Der Anfang vom Ende

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Das seidene Creme des Kleides schimmert in der Sonne und das laute Rascheln der Stoffe begleitet mich auf meinem Gang durch den Palast.

Die Dienstboten, Küchenmädchen und die Dienerschaft sehen überrascht auf, als sie mich in diesem Teil des Schlosses sehen, werfen allerdings sogleich demütig den Blick nieder.

Und als ich die Küchenräume betrete, scheinen einigen jungen Mädchen beinahe die Augen aus dem Kopf zu fallen. Viele dieser Mädchen sind noch sehr jung, höchstens vierzehn oder fünfzehn Jahre alt. Einige Male schon war ich kurz davor meinen Eltern zu sagen, dass sie Kinderarbeit betreiben und das sofort unterlassen sollen.

Allerdings ist es bewiesen, dass Ereignisketten unter allen Umständen erhalten bleiben müssen und keinesfalls von Zeitreisenden unterbrochen werden dürfen. Sonst passieren schlimme Dinge.

»Mylady!«, ruft die Küchenchefin erschrocken. Sie wischt sich ihre Hände an dem verschmierten, einst weissen Küchenschurz ab, den alle Küchenmädchen über ihren kahlen, braunen Röcken tragen.

Ihre ebenfalls weisse Haube sitzt etwas schief und ihr Haar ist zwar hochgebunden, jedoch fallen ihr viele wirre Strähnen aus dem Dutt und streifen ihre Augen. Sie wirkt übermüdet, ein wenig hysterisch und sieht mindestens zehn Jahre älter aus, als sie tatsächlich ist.

»Guten Tag«, sage ich zu ihr und setze nach einer Weile ein Lächeln auf. »Ist es im Bereich des Möglichen, einen Becher frischen Traubensaft zu bekommen?«

»Ihr... möchtet Wein, Mylady?«, fragt sie nach, als ob ich eine andere Sprache spreche. Tatsächlich dringt ihr schottischer Akzent wunderbar im Englisch hindurch, was ich anzuhören schon immer geliebt habe. Nach wenigen Tagen in diesem Jahrhundert habe ich allerdings bemerkt, dass viele mehr schlecht als recht, oder gar nicht, englisch sondern ihr altertümliches Gälisch sprechen.

»Ja«, erwidere ich. »Wenn es keine Umstände macht.«

»Sicherlich«, stimmt sie zu, dreht sich sogleich um und geht zu den gelagerten, liegenden Holzfässern, welche in einem überschaulichen Teil des Küchenraumes stehen. Es sind aber dutzende, wenn nicht sogar hunderte.

»Mylady, Ihr könnt Euch alles bringen lassen, was Ihr Euch wünscht«, sagt sie schliesslich zu mir, als sie mit einem Becher roter, verführerischer Flüssigkeit zurückkommt. Was ich ebenfalls erneut lernen musste, ist, dass der Wein in früheren Jahrhunderten um einiges stärker gewesen ist, als der, denn wir zu trinken pflegen.

»Natürlich«, erwidere ich. »Mir war danach, mich zu bewegen. Vielen Dank.« Mit diesen Worten drehe ich mich um und verlasse die Küche. Ich merke, dass die rundliche Frau mir hinterher sieht und sich sicherlich über mich wundert.

Mit dem Becher in der Hand, gehe ich denselben Weg zurück, den ich genommen habe. Das Rot der Flüssigkeit im Becher schwappt fast schon über den Rand, als ich die Treppe in die Privatgemächer der Königsfamilie hinaufsteige.

Auf dem Flur treffe ich unerwartet auf Francis, der mit seinem engsten Berater und Freund in ein intensives Gespräch vertieft ist. Sie unterhalten sich in schnellem, etwas zu lautem Französisch und scheinen unterschiedliche Meinungen auszutauschen.

Mein Anblick erhellt seine Miene, doch ich kann auch sehen, dass es ihm unangenehm ist, von mir unterbrochen worden zu sein. Er unterbricht sein Gespräch und geht einen Schritt auf mich zu. »Emma, wie schön dich zu sehen. Wie ist es dir ergangen, hast du dich gut erholt?«

Ich lächle, nicke dann. »Ja, danke der Nachfrage. Ist alles in Ordnung? Du scheinst... zerstreut und aufgebracht.«

Francis legt mir eine Hand auf den Unterarm und umschließt so mein Handgelenk. »Ja... augenscheinlich steht es um Frankreich nicht sonderlich gut. Meine Abwesenheit macht es nicht leichter. Mutter wartet auf meine Rückkehr um mich dem Volk und vor allen Dingen der Armee zu widmen, doch die Ereignisse in Schottland spitzen sich ebenso zu«, erklärt er und klingt so besorgt, dass mein Herz automatisch schneller zu schlagen beginnt. »Nun, da wir davon sprechen; die Königin und ich wünschen eine Unterredung mit dir. Wenn es dir passt, so komme doch bitte in einer Stunde in die Thronhalle. Ich lasse einen Dienstboten nach dir schicken, damit er dich begleitet.«

Ich nicke. »Ich werde da sein.«

»Wunderbar«, Francis lächelt erneut. »Wie ich höre, erholt sich unser schottischer Held mit all seinen Kräften. Das freut mich sehr. Sobald er genug genesen ist, will Mary ein Fest zu seinen Ehren abhalten lassen, ich hoffe doch sehr, das ist ihm Recht. Lord Mckenzie war meiner Ehefrau immer ein treuer Freund.«

Ich zucke mit den Schultern und löse mich langsam von seiner Berührung. »Ich bin sicher, er würde sich geehrt fühlen... Nun, ich sehe dann Mal besser nach besagtem Helden. Wenn ihr mich entschuldigt.« Ich knickse kurz, verlasse dann den Flur und begebe mich in Fionn's Zimmer.

Ich bin sicher, Mary Stuart ist alles andere als angetan von der momentanen Situation in Schottland. Bürger, aber vor allem der grösste Teil der Adligen haben sich wegen des ständigen Drucks der englischen Nation gegen ihre katholische Königin gestellt. Zudem sind protestantische Schotten ebenfalls keine Seltenheit und bezweifeln die Stärke ihrer rechtmässigen Königin.

Ausserdem befinden wir uns im Jahr 1566, was bedeutet nicht einmal in einem Jahr wird Mary ihre Krone abgeben müssen.

Wieso also bin ich tatsächlich hier? Wieso halten sie meine Existenz nicht mehr geheim? Inzwischen weiss jeder, wer ich tatsächlich bin. Ich glaube sogar, dass meine königlichen Eltern mich bereits vom Papst in Rom haben legitimieren lassen.

Einerseits verabscheue ich meine Zweifel und diese nagenden pessimistischen Gefühle, andererseits hat die Vergangenheit gezeigt, dass mein Leben nichts weiter als ein grosser Haufen Komplotte und Geheimnisse ist. Wer genau die Wahrheit ausspricht, ist niemals gewiss.

Fionn bemerkt meine trübseligen Gedanken augenblicklich, denn er seufzt als er mein Gesicht erblickt. Dann hält er mir einen zu langanhaltenden, langweiligen Vortrag darüber, dass eine positive Einstellung schon immer besser gewesen ist.

»Halt jetzt die Klappe!«, rufe ich irgendwann. »Es ist wirklich unglaublich, dass ich deinetwegen auf genügend Schlaf und Essen verzichtet habe, nur damit du mich dann wieder die ganze Zeit nerven kannst, sobald du vom Reich der Toten zurückgekehrt bist.«

Fionn lacht und streichelt eine verwirrte Haarsträhne hinter mein Haar zurück. Noch immer ist er Bettlägerig, aber ansonsten wieder ganz der Alte. Offensichtlich. »Ach, komm schon. Du hast mich offenkundig wahnsinnig vermisst.«

Ich verdrehe die Augen. »Naja... Meine Mutter will ein Party für dich schmeissen, sobald du wieder fit bist.«

Seine Augen werden gross, doch diese Show nehme ich ihm nicht ab. Vermutlich kann er es kaum erwarten, der Mittelpunkt eines Banketts zu sein.

Shadow of Past - Band IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt