67. Kapitel

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Heute ist der Tag, an dem ich ins Krankenhaus gehe. Der Tag, den ich gerne immer weiter nach hinten verschoben oder ihn gleich verworfen hätte. Doch irgendwann muss ich so oder so dorthin, es macht keinen Unterschied. Jetzt kann ich allerdings noch selbst entscheiden, was mir eindeutig lieber ist.

Da ich vermute, dass die Ärzte die Operation so schnell wie möglich vollziehen wollen und möglicherweise heute schon mit mir darüber diskutieren möchten - wegen der Risiken zum Beispiel, deren ich mir schon bewusst bin -, packe ich mir einen kleinen Koffer, damit ich ein paar Nächte im NewYork-Presbyterian Hospital übernachten kann.

„Du wirst mir echt fehlen", bemerkt Shawn, der auf meinem Bett sitzt und mich beim Durchforsten meines Schrankes betrachtet. Seine Hände liegen auf seinen Knien und seine Haarsträhne fällt ihm wieder einmal ins Gesicht. Bei diesem Anblick und seinen Worten kann ich mich nicht mehr auf meinen Koffer konzentrieren.

Deshalb schmeiße ich das T-Shirt, das ich gerade herausgeholt habe, einfach wieder in den Schrank hinein und laufe zügig zu ihm. In meinem Bett krabbele ich hinter ihn, schlinge kniend meine Arme um ihn und lege meinen Kopf auf seiner Schulter ab. „Du kannst mich doch den ganzen Tag besuchen."

Nun umschließen seine Hände meine. „Ja, aber irgendwann ist die Besucherzeit auch vorbei. Was soll ich dann hier ohne dich machen? Ich werde sicher nicht schlafen können, weil du nicht an meiner Seite liegst. Außerdem bin ich dann das erste Mal alleine mit deiner Mutter im Haus."

Auf Shawn's letzte Aussage hin muss ich lachen. Das klingt ja fast so, als hätte er Angst vor ihr. „Sie kann zwar echt nerven, aber sie hat auch dich in ihr Herz geschlossen. Du brauchst dir also keine Sorgen zu machen", kläre ich deshalb auf. „Und was hast du gemacht, als wir uns noch nicht kannten? Da bin ich auch nicht neben dir gelegen."

„Aber ich wusste auch noch nicht, wie schön es ist, jemanden zu haben. Und nun kann ich mir nicht mehr vorstellen, ohne dich zu sein. Becca, du hast mein Leben verändert, vielleicht hast du sogar mich verändert. Und zwar im positiven Sinne. Ich meine, seit ich dich kenne, habe ich keine Panikattacken mehr. Du tust mir einfach unglaublich gut und ich möchte mein Leben mit dir verbringen. Ich liebe dich."

Schon während seines Vortrags habe ich Tränen in den Augen und versuche verzweifelt, sie zurückzuhalten. Was mir jedoch nicht gelingt, denn bei den drei berühmten Worten kullert mir doch eine herunter - eine Träne des Glücks. Wieder einmal frage ich mich, wie ich ihn verdient habe.

Aber als sich der Braunhaarige aus meinen Fängen befreit, kurz den Raum verlässt und mit einer kleinen Schachtel in der Hand zurückkehrt, wechselt mein Befinden von gerührt zu überrascht und leicht geschockt. „Du machst mir jetzt aber keinen Heiratsantrag, oder? Nicht, dass ich mein Leben nicht mir dir verbringen wollen würde, aber findest du nicht, es ist zu früh?"

Mit einem breiten Grinsen nähert sich mir Shawn. „Nein, das hab ich nicht vor. Zumindest heute nicht." Dann überreicht er mir das schwarze Schächtelchen und führt meine rechte Hand auf den lavendelfarbenen Deckel. „Mach es auf!", fordert er mich auf und lässt schließlich von mir ab.

Ich bin zwar wirklich neugierig, was sich darin befindet, dennoch nehme ich den Deckel sehr verunsichert ab. In Samt gelegt kommt ein Schlüssel hervor. Vollkommen planlos starre ich ihn an und frage mich, ob das ein Anhänger für das Armband ist, das ich schon Ewigkeiten nicht mehr getragen habe.

Doch im nächsten Moment frage ich mich, wie ich nur auf diese Idee gekommen bin. Mein Freund kniet sich nämlich mit einem Bein auf mein Bett, um ungefähr auf meiner Höhe zu sein, und stellt mir die Frage: „Willst du mit mir zusammenziehen?"

Eine Weile sitze ich einfach nur ungläubig da und versuche zu realisieren, dass das gerade wirklich passiert ist. Als meine innere Stimme mir sagt, dass Shawn auf eine Antwort wartet und ich ihm möglicherweise vermitteln könnte, nicht mit ihm wohnen zu wollen, platze ich heraus: „Natürlich will ich das! Keine Frage!"

Schnell schließe ich ihn in eine Umarmung und kann nicht anders, als von einem bis zum anderen Ohr zu grinsen. Auch wenn ich weiß, dass es noch eine Weile dauert, bis wir von hier weg können, und dann nur ein paar Monate zusammen haben, bin ich im Moment überglücklich.

Nachdem ich mich von ihm gelöst habe, drücke ich meine Lippen auf seine. Er erwidert den Kuss sofort, welcher sich in einen sehr leidenschaftlichen entwickelt. Seine Lippen machen mich süchtig, sodass ich am liebsten die ganze Zeit an ihnen hängen würde. Doch irgendwann geht mir die Luft aus und ich lehne meine Stirn atemlos an seine.

"Moment, war das der Grund, warum du gestern nicht herunter gekommen bist, sondern an deinem Handy warst?", möchte ich wissen, als mir die Erinnerung in den Sinn kommt. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, wie ich auf die Idee gekommen bin, immerhin könnte es alles mögliche gewesen sein.

"Ertappt", sagt Shawn im Flüsterton. Ich kann seinen Atem spüren, so nahe sind wir uns. "Meine Entscheidung war schon gefällt, aber ich wollte noch wissen, wie meine Eltern dazu stehen. Und glücklicherweise meinten sie, dass sie sich mega freuen würden, dich so öfters sehen zu können."

"Awww, das ist ja süß", schwärme ich, nachdem ich mich etwas weiter von seinem Gesicht entfernt habe. Doch dann fällt mir etwas ein. "Ich fände es auch ganz toll, aber was wird dann aus meiner Mom? Ja, sie hat mich schon ein paar Tage in ein anderes Land gelassen, aber mich für immer gehen zu lassen, wird ihr sicher schwerfallen."

"Mach dir jetzt mal keine Gedanken darum. Das klären wir später. Wichtig ist, dass du mit mir zusammenziehen willst", meint er und stellt sich dann wieder hin. "Und nun lass uns weiter deinen Koffer packen! Immerhin tut er es nicht von alleine."

"Wäre auch zu schön", gebe ich von mir. Nicht einmal kann mir etwas Gutes passieren. Wobei, eigentlich stimmt das nicht. Ich habe Shawn zufällig nach seinem Konzert getroffen und bin mit ihm zusammen. Und das ist doch etwas Unglaubliches.

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Nach dem letzten Kapitel musste jetzt wieder ein happy Kapitel her! Und wie geht es besser als mit der Frage, ob man zusammenziehen will?🙈

Dann möchte ich euch hier noch für die 10k danken, wobei es ja jetzt schon 10,3 sind. Das ist echt mega krass, ihr seid der Hammer!❤️

One more wish {s.m.}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt