir zu bleiben. Doch offenkundig herrscht innerhalb dieses Kerkers einen Konflikt. Die unverhüllten Männer scheinen ihre Prioritäten bei mir zu sehen, denn auch die schwarze Garde steht verteilt im Verlies und wehrt sich mit allen Kräften gegen die Revolte.
Ich versuche mich in den Armen des Rotschopfes, der mich hinauszutragen gedenkt um, und suche nach Fionn's Gesicht. Ich verdrehe mir meine den Hals und versuche wild zu zappeln.
»Nein, wartet«, rufe ich, doch meine Stimme ist nicht lauter als ein Ziepten.
»Wir müssen sofort hier raus, Mylady«, sagt der Mann, welcher mich trägt. In seiner Stimme kann ich so etwas wie Mitleid erkennen, als er auf mich herunterblickt. Und ich kann erkennen, dass seine Augen eine wunderbare Karamell Farbe haben.
»Aber Ihr müsst Fionn mitnehmen«, erwidere ich.
»Die Männer tun alles, um Lord Mckenzie ebenso zu retten wie Euch, Mylady«, sagt er zu mir und beginnt zu rennen, sobald wir uns auf dem Flur befinden.
Hier ist es etwas heller, da einige Fakelhalter in die Wände geschlagen sind, doch noch immer herrscht eine furchtbare Düsternis, die mich für immer in meinen Träumen verfolgen wird.
Immer wieder sehe ich mich um, doch ich kann in diesem Gewirr aus herumrennenden und kämpfenden Männern nichts erkennen ausser Blut, Schweiss und Geschrei.
Aber mir laufen langsam Tränen der Verzweiflung die Wangen herunter und ich spüre, dass ich am liebsten laut aufgeschrieen hätte. Ich kann nicht ohne ihn gehen. Nicht nach allem, was er für mich getan hat.
Und wenn ich es tatsächlich hier rausschaffe und er nicht, was mache ich dann? Mein Leben wird niemals wieder so sein wie zuvor. Und ich weiss nicht, wie ich dann weiter machen soll.
»Bitte, wir müssen zurück«, versuche ich erneut, den jungen Soldaten zu überreden. »Wir müssen Fionn retten.«
»Mylady, das darf ich nicht. Ich habe strikten Befehl, Euch rauszuholen.« Doch ich kann an seinem flüchtigen Blick erkennen, dass ich ihm so leid tue, dass er sich wirklich überlegt zurückzukehren.
Doch schliesslich sehe ich hellgrauen und Wolkenverhangenen Himmel über unseren Köpfen und vereinzelte dunkle Flecken, die Regen ankündigen. Bald schon wird dunkelste Nacht sein.
Ich sehe nicht zurück, aber ich weiss, dass ich nie wieder zurückwollen würde, wenn nicht Fionn noch da drin wäre. Jedenfalls gehe ich davon aus, denn die Männer hinter uns im Kerker haben nicht so ausgesehen, als haben sie Zeit gehabt ihn ebenfalls rauszuschaffen, denn die schwarze Garde ist ihnen auf die Pelle gerückt.
Gott, wenn ich die Kraft und die Möglichkeit hätte, würde ich diesen verfluchten Tower alleine stürmen und Fionn raustragen.
Ich kann ihn nicht verlieren. Ich kann einfach nicht.
Der schottische Soldat bringt mich zu einer bereitstehenden Kutsche, in die er mich prompt reinsetzt. Da mich alle menschenmöglichen Kräfte verloren haben, falle ich beinahe hin wäre da nicht die Seitenwand der Kutsche gewesen.
Ich lehne mit dem Kopf gegen die gepolsterte Wand und schliesse die Augen. Fast schon sofort beginne ich zu weinen an, was sich wenig später in ein bitterliches Schluchzen verwandelt.
Ich weine, während die Kutsche anfährt und in einem mörderischen Tempo losprescht. Und ich weine gefühlte Stunde weiter, bis ich so ausgelaugt bin und nicht mehr kann. Es fühlt sich an, als würde ich erneut in eine Ohnmacht über gleiten, aber tatsächlich schlafe ich einfach ein.
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Shadow of Past - Band I
FantasyEmma Sinclair fühlt sich durch die unerbittliche Strenge ihrer Mutter, der ständigen Forderung ihres Vaters und der Jahrhunderte alten Bürde, die auf ihr lastet, mehr und mehr einsam und verwirrt. Sie weiss nicht, wer sie ist und wohin sie gehört. S...