4. Kapitel

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(Dieses Video👆 bringt mich einfach immer zum Lachen 😂)

Daheim bin ich gerade dabei, meine Latein-Hausaufgaben zu machen. Immer wieder muss ich Lektionstexte übersetzen. Irgendwann wird das ja schon langweilig und nervt. Auch wenn ich recht gut darin bin, habe ich so langsam keine Lust mehr darauf. Doch ich habe keine andere Wahl. Ich könnte zwar wie die anderen Jungs aus meiner Klasse einfach von jemandem abschreiben, also zumindest bei den Hausaufgaben, aber so bin ich nicht. Manchmal schreibt eine Mitschülerin im Unterricht heimlich mit und diktiert es dann anderen, doch ich mache es trotzdem selber, auch wenn sie direkt neben mir sitzt. Und das Komische ist, dass ich meistens zum selben Zeitpunkt oder sogar noch früher fertig bin.

Jetzt allerdings kann ich nicht durchschreiben, da ich das Gefühl habe, es ändert sich etwas in meinem Blickfeld. Ja, eindeutig, wenn ich auf den Text schaue, kann ich das e nicht mehr sehen. Und dann nehme ich plötzlich Wellen wahr, die meine Sicht deutlich schwächen. Erst seitlich und schließlich im Mittelpunkt. Das ist das allbekannte Flimmern. Somit ist auch mit den Kopfschmerzen zu rechnen.

Warum nur? Ich habe doch die Tabletten genommen! Warum bekomme ich dennoch Migräne? Wenn ich darüber nachdenke, fällt mir sogar ein guter Grund ein. Nämlich die ganze Sache mit Josh. Da kann ich es wirklich verstehen, dass ich gestresst war. Es war echt hart, ihn abzuservieren, weil ich ihn nicht verletzen wollte, es aber sicher getan habe. Das ist seelischer Stress.

Sofort laufe ich aus meinem Zimmer, die Treppen hinunter und in das Wohnzimmer, um die Tabletten zum Schlucken zu nehmen, was auch nicht gerade besser ist als das scheußliche Zeug. Als Mom mich komisch anschaut, erkläre ich ihr die Lage. „Was? Schon wieder? Trotz des Magnesiums?", wundert sie sich, worauf ich nicke. Dasselbe habe ich mich ja ebenfalls gefragt.

„Ich mache mir echt Sorgen, Becca", sagt sie dann. „Vielleicht sollten wir das mal untersuchen lassen. Ich werde einen Termin im Krankenhaus ausmachen." „Muss das sein?", brumme ich. Die Tabletten habe ich ja akzeptiert, aber ein Krankenhausbesuch? Nein, danke. Darauf kann ich echt verzichten, so sehr ich auch für Grey's Anatomy schwärme. Aber selbst in einem Krankenhaus zu sein, hasse ich...

„Ist dir deine Gesundheit völlig egal? Becca, ich will nicht, dass es dir schlecht geht. Und dich nervt es doch auch", versucht Mom mich zu überzeugen. Ich verstehe sie ja, und eigentlich hat sie recht. Deshalb stimme ich doch noch zu.

Zwei Tage später, in denen ich zum Glück verschont wurde, ist es schließlich soweit. Bis zum nächsten Krankenhaus ist es nicht besonders weit, es befindet sich nur eine Viertelstunde Fahrt von meinem Zuhause entfernt. Umso schneller befinde ich mich im Wartezimmer und hoffe, noch nicht aufgerufen zu werden. Es ist nicht so, dass ich Angst vor der Untersuchung hätte; ich habe einfach keine Lust. Okay, möglicherweise habe ich Angst vor dem Ergebnis. Was, wenn es wirklich etwas Ernsthaftes ist? Andererseits kann mir dann geholfen werden, was wiederum gut ist. Es wird wohl halb so schlimm sein.

Während meine Mom eine Zeitschrift liest, schreibe ich mit Fiona, die wie ich nicht in der Schule ist, mit dem Unterschied dass sie Fieber hat. „Schreib mir dann, was herausgekommen ist. Also wenn es dir nicht zu privat ist", meint sie. Na ja, mal schauen, ob ich dann überhaupt noch in der Lage bin, jemandem zu schreiben. Doch ich bin da guter Dinge. Würde ich zumindest von mir behaupten.

„Becca Mason", ruft eine Frau mich auf und führt mich in ein Zimmer. Alles ist weiß oder grau und der Geruch ist auch nicht gerade meins. Ich bin einfach froh, wenn ich hier raus bin. „Der Doktor wird gleich da sein", unterbricht die Frau meine Gedanken. Ich nicke nur und warte, während sie sich an einen Computer setzt. Jetzt gibt es kein Zurück mehr.

Als ein groß gewachsener Mann, der sich als Dr. Hudson vorstellt, ins Zimmer stolpert - er hat sich beeilt und dabei die leichte Erhebung an der Tür übersehen - begrüßen wir uns gegenseitig, schütteln einander die Hände und Mom und ich erklären ihm die Lage. Zwischendurch nickt er immer wieder und sagt „Verstehe", worauf ich manchmal denke: Können Sie nicht mal was anderes sagen?

Glücklicherweise tut er das, nachdem meine Mutter auch das letzte kleine Detail, was allerdings sehr wichtig sein könnte, ausgeplaudert hat. Der Arzt meint nämlich: „Wissen Sie denn, was der Auslöser für die Migräne sein könnte?" „Nein, das ist ja das Schlimme daran. Es wird immer häufiger und wir können nichts tun, damit es wieder weniger wird", erzählt meine Mutter, die bei fast allen Arztterminen spricht, weil es mir unangenehm ist. Und dann kommt wieder das gute alte „Verstehe".

Nach kurzem Überlegen verkündet Dr. Hudson schließlich: „Da Sie Migränesymptome zeigen, die ja etwas mit dem Hirn zu tun haben, wäre es wohl kein Fehler, ein MRT davon zu machen. Das wird zwar etwas dauern, aber vielleicht werden wir dann schon ein Ergebnis haben. Wenn nichts zu sehen ist, müssen wir eben weitersuchen. Aber jetzt erst mal ab zum MRT."

Dort angekommen stellen wir fest, dass sich bereits eine Schlange vor dem Raum gebildet hat. Somit müssen wir erneut etwas warten. Das wird wohl nichts mehr mit Schule, worüber ich eigentlich auch froh bin. Die Schulleitung meinte, ich sollte zurückkehren, wenn ich früher fertig bin, damit ich weniger Stoff verpasse, doch das wird „leider" nichts. Noch dazu dauert es eine Weile, bis die Aufnahme meines Schädels fertig ist. Die ganze Zeit muss ich in einer komischen Röhre liegen, die - als wäre die Enge nicht bereits genug - noch laute Geräusche machen muss. Ein Grund mehr, warum das hier so blöd ist.

Dr. Hudson braucht anscheinend noch Zeit, um sich das Bild genauer anzuschauen und es auszuwerten, weswegen Mom und ich auf ein Patientenzimmer, das wohl meines sein wird, wenn ich hierbleiben müsste, geschickt werden. Glücklicherweise würde ich alleine sein.

Auch wenn in Krankenhäusern Handys verboten sind, oder zumindest der Flugmodus eingeschaltet sein muss, weil sonst die Geräte gestört werden könnten, schaue ich mir mal wieder Videos von Shawn an - ein Wunder, dass ich hier Internet habe. Jedenfalls beruhigen mich diese und zaubern mir ein Lächeln ins Gesicht. Wenn ich ihn einfach nur sehe, geht es mir schon besser. Das hört sich so an, als ob ich total in ihn verknallt sei. Ich meine, das bin ich, aber ich sehe es eher als eine Fanliebe an. Es würde sowieso nie etwas aus uns werden, denn er ist ein Weltstar und ich nur ein gewöhnliches Mädchen, das versucht, sich durchs Leben zu schlagen.

„Hast du Angst?", fragt mich meine Mutter irgendwann. „Wieso sollte ich?", stelle ich eine Gegenfrage. Mom hasst das. Schon früher habe ich nie direkt geantwortet, sondern immer zuerst „Was?" von mir gegeben. Dennoch tadelt sie mich nun nicht und sagt: „Na, ich meine, es geht um dich. Was, wenn etwas Schlimmes herauskommt?" „Das werden wir schon sehen. Ich sehe es jetzt eher positiv. Am Anfang wollte ich zwar nicht hierher, aber so kann mir geholfen werden", erkläre ich und versuche auch etwas, mich selbst zu überzeugen. Nach einer kleinen Pause füge ich noch flüsternd hinzu: „Vielleicht habe ich doch ein bisschen Angst."

In dem Moment klopft es an der Tür und Dr. Hudson kommt herein, auch wenn keiner ihn hereingebeten hat. In seinen Händen hält er das Bild von meinem Kopf. Ich werde ganz aufgeregt und meine Hände ganz feucht. Wenn wirklich etwas gefunden wurde, werde ich es dann gut oder schlecht finden? Noch kann ich meine Reaktion überhaupt nicht einschätzen.

„Hier habe ich das Ergebnis", verkündet der Mann, worauf Mom und ich gespannt den Atem anhalten. Er lässt sich allerdings ewig Zeit und ich denke mir: Spann uns halt auf die Folter! Dann zeigt er uns jedoch die Aufnahme und erklärt uns, wobei er hauptsächlich mit mir spricht: „Sehen Sie diesen - ich nenne es mal – Klumpen hier? Das wird der Grund sein für Ihre ständige Migräne. Na ja, von Migräne kann man nun gar nicht mehr sprechen. Die Kopfschmerzen und all Ihre anderen Erscheinungen sind auf dieses Ding zurückzuführen. Es tut mir leid, das sagen zu müssen, aber Becca, Sie haben einen Tumor. Um genau zu sein, ein Glioblastom." Die Angst, die übrigens größer gewesen ist als zugegeben, war anscheinend berechtigt...

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Ich weiß, fieses Ende. Aber ich möchte auch mal Spannung erzeugen. Ich hoffe, das ist mir gelungen :)

Auch bei dieser Geschichte möchte ich einen festen Update-Tag haben. Vorraussichtlich wird das wieder der Montag sein. Also bis in einer Woche!

One more wish {s.m.}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt