Der nächste Tag, der Mittwoch, bedeutet für mich und meine Klasse, dass wir mal wieder zehn Stunden in der Schule verbringen müssen. Deshalb ist mir und den anderen die Mittagschule so verhasst. Keiner will doch bis um nach 17 Uhr in einem stickigen Raum sitzen und von einem Lehrer vollgelabert werden.
Dieses Jahr haben wir glücklicherweise die letzten zwei Stunden Sport. Dass ich das einmal sagen würde! Eigentlich hasse ich Sport, aber wenigstens muss man da nicht so viel nachdenken.
Und genau in diesen zwei Stunden befinden wir uns gerade. Das heißt, wir haben das meiste überstanden. Na ja, halbwegs, denn in der Mittagspause ist Fiona hingefallen und humpelt jetzt. Deswegen kann sie auch in Sport nicht mitmachen und sitzt am Rand, was sie echt schade findet, weil das ihr Lieblingsfach ist, aber es ist besser so.
Wir müssen nämlich ganze dreißig Minuten durchlaufen. Ich bin mehrmals kurz vor dem Aufgeben, doch eine Mitschülerin läuft immer wieder an mir vorbei und sagt: „Halte für Shawn durch! Mach Shawn stolz!" So finde ich neue Motivation. Trotzdem bin ich unendlich froh, als es endlich vorbei ist.
Danach machen wir noch etwas anderes, was aber ebenfalls nicht so mein Ding ist. Sobald der Unterricht zu Ende ist, laufe ich zu Fiona. „Das war das letzte Mal, dass ich mich ohne dich sportlich betätigt habe!", lache ich und sie tut es mir gleich. Ich meine, ich habe es überstanden, aber mit ihr macht es doch viel mehr Spaß.
Da fällt mir ein, dass ich noch gar nicht mit ihr über das Date geredet habe. Was echt komisch ist, da ich heute Morgen noch die ganze Zeit daran gedacht habe. Anscheinend ist immer etwas dazwischengekommen. Ob sie und Kyle auch Spaß hatten?
Während wir aus dem Gebäude und zu der Bushaltestelle laufen, spreche ich sie schließlich darauf an. „Hey, wir war es eigentlich gestern mit Kyle?" „Oh, es war super!", freut sich Fiona. „Er war richtig nett und er hat sogar gesagt, dass ich schön aussah." Hab ich mir doch gedacht.
„Es war einfach der beste Tag meines Lebens. Wir sind Eis essen und dann noch zum Strand gegangen. Und ich weiß, man sollte beim ersten Date nicht küssen, doch auf einmal hat er seine Lippen auf meine gelegt und ich konnte nicht anders als zu erwidern. Ja, ich schätze, wir sind jetzt zusammen!" Auch dass Kyle es nicht gerade langsam angeht, wusste ich.
Na ja, ich hoffe einfach, dass Fiona nicht nur eines seiner Spielzeuge ist. „Das freut mich für dich", sage ich, wobei doch ein bisschen Sorge mitschwingt. Allerdings bemerkt sie es nicht. Sie lächelt nur weiter und bedankt sich, worauf wir uns beide umarmen.
Auch von Shawn's E-Mail habe ich ihr noch nichts erzählt. Was ist denn heute mit mir los gewesen? Ich glaube aber nicht, dass es etwas bringen würde, es jetzt zu tun. Offensichtlich hat sie im Moment nur Kyle im Kopf und kann nicht klar denken. Sie würde bestimmt nur nicken und irgendetwas vor sich hin murmeln. Aber egal, ein anderes Mal. Vielleicht schreibe ich es auch Ally, mal schauen.
An der Bushaltestelle angekommen setzen wir uns auf eine Bank. Meine beste Freundin holt ihr Handy heraus, um Musik zu hören. Da ich meines vergessen habe, blicke ich mich einfach um. Plötzlich sehe ich auf der anderen Straßenseite Josh stehen. Ja, der Josh. Und er kommt auch noch auf uns zu. Na ja, nicht direkt, aber in unsere Richtung.
Was dann geschieht, ist unglaublich. Ich weiß nicht, ob meine Augen mich verarschen oder mir die Realität zeigen. Josh kommt dem Mädchen einen Meter neben uns nämlich ziemlich nahe, bis sie letztlich aneinander kleben. Josh, der schon Jahre für mich geschwärmt hat, küsst eine andere!
Als er bemerkt, dass ich ihn anstarre, meint er: „Oh, hey Becca! Darf ich vorstellen; das ist Luisa, meine Freundin." „Wow, ähm... Herzlichen Glückwunsch!", gratuliere ich. Fiona scheint das alles gar nicht mitzubekommen. Offensichtlich steckt sie viel zu tief in ihren Gedanken an Kyle. „Danke", sagt er darauf. „Bin wohl über dich hinweg bekommen. Endlich, sonst wäre es wohl nie was mit Luisa geworden."
Ich bin zwar froh, dass er jetzt nicht mehr versucht, sich auf irgendeine Weise an mich heranzumachen, doch das zu hören, hat sich schon merkwürdig angefühlt. Ich sollte jedoch nicht darüber nachdenken, immerhin ist er nicht mein Typ. Jetzt interessiert mich erst einmal Shawn.
Apropos... Vielleicht hat er mir mittlerweile zurückgeschrieben. Immerhin sind jetzt schon über 24 Stunden vergangen, seit ich ihm meine Mail geschickt habe. Sobald ich zuhause bin und an mein Handy komme, werde ich danach schauen. Das hört sich ja schon so an, als ob ich süchtig nach ihm und seinen Nachrichten wäre und nicht mehr ohne ihn könnte.
Gut, letzteres stimmt wirklich. Ein Leben ohne Shawn könnte ich mir nicht mehr vorstellen. Aber nach den Nachrichten kann ich noch gar nicht süchtig sein, es ist nur jeweils eine Mail seiner- und meinerseits gewesen. Möglicherweise sind es nun insgesamt drei...
„Bin wieder da!", rufe ich durch den Gang, nachdem ich die Haustür wieder geschlossen habe. Müssen ja nicht alle, die an derselben Bushaltestelle ausgestiegen sind, hören, wie ich meine Mom begrüße und ihr deutlich mache, dass sie nicht mehr alleine ist. „Hey, Schatz", sagt sie darauf und kommt auf mich zu, um mich zu umarmen.
Anscheinend ist der Mittwoch nicht nur mir so verhasst. Für mich ist es zwar gar nichts, doch sie, die niemand anderen als mich hat, vermisst mich an diesem Tag immer sehr. „Würdest du den Tisch schnell decken?", fragt sie dann. „Essen ist schon fertig." Okay, das mit dem „Sofort-nach-der-E-Mail-schauen" ist nicht drinnen. Egal, zwanzig Minuten kann ich noch warten.
Besagte Zeit später sitze ich noch immer am Tisch und warte darauf, dass Mom mich entlässt. Sie hatte es noch nie gern, wenn jemand einfach abhaut, obwohl nicht alle mit dem Essen fertig sind. Jetzt befinden sich zwar unsere beiden Teller in der Spülmaschine und der Tisch ist bereits abgeräumt, doch sie möchte dennoch ein paar weitere Minuten mit mir verbringen, auch wenn wir nur still dasitzen. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass diese Minuten von Tag zu Tag mehr werden.
„Na gut. Du darfst gehen", sagt meine Mutter schließlich die erlösenden Worte. Ich bedanke mich kurz und verschwinde mal wieder in mein Zimmer, wo ich mein Handy heute Morgen aus Versehen liegen gelassen habe. Und es steckt immer noch am Ladekabel. Dann habe ich wenigstens einen vollen Akku und kann lange mit Shawn schreiben. Na ja, falls er die Zeit hat und überhaupt mit mir schreiben will. Aber hey, die Hoffnung stirbt zuletzt.

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One more wish {s.m.}
FanfictionDas ganze Leben lang hatte Becca keine Probleme. Zumindest keine gesundheitlichen. Natürlich muss sie als 16-Jährige auch mit dem Stress der Highschool kämpfen, aber eigentlich führt sie ein ganz normales Leben. Na ja, wenn man von ihrem inneren Fa...