17. Kapitel

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„...Und dann macht ihr noch Aufgabe 2, Seite 98", teilt uns Mrs. Claire mit, was wir heute im Mathematikunterricht machen sollen. Da ich jedoch mit Fiona ein neues Magazin angeschaut habe, habe ich nur zum Schluss mitbekommen, was sie gesagt hat. Aber wenn man schon eine Lehrerin mit Sehschwäche hat, darf man sich das doch nicht entgehen lassen. Zudem spielen die Jungs in der letzten Reihe auch nur mit ihren Handys, was nebenbei gemerkt eigentlich echt auffällig ist. Ich meine, man stellt doch normalerweise keine Rucksäcke oder Ordner vor sich.

„Entschuldigung?", meldet sich Zac, einer meiner Mitschüler aus der hinteren Reihe. Macht gerne Witze, die meistens allerdings zu weit gehen. Bisher hat es nur Lehrer erwischt, und ich bin echt froh, dass er mich nicht auf dem Schirm hat. Ich frage mich aber wirklich, wie er noch immer auf der Schule sein kann. „Ja, was gibt es?", möchte nun Mrs. Claire wissen. Sie klingt sehr freundlich. Ich hingegen wäre schon misstrauisch. „Könnten Sie das alles bitte an die Tafel schreiben? Sie wissen doch, wie vergesslich ich bin", sagt er schließlich. Natürlich hat er ebenfalls nicht zugehört. Dafür bin ich ihm ausnahmsweise tatsächlich dankbar.

Unsere Lehrerin verdreht zwar kurz die Augen, schreibt dann glücklicherweise trotzdem alle Aufgaben an die Tafel, die schon ganz schön in die Jahre gekommen ist. „Alles, das ihr in dieser Stunde nicht schafft, ist Hausaufgabe!" Okay, das will ich mir nicht antun. Und Fiona anscheinend auch nicht. Auf der Stelle schlägt sie das Magazin zu und ich packe es zügig ein, um mein Buch im selben Tempo herauszuholen.

Fiona und ich haben zwar heute Mittag nichts zu tun, weil wir unseren Vortrag ja bereits fertig haben, im Gegenteil zu den anderen, aber man sollte immer alles so schnell wie möglich erledigen. Es heißt zwar, besser spät als nie oder auf Spanisch más vale tarde que nunca - ja, ich habe meine Vokabeln gelernt - , doch nichts geht über einen freien Nachmittag. Und wer weiß, vielleicht kann ich diesen heute ja endlich nutzen, um mit Shawn zu schreiben.

Nach der Stunde, was gleichzeitig auch bedeutet, dass wir den heutigen Schultag überstanden haben und jetzt Wochenende ist, laufen diejenigen, die hier irgendwo in der Nähe wohnen, nach Hause und die anderen gehen auf ihre Busse. Für Fiona und mich heißt es jedoch erst einmal eine halbe Stunde warten. Diese Busverbindungen sind doch manchmal echt zum Kotzen... Na ja, wenigstens bin ich nicht alleine, denn das wäre noch blöder.

Trotzdem stellen wir unsere Sachen an unserer Bushaltestelle ab und setzen uns auf den Boden. Damit es etwas gemütlicher wird, lehnen wir uns mit dem Rücken gegen einen Zaun. Manche schauen uns zwar komisch an, doch das ist uns egal. Die sind sowieso in ein paar Minuten verschwunden.

Obwohl ich diese Nacht eigentlich gut geschlafen habe, werde ich auf einmal richtig müde. Könnte an Mathe liegen. Das war nämlich langweilig und anstrengend. Ich verstehe nicht, wie das ein Lieblingsfach von einem Jungen in meiner Klasse sein kann. Ich schätze, jeder wie er will.

Langsam öffne ich meine Augen und weiß zunächst nicht, wo ich bin. Dem Verkehr nach zu urteilen, befinde ich mich immer noch in New York. Schnell, vielleicht etwas zu schnell, stehe ich auf und falle fast erneut hin. Aber nur fast.

Nachdem ich mich etwas umgesehen habe, fällt mir alles wieder ein. Ich habe mit Fiona auf unseren Bus gewartet. Also muss das Gebäude dort hinten die Highschool sein. Doch wo ist dann Fiona? Sie kann doch nicht einfach so verschwunden sein. Und wenn jemand sie abgeholt hätte, hätte sie mich sicherlich gefragt, ob ich mitwollte. Wer es wissen will, ich hätte Ja gesagt. Alles ist besser als Busfahren. Abgesehen von Laufen vielleicht. Ja, ich bin etwas faul.

Als ich auf meine Armbanduhr schauen möchte, wie viel Uhr es ist, stelle ich fest, dass sich nichts mehr an meinem Handgelenk befindet. Wurde ich beklaut? War etwa jemand da und hat Fiona dann entführt? Das ergibt doch alles keinen Sinn!

Ein Blick auf den Himmel lässt mich vermuten, dass es so langsam dem Abend zugeht. Oh Gott, meine Mom wird sich unglaubliche Sorgen machen, auch wenn sie das nicht mehr wollte. In diesem Fall könnte ich sie aber durchaus verstehen, immerhin sollte ich eigentlich schon vor vier Stunden oder so zu Hause sein.

Und da ist noch etwas Komisches: Abgesehen von den Autos sehe ich keine Menschenseele weit und breit. Das ist total untypisch für New York. Hier läuft immer irgendjemand herum, egal zu welcher Tageszeit. Um mich zu vergewissern, dass hier wirklich niemand ist, rufe ich deshalb: „Hallo? Ist da jemand?" Keine Reaktion. Also entweder ich bin nur ein Geist oder ich bin die Einzige, wobei ich eher letzterem Glauben schenke.

Doch dann sehe ich eine riesige schwarze Limousine auf mich zu kommen. Und das bilde ich mir nicht nur ein. Sie fährt wirklich in die Buseinfahrt und hält vor mir. Was zur Hölle passiert hier gerade? Bin ich plötzlich berühmt oder habe ich irgendwas verbrochen und die Limousine ist in Wirklichkeit ein Polizeiwagen?

Diese Frage wird mir relativ schnell beantwortet. Die Tür öffnet sich nämlich und heraus kommt ein gutaussehender junger Mann. Braune, wuschelige Haare, ebenfalls braune Augen und ein unglaubliches Lächeln. Andere nennen ihn Shawn Mendes. „Mitfahrgelegenheit gefällig?", fragt er an mich gerichtet und streckt seine Hand aus. Träume ich? Das muss ein Traum sein. Shawn ist auf Tour und kommt nicht einfach wegen mir nochmal nach New York.

Dennoch willige ich natürlich ein. Ich wäre dumm, wenn nicht. Also nehme ich seine Hand entgegen und er macht mir Platz, um einzusteigen. Innen angekommen, staune ich nicht schlecht. Das ist so krass. Und mit diesem Ding bringt mich Shawn nun tatsächlich nach Hause.

„Becca, wach auf!", meint er auf einmal, doch ich verstehe nicht. „Hä, ich bin doch wach", sage ich. Sieht er das etwa nicht? Er geht allerdings überhaupt nicht darauf ein und wiederholt seine Aufforderung: „Becca, wach auf!"

„Becca, der Bus kann jede Minute kommen. Ich will den Busfahrer nicht fragen müssen, ob er mir hilft, dich aufzuwecken. Das wäre nämlich oberpeinlich, und zwar für uns beide. Jetzt wach endlich auf!"

„Was?", frage ich, als ich aus dem Schlaf hochgeschreckt bin. Ich bin ernsthaft eingeschlafen. Ich wusste doch, dass es ein Traum war. Leider. „Das müsste ich dich fragen", lacht nun Fiona. „Was war mit dir los? Hast du durchgemacht, oder wie? Du warst überhaupt nicht wach zu kriegen." „Nein, habe ich nicht", antworte ich darauf. „Das lag daran, dass ich nicht aufwachen wollte. Ich hatte einen sehr schönen Traum." Dabei grinse ich, was sie auf eine Idee kommen lässt. Nämlich dass sich der Traum um Shawn handeln könnte.

In dem Moment kommt der Bus. Wir finden sogar noch einen Platz für uns beide. Das trifft sich ganz gut, denn so kann ich ihr von meinem Traum erzählen. „Wow, er muss es dir aber ganz schön angetan haben!" Oh ja, Fiona, das kannst du laut sagen.

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Habt ihr auch schonmal von Shawn geträumt? Wenn ja, was ist passiert?😊

One more wish {s.m.}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt