Shadow of Past - Band I

Netz der Lügen

London, England 2017

Ich reisse mir die Kleider wortwörtlich vom Leib, sobald ich zurück in der Gegenwart bin.

Wenn mich die Begegnung mit Freya in der Vergangenheit nicht schon komplett durcheinander gebracht haben, dann wenigstens dieser Knallkopf Mckenzie, der sein blödes Maul nicht halten konnte. Noch dazu kommt die irritierende Tatsache, dass er mir in jeder Zeit über den Weg zu laufen scheint.

Was will der von mir? Spätestens jetzt ist klar, dass er mich verfolgt und nicht umgekehrt! Und so ungehobelt wie er ist, wirft er mir kurzerhand vor, ich würde ihn verfolgen... Frechhheit!

Ich rase vor Wut, wenn ich mir die vergangenen Vorkommnisse durch den Kopf gehen lasse.

Dabei ignoriere ich meine Eltern, die offenbar davon ausgehen, dass ich meine Mission vollkommen in den Sand gesetzt habe. Sie versuchen wie wild auf mich einzureden um brauchbare Informationen aus mir herauszubekommen, doch ich antworte auf keine ihrer Fragen.

Als Mutter mich heftig am Arm packt und mich brutal zu sich herumreisst, werde ich wütender denn je und fauche sie an: »Nimm deine Hände von mir, Mutter! Irgendetwas läuft hier und ganz offensichtlich wollt ihr mir nicht sagen, was es ist«, sage ich und reisse mich von ihr los, um den Raum verlassen zu können, »Es ist mir vollkommen egal, welche Lügen ihr mir noch auftischen wollt, irgendwann kommt die Wahrheit immer heraus! Auch wenn ich dafür die Welt auf den Kopf stellen muss.«

»Emma«, ruft mein Vater mir hinterher, »es ist nicht so, wie du denkst.«

Das ich nicht lache!, denke ich ganz verbittert bei mir und verlasse wutentbrannt das Haus.

Was ist das denn für eine Aussage? Ich denke mir überhaupt nichts, denn es ist genauso, wie Fionn Mckenzie sagte: Ich habe von nichts eine Ahnung.

Und vielleicht bin ich genaus deshalb so extrem wütend, weil meine Eltern mich ganz bewusst und mit voller Absicht in Ungewissenheit liessen und mich trotz allem in die grössten Gefahren brachten.

Zeitreisen sind sehr gefährlich, wenn man nicht zur Genüge informiert wird. Es kann alles mögliche passiern.

Aber was ist denn eigentlich hier los? Wenn Freya Sinclair mich kennt, habe ich sie bereits besucht. Beziehungsweise; werde sie in näherer Zukunft besuchen.

Das hingegen ist für mich ein gutes Zeichen, denn es bedeutet ich komme der Sache ein Stückchen näher, oder etwa nicht?

Jetzt, da ich das erste Mal in meinem Leben nicht so funktioniert habe wie ich sollte, fühle ich mich schon fast etwas verloren. Aber nur einen kurzen Moment lang, denn dann entflammt sich ein winzig kleines Feuer, das stetig grösser zu werden scheint und mich lenkt.

Und dann weiss ich genau, was zu tun ist: Wenn mich einer in der Vergangheit heimsucht, und mir vorwirft keine Ahnung zu haben, wird er wohl Bescheid wissen. Mal sehen, ob dieser hochnäsige Schnösel hält, was er zu versprechen scheint.

Ich mache mich auf den Weg ins Hauptgebäude, da ich keinen anderen Anhaltspunkt habe.

Und wenn mir jemand helfen kann, an geheime Informationen der Zeitreisefamilien aus aller Welt zu kommen, dann ist es wohl Mrs. Anton aus der Bibliothek. Sie führt ein Register und mag mich zu sehr, als dass sie mir etwas abschlagen könnte.