Der nächste Tag läuft ziemlich normal ab. Ich nehme brav diese eklige Tablette, gehe zur Schule und statte meinem Zahnarzt einen Besuch ab, wenn auch unfreiwillig. Ihr wisst ja bestimmt, wie das ist. Besonders viel gibt es jedenfalls nicht zu erzählen.
Aber der Tag darauf bringt so einige Überraschungen. Und damit meine ich nicht nur den unangekündigten Test in Physik und das benotete Vorsingen in Musik. Nein, ich meine etwas viel Aufregenderes.
„Hey, hast du Lust, mit uns Eis essen und an den Strand zu gehen?", erkundigt sich Fiona nach der letzten Stunde bei mir. „Das hört sich echt toll an", fange ich an, „aber ich kann nicht. Ich bin mit jemandem verabredet."
„Uhh, ist es das, was ich denke?", fragt meine beste Freundin mit wackelnden Augenbrauen. Ich verdrehe darauf nur meine Augen und stelle klar: „Nein, ist es nicht. Ich gebe nur Nachhilfe." „Du weißt, was manchmal passiert, wenn ein Mädchen einem Jungen oder umgekehrt Nachhilfe gibt?", meint sie.
Woher weiß sie jetzt, dass es ein Junge ist? Vielleicht kann sie ja meine Gedanken lesen. Oder sie kennt mich einfach zu gut. Das muss es sein. Wenn ich mich mit jemandem treffe, und das sind eigentlich immer Mädchen, nenne ich normalerweise den Namen, und das habe ich nun nicht getan.
„Daran glaube ich nicht. Sowieso ist er echt schüchtern", erkläre ich. „Aber ich muss jetzt echt los. Ich wünsche euch viel Spaß!" „Ich euch auch", zwinkert Fiona mir zu und verschwindet. Manchmal kann sie ja schon nerven. Doch ich zugegebenermaßen auch. Möglicherweise sogar noch mehr.
Als ich die Mensa betrete, sehe ich an einem Tisch ganz hinten in der Ecke einen Jungen, der wild mit seinen Armen fuchtelt. Vermutlich um mich auf sich aufmerksam zu machen. Ah, das ist Josh!, denke ich. Auch wenn er sich vorgestern ein bisschen beschrieben hat, hatte ich keine Ahnung, wer er sein sollte. Bis jetzt.
„Hey", begrüßt er mich leise, während ich den Stuhl zurechtrücke. „Hi", grüße ich zurück. Er scheint jetzt schon einen sympathischen Eindruck zu machen. Irgendwie mag ich schüchterne Jungs. Dennoch will ich nichts von ihm, um das klarzustellen!
Was ich ihm nun alles erkläre, wollt ihr sicher nicht wissen. Quadratische Funktionen, Optimierungsaufgaben, Logarithmus... Alles nicht meine Lieblingsthemen in Mathe, aber wenn die Lehrer wollen, dass wir das machen, können wir leider nichts ändern. Dementsprechend motiviert bin ich also auch beim Erklären einiger Aufgaben. So bin ich wirklich froh, als er es endlich einigermaßen kapiert hat.
„Wollen wir noch was zusammen unternehmen?", fragt Josh und klingt dabei ziemlich selbstbewusst. Wow, für einen Schüchternen ist das aber ganz schön mutig! Vor allem in dem Ton! Nichtsdestotrotz antworte ich mit einem fröhlichen „Ja". Solange wir nicht zum Strand gehen, ist alles gut. Ich will nicht, dass Fiona und meine anderen Freunde mich mit ihm sehen. Fiona würde dann mit einem Satz kommen wie „Ich hab's doch gewusst!" oder so und das kann mir echt erspart bleiben. Stattdessen gehen wir in den Park und essen dort ein leckeres Eis.
Danach laufen wir noch etwas in der Stadt herum und reden, um uns ein bisschen besser kennenzulernen. „Kommst du eigentlich wirklich von hier? Du hörst dich nämlich anders an", fragt Josh. Ich lache kurz. Ich habe mich schon gewundert, dass er sich so lange nicht darüber erkundigt. Meine Freunde haben mich damals sofort darauf angesprochen.
„Nein", antworte ich also. „Ursprünglich komme ich aus London. Aber als sich meine Eltern getrennt haben, sind Mom und ich hier nach New York gezogen." „Oh, siehst du deinen Dad dann überhaupt noch?", möchte er nun wissen. Normalerweise spreche ich nicht besonders gerne über dieses Thema, aber ich bin mal nicht so.
„Ab und zu skypen wir. Leider ist das die einzige Möglichkeit, Kontakt mit ihm zu halten. Meine Mom hat es nicht gerne, wenn ich mit ihm rede, weil sie denkt, er hat einen schlechten Einfluss auf mich. Deswegen bekomme ich ihn noch seltener zu sehen", erzähle ich. „Wir sind umgezogen, da war ich sieben. Ich hab gar nicht kapiert, was passiert ist. Wäre ich älter gewesen, hätte ich mich geweigert. Oder hätte wenigstens vorgeschlagen, in eine nicht so weit entfernte Stadt zu ziehen. Dann könnte ich ihn jetzt immer wieder besuchen... Weißt du, ich vermisse ihn echt sehr."
Erst in diesem Moment bemerke ich, dass meine Wangen nass sind. Was Josh jetzt wohl vom mir denkt? Ich weine echt nicht gerne vor anderen. Ich kann mir gut vorstellen, dass er mich auslacht oder zumindest sein Lachen verkneifen muss, doch da täusche ich mich. Er sagt nämlich mit mitfühlendem Blick: „Das tut mir wirklich leid. Das muss schrecklich für dich sein." Und wie! Und das ist noch lange nicht mein einziges Problem!
„Lass uns über was anderes reden!", entscheide ich und wische schnell meine Tränen weg. „Was ist mit dir? Erzähl mir was über dich!" Etwas überrascht über meinen Themenwechsel fängt der Junge an: „Ähm, okay. Eigentlich gibt es nicht viel über mich zu erzählen. Ich bin hier aufgewachsen. Allerdings bei meinen Großeltern, da meine Eltern bei einem Autounfall gestorben sind... In der Grundschule wurde ich gemobbt. Ich glaube, deswegen bin ich heute so schüchtern." „Und das nennst du nicht viel? Das ist genauso schlimm", meine ich. Er muss wirklich eine traurige Vergangenheit gehabt haben.
„Aber eine Frage stellt sich mir da: Du sagst, du bist schüchtern. Gut, meistens bist du das wirklich. Doch was ist jetzt, in diesem Augenblick? Du erzählst mir von deinem Leben und das ist echt mutig. Was ist jetzt anders?" „Na ja", beginnt Josh und wird bereits leicht rot. „Ich denke, ähm... Okay, jetzt reiß dich zusammen, Josh!"
Nun bekomme ich Angst. Was will er mir sagen? „Also, äh. Wahrscheinlich bin ich gerade nicht mehr so schüchtern, weil... weil du da bist. In deiner Gegenwart fühle ich mich wohl. Wenn ich bei dir bin, fühle ich mich irgendwie lebendig. Du hast mich erst heute richtig kennengelernt, aber - das hört sich jetzt komisch an - aber ich verfolge dich schon seit Monaten. Du gehst mir nicht aus dem Kopf. Ich hab dich echt gern... Ja, Becca, ich liebe dich!"
Zunächst bin ich total sprachlos. Hat er das wirklich zu mir gesagt? Bitte lass es mich eingebildet haben! Was erwartet er jetzt von mir? Dass ich ihm sage, dass ich eine Beziehung mit ihm eingehe? Oder ihn küsse und so, um herauszufinden, ob er etwas für mich ist, wie bei der Bachelorette? Nein, das kann ich nicht. Ich meine, er ist echt nett, doch ich verliebe mich normalerweise recht schnell und kann gleich schon beurteilen, ob ich den Jungen attraktiv finde. Und das ist bei Josh definitiv nicht der Fall. Er ist nicht der Richtige.
„Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. - Eigentlich weiß ich das, aber ich weiß eben nicht, wie ich dir das sagen soll", sage ich leise. „Ich möchte dich nicht verletzen, vor allem weil du schon so oft verletzt wurdest, doch ich sage es jetzt einfach gerade heraus: Ich liebe dich nicht und werde dich auch nie lieben. Du bist einfach nicht mein Typ. Sorry."
Um ihm nicht mehr ins Gesicht sehen zu müssen, drehe ich mich um und laufe nach Hause. Oh Gott, ich fühle mich so schlecht. Manchmal kann ich echt gemein sein. Aber ich kann meine Gefühle nun eben nicht ändern.
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Hier ist das zweite Kapitel an diesem Tag. Wann es weitergeht, werde ich spontan entscheiden. Wer weiß, vielleicht auch morgen...😉
Und ich habe eine Frage an euch: Ist es normal, dass ich, immer wenn ich Signature zurück in den Schrank im Bad stelle, Shawn auf der Verpackung einen Luftkuss zuwerfe?😅🙈
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One more wish {s.m.}
FanfictionDas ganze Leben lang hatte Becca keine Probleme. Zumindest keine gesundheitlichen. Natürlich muss sie als 16-Jährige auch mit dem Stress der Highschool kämpfen, aber eigentlich führt sie ein ganz normales Leben. Na ja, wenn man von ihrem inneren Fa...