»Wie kommt es, dass eine Hochadlige wie du von der schwarzen Garde gefangen genommen wird?«, frage ich Adelaide. Vielleicht ist es an der Zeit einige ihrer Geheimnisse aufzudecken. »Ich bin eigentlich immer davon ausgegangen, dass diese Typen nur nach schwerlich Kriminellen suchen, wie mir.«
Adelaide lacht schallend. Es ist ein melodisches, erheiterndes Lachen. Ich verspüre einen winzigen Stich des Neides aufgrund ihrer Ausstrahlung. Sie ist irgendwie... sehr faszinierend.
»Ich würde wohl eher sagen, sie schnappen sich all jene die der englischen Macht im Wege stehen. Und du bist da wohl das Sonderexemplar«, meint sie Schulterzuckend.
Ich sehe sie mit erhobenen Augenbrauen an, da sie meinen Fragen ganz gekonnt ausweicht.
»Ich bin nicht wegen meinerselbst hier drin... Tatsächlich bin ich bei dem Versuch gescheitert, jemanden hier rauszuholen.«
Auf einmal klingt sie tief traurig und vielleicht sogar ein wenig verzweifelt. Gar nicht mehr erheitert und gleichgültig, als könnte nichts auf der Welt ihr etwas anhaben. Ich merke, dass es ihr nahe geht... sehr nahe.
Vielleicht wegen eines Mannes? »Wer ist es? Dir liegt viel daran, nicht wahr?«
Einen Moment sehen wir uns in die Augen. Ihre erzählen eine Geschichte, genau wie die meinen. Und aus purer Intuition weiss ich, dass sie viel mehr durchgemacht hat als sie jemanden wissen lässt. Ob das ebenso ihrer priviligierten und sicherlich noch strengeren Erziehung zu verdanken ist?
Dann wirft sie jedoch den Blick nieder, um weiterem Augenkontakt auszuweichen. »Er hat mir unzählige Male das Leben gerettet. Ich schulde ihm meine Loyalität... das ist alles.«
Doch ich weiss, sie lügt. Und auf einmal fühle ich mich auf eine merkwürdige Weise verbunden. Ich kenne das Gefühl, wenn man sich seinen Gefühlen nicht stellen kann... wie paradox. Dennoch scheint sie entschlossen genug zu sein, diesen männlichen Begleiter zu retten.
Da kommt mir in den Sinn: Fionn! »Weisst du, ob ein junger Mann bei mir war, als ich hier her gebracht wurde? Er ist etwa eins achtzig gross, blondes Haar, blaue Augen«, frage ich sie aufgeregt. Unfassbar, dass ich erst jetzt daran denke.
»Mr. Ich bin k.o. aber sehe trotzdem heiss aus?«, fragt sie nach.
»Ja«, sage ich sofort, ignoriere ihre fragwürdige Beschreibung.
Adelaide mustert mich mit einem undefinierbaren aber sehr intensiven Blick, von oben bis unten. Und dieser ist mir nicht wenig unangenehm. Doch ich sage nichts. »Ich glaube, sie haben ihn irgendwo hingebracht. Hier, in der Festung.«
Mein erster Instinkt ist, erleichtert durchzuatmen. Wenn er hier ist, haben sie ihn nicht getötet, wie ich es angenommen habe. Wenn er hier ist, dann lebt er noch.
»Wann war das?«
»Naja, du bist ungefähr einen Tag bewusstlos gewesen. Aber ich kann dir die Uhrzeit in dieser gottverlassenen, schwarzen Hölle leider nicht nennen. Ich habe jegliches Zeitgefühl verloren... Zumal ich, genau wie du, bewusstlos aufgewacht bin.«
Ich denke kurz darüber nach. Es klingt fast so, als wäre sie länger eine Gefangene als ich. Ich mustere sie jetzt meinerseits: Ihre Haare sind zwar ordentlich zerzaust, jedoch glänzen sie noch immer. Es kann also nicht sehr lange her sein, als sie sie das letzte Mal gewaschen hat. Unter ihren Fingernägeln staut sich Dreck, ihre Lippen sind aufgesprungen wegen der trockenen, kalten Luft, genau wie die dünne Haut über ihren Fingerknöcheln. Zwei, drei Tage wird sie schon hier sein müssen.
»Wie war das? Hast du dich absichtlich gefangen nehmen lassen, damit du deinen Freund retten kannst?«
Adelaide sieht mich an, als wäre ich bescheuert. Dann seufzt sie. »Natürlich nicht. Die haben mich beinahe umgebracht mit diesem Schlag auf den Hinterkopf. Und ausserdem hatte ich einen sehr viel besseren Plan, als mich gefangen nehmen zu lassen.«
Ich hebe fragend eine Augenbraue. »Ach wirklich? Der ist ja sichtlich wunderbar aufgegangen.«
Sie bewegt sich neben mir und streckt ihre Beine aus, die in zerrissenen Stoffhosen stecken. »Halt die Klappe. Du sitzt genauso fest wie ich, also erspar mir deinen Sarkasmus.«
Fast schon muss ich kichern. »Na schön... Was werden wir tun?«
Adelaide sieht mich fragend an. »Hä?«
»Willst du hier sitzen und nichts tun? Ich für meinen Teil bevorzuge es, mir etwas zu überlegen wie ich hier rauskomme. Und dann suche ich Fionn«, sage ich zu ihr.
»Fionn?«, sagt sie und spricht den Namen auf eine merkwürdige Art aus, als ob er ihr nur zu gut gefallen würde. »So heisst der Schönling also, ja? Nun... Ich an deiner Stelle würde mir auch einiges durch den Kopf gehen lassen, wenn so jemand auf mich warten würde.«
Ich schaue sie verständnislos an. »Sag Mal, was läuft eigentlich bei dir?«
Adelaide lacht. »Weisst du, Emma, ich versuche mir das Leben durch blöde Sprüche und gedankenloses Geplapper zu versüssen.«
»Ganz offensichtlich«, murmle ich, jetzt doch ein wenig genervt. Ich versuche meine Füße ebenso von mir zu strecken, wie sie es tut. Dann erlaube ich mir, meine Knie anzuziehen und wieder zu lösen, ich muss mich unheimlich anstrengen bei dem Versuch aufzustehen. Aber schliesslich gelingt es mir und ich gehe einige Schritte.
Was haben diese Irren mit meinen Schuhen gemacht? Und wo ist mein Kleid? »Wer hat mich angefasst?«
»Ach, sei ganz unberuhigt. Diese englischen Bastarde würden dich nicht einmal mit der Kneifzange anfassen«, meint sie Schulterzuckend und beobachtet mich bei meinen Gehversuchen. »Nicht böse gemeint«, fügt sie dann hinzu, als sie meinen verwirrten Blick sieht.
»Komm schon, immerhin bist du der Stuart-Spross... Die fürchten sich alle vor dir, und um ganz ehrlich zu sein, hassen diese Idioten Schotten noch immer.«
Ich zucke mit der Schulter. Dieser Hass kümmert mich nicht mehr, wenigstens nicht der von Fremden. »Wieso redest du so, als ob du keine Engländerin wärst?«
Adelaide kommt zu mir, denn inzwischen bin ich an der Tür zu unserem Gefängnis angekommen. Sie ist aus dickem Stahl und mit sichtbar grossen Schlössern gesichert. Ich kann keinen Spalt sehen, wo Licht durchdringt.
Scheisse, ich bin am Arsch, denke ich, als mir bewusst wird, dass ich feststecke.
»Ich fühle mich dieser Nation nicht mehr zugehörig. Nicht, wenn sie Unschuldige jagt und tötet. Die Zeitreise Gesellschaft von England handelt falsch, wie sie es seit Jahrhunderten tut.«
Schon wieder kommt mir das Gefühl, dass sie sehr viel mehr weiss, als das sie sagt. Wer ist sie bloss? Und was hat sie alles erlebt?
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Shadow of Past - Band I
FantasyEmma Sinclair fühlt sich durch die unerbittliche Strenge ihrer Mutter, der ständigen Forderung ihres Vaters und der Jahrhunderte alten Bürde, die auf ihr lastet, mehr und mehr einsam und verwirrt. Sie weiss nicht, wer sie ist und wohin sie gehört. S...