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Jungkook P.o.V

Wie jeden Tag klingelt dieser grauenvolle Wecker sehr früh. Ich weiss schon garnicht mehr, wie oft meine Mutter einen neuen gekauft hat, weil fast alle ständig gegen die Wand, den Schrank, die Tür oder aus dem Fenster fliegen. Einmal war das Fenster dabei geschlossen und ist dabei leider gleich mit zu Bruch gegangen.

Ich würde nicht behaupten, dass ich agressiv bin, das bin ich wirklich nicht. Ich bin genervt.
Genervt von meinem Leben und meiner Krankheit.
Ich habe das CIPA - Syndrom. Das macht mich zu etwas besonderem. Wird mir jedenfalls sowohl von meiner Mutter, also auch von sämtlichen Ärzten und Pyschologen eingeredet, da dieses Syndrom wirklich selten ist.
Ich empfinde keine körperlichen Schmerzen.

Zwar kann ich mich verletzen, aber ich spüre es nicht.
Ich bekomme eine Gänsehaut, wenn es kalt ist, aber ich friere nicht.
Wenn es heiss ist schwitze ich nicht und einen Sonnenbrand würde ich auch nicht bemerken.
Ich kann mich erkälten, aber ich spüre es nicht. Nie. Ich sehe dann einfach nur scheiße aus.
Weinen kann ich auch nicht und um mir nicht in die Hose zu pinkeln muss ich regelmäßig auf Verdacht aufs Klo gehen.

Klingt alles ganz toll? Im Freibad rumtoben ohne Angst vor den Schmerzen eines Sonnenbrandes haben zu müssen?
Mit Freunden Mist bauen ohne Angst haben zu müssen, bei eventuellen Verletzungen Schmerzen zu empfinden?
Im Winter ohne lästige, dicke Jacke, Handschuhe, Schal und Mütze rumlaufen zu können?

Ja, es klingt für die, die nicht das CIPA - Syndrom haben sicher aufregend. Aber nicht für mich.
Es ist nicht lustig sich in die Hose zu pinkeln, weil man nicht merkt, dass die Blase voll ist und das als Teenager vor der gesamten Klasse.
Ich werde ständig von allem ferngehalten, was mir Verletzungen einbringen könnte. Ich darf noch nichtmal am Sportunterricht in der Schule teilnehmen, denn ich könnte einen Ball an den Kopf bekommen, stolpern, mir irgendwas brechen oder verstauchen und würde es nicht merken. Nein, ich werde von allem ferngehalten, vor allem von meiner Mutter.

Versteht mich nicht falsch, ich liebe meine Eomma, sie ist der beste Mensch auf Erden. Aber sie übertreibt.
Bis zu meinem 15. Geburtstag musste ich mit Handschuhen schlafen und rumlaufen, weil die Gefahr bestand ich könnte mich unbemerkt irgendwo kratzen. Ja Eomma, an einem simplen Kratzer sind sicher schon viele einen qualvollen Tod gestorben.
Glücklicherweise konnte ich sie davon überzeugen, diese lästigen Vorsichtsmaßnahmen wegzulassen.

Was aber nicht ausbleibt ist das grauenvolle, frühe aufstehen. Jeden Tag. Also geht die Prozedur wie immer von vorne los.
Direkt nach dem Aufwachen strecke ich mich erstmal und reibe mir den Schlaf aus den Augen. Wieder was gefährliches. Ich könnte mich ja im Auge kratzen und erblinden. Passiert sicher jedem Zweiten mal. Nicht.
Also erstmal aufstehen und vor den Spiegel stellen. Hab ich mich im Schlaf gekratzt? Irgendwo? Nein, gut. Habe ich irgendwo blaue Flecken, weil ich mich im Schlaf vielleicht selbst verprügelt habe? Auch nicht. Hab ich mir die Lippen oder die Zunge blutig gebissen? Fehlanzeige.

So geht das jeden verdammten Tag. Mehrmals.
Mit der Zeit hab ich daraus einen Tanz gemacht, denn ich tanze wirklich gern. Wenn auch nur während meiner "Musterung" vor dem Spiegel.

Da ich unverletzt bin heisst es ab ins Bad. Duschen, Zähne putzen, zurecht machen.
Auch das ist nicht mal eben so gemacht. Natürlich muss ich darauf achten, mir die Zähne nicht zu fest zu putzen, denn sonst könnte ich mein Zahnfleisch verletzen. Die Wassertemperatur ist überall im Haus auf die gleiche Temperatur eingestellt, damit ich mich bloß nirgens auch nur ansatzweise verbrennen kann. Meine Mutter ist mit all dem wirklich sehr genau.
Nun gut, da ich jetzt frisch geduscht und angezogen bin gehe ich erstmal runter zu meiner Mutter in die Küche, denn in meinem Bauch hört es sich mittlerweile an, als würde ein Hirsch einen Brunftschrei ausstossen um ein Weibchen anzulocken. Ich hab hunger.

CIPA ⇴ ᴛᴀᴇᴋᴏᴏᴋ ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt