50. Kapitel

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Noch nie in meinem ganzen Leben habe ich mich so sehr beobachtet gefühlt. Klar hatte ich hin und wieder das Gefühl, dass jemand in der Nähe steht und all meine Handlungen begutachtet, aber da habe ich nie wirklich jemanden gesehen. Und jetzt sind es gleich so viele.

Das ist auch das erste Mal, dass ich mich kaum bewegen möchte, weil ich Angst habe, etwas Falsches zu tun. Doch glücklicherweise führt mich Shawn durch die ganze Situation, er bringt mich hier durch. Man kann sich einfach immer auf ihn verlassen.

Natürlich wurde, seit wir die kleine Bühne betreten haben, schon sehr viel getuschelt. Shawn schafft es allerdings, dass alle verstummen, indem er auch nur das Mikrofon zu seinem Mund führt. Er hätte meine Klasse wohl sogar besser im Griff als unser Lehrer.

„Ja, ähm. Hey erst einmal", beginnt er. Ich weiß nicht, ob das mir nur so vorkommt, weil ich mega unsicher bin, aber irgendwie macht es für mich den Eindruck, dass er sich der Sache auch nicht ganz sicher ist. Aber wahrscheinlich liege ich völlig falsch. Er hat alles im Griff.

„Danke, dass ihr alle gekommen seid", fährt der Sänger fort. „Wie ihr seht, habe ich jemanden mitgebracht. Ihr habt es sicher alle schon in den sozialen Medien erfahren, wo ungewollt Bilder von uns beiden aufgetaucht sind. Trotzdem möchte ich sie euch und der ganzen Welt jetzt offiziell vorstellen. Also Leute, das ist Becca, meine feste Freundin."

Dann drückt Shawn mir einen kurzen Kuss auf die Wange, und ich lächele etwas, nachdem ich die ganze Zeit nur regungslos dastand. Die Fans müssen bestimmt gedacht haben, wie ihr Idol so eine wie mich, die beinahe keine Mimik zeigt, lieben kann. Jedoch war das einfach nicht möglich in diesem Moment.

Eigentlich sollte nun Applaus oder Kreischen kommen, doch das tut es nicht. Stattdessen herrscht wieder eine unangenehme Stille. Sie scheinen mich nicht akzeptieren zu wollen. Ich wusste doch schon von Anfang an, dass das keine gute Idee sein würde.

Aber wie so oft habe ich zu früh geurteilt, denn tatsächlich fangen im nächsten Augenblick ein paar Leute an zu klatschen und immer mehr schließen sich an. Dadurch fällt mir ein Stein vom Herzen und ich kann endlich richtig durchatmen.

Darauf legt Shawn einen Arm um mich, sodass wir näher beieinander sind. Im Gegensatz zum Anfang dieses Q&A's fühle ich mich auch wohl dabei und kann es richtig genießen. Und was wirklich seltsam ist; gerade ist es mir ziemlich egal, was die anderen darüber denken.

„Natürlich sind eure Meinungen über unsere Beziehung sehr verschieden, aber ich möchte, dass ihr wisst, dass ich überglücklich mit Becca bin. Ich habe mir schon seit Längerem eine Freundin gewünscht und heute denke ich, dass sie genau das Mädchen ist, das ich gesucht habe. Ich will mich nicht mehr verstecken, sondern unser Glück mit euch teilen. Und wenn ihr es nicht mögt, okay, aber lasst es bitte nicht an Becca aus."

Als ich meinen Blick durch die Menge schleifen lasse, nehme ich verständnisvolles Nicken wahr, worüber ich sehr froh bin. Klar werde ich ab und zu noch Kommentare erhalten, die mich ziemlich herunterziehen werden, jedoch sollte es nicht zu krass werden. Eigentlich darf ich diese Worte nur nicht verinnerlichen. Die Frage ist, ob das so leicht werden wird.

„Ihr könnt nun eure Fragen stellen", macht der Braunhaarige schließlich klar und sofort schnellen alle Hände hoch. Da wir niemals alle Fragen beantworten können, sucht er sich die Mädchen per Zufallsprinzip aus. „Du mit den zwei Zöpfen und blauen Strähnen."

Besagtes Mädchen rastet innerlich aus - das kann ich ihr ansehen, immerhin ging es mir ähnlich, als ich die Benachrichtigung auf Instagram gesehen habe - und holt tief Luft, um ihre Frage nach vorne zu schreien, damit wir sie hören können: „Ich weiß nicht, ob du das mitbekommen hast, Becca, aber über dich kursieren zurzeit Gerüchte im Netz. Ist es wahr, dass du einen Tumor hattest?"

Sofort klappt mir der Mund auf und ich reiße meine Augen weit auf. Woher weiß sie das?! Die einzigen, denen ich diese Sache erzählt habe, sind Shawn und Fiona, und keinem der beiden würde ich es zutrauen, dass sie es an weitere Personen weitergeben. Und meine Mom sowieso nicht.

Ich denke, ich muss nicht erklären, warum ich diese Frage nicht beantworte. Ich will nicht, dass ich gleich solche Schlagzeilen mache. Außerdem ist das eine schwere Zeit in meinem Leben gewesen und das geht die Leute einfach nichts an. Genau so mache ich es dem Publikum deutlich.

Es ist zwar gerade einmal die erste Frage gewesen, aber ich kann nicht länger hier bleiben, ich muss von hier weg. Ich brauche jetzt Zeit zum Nachdenken. Wie sind diese Informationen ins Netz gekommen?

„Tut mir wirklich leid, ich muss gehen", sage ich deshalb und laufe zu der Tür, durch die wir vorhin hereingekommen sind, und trenne mich vorerst von Shawn und seinen Fans.


Etwas mehr als eine halbe Stunde später - ich habe die Zeit alleine im VIP-Bereich verbracht - öffnet sich die Tür und mein Freund tritt ein, worüber ich sehr froh bin.

„Wow, du hast dich nicht verlaufen", merkt er zuerst an und bringt mich somit zum Lachen. Das ist mir komischerweise noch gar nicht aufgefallen. Anscheinend ist mein Gedächtnis besser als ich dachte. „Wie geht's dir?"

„Na ja, wie soll es mir denn schon gehen? Irgendjemand hat von meiner Vergangenheit erfahren und musste es natürlich gleich der ganzen Welt mitteilen", sage ich etwas deprimiert. Wobei etwas ein bisschen untertrieben ist.

„Weißt du, ich hab darüber nachgedacht. Was ist, wenn Kira Summer, diese blöde Kuh aus meiner Klasse, es war? Immerhin hat sie auch das Bild von uns veröffentlicht. Wenn sie es wirklich war, kann ich ihr doch nie wieder unter die Augen treten. Was soll ich dann machen?"

Schnell fasst mich Shawn an meinen Armen und legt seine Stirn an meine. „Hey, mach dir jetzt keine Gedanken darüber. Klar, irgendwann musst du das, aber bitte nicht jetzt. Dir ging es erst gestern so schlecht und ich möchte nur ungern, dass sich das wiederholt. Versuche einfach, diese Gedanken aus deinem Kopf zu verbannen, hab Spaß und genieße den Abend, okay?"

Nachdem ich kurz laut ausatme, sehe ich auf und in seine Augen. „Okay." Darauf schlingt er seine Arme um meine Taille und ich verschränke meine hinter seinem Nacken. So würde ich am liebsten den ganzen restlichen Tag verweilen.

Doch das geht leider nicht, denn er muss ja noch eine gigantische Show abliefern. Und das tut er, sodass ich tatsächlich keinen einzigen Gedanken an meine Probleme verschwende.

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Ich habe es endlich wieder geschafft, ein Kapitel zu schreiben! Gestern während The Voice of Germany habe ich angefangen und ihr könnt euch nicht vorstellen, wie froh ich darüber war. Ich hab es wirklich vermisst und noch dazu ist es mir diesmal echt leicht gefallen, es zu schreiben :'D

Außerdem ist das jetzt das 50. Kapitel! Das finde ich so krass, das hier ist mit Abstand die längste Geschichte, die ich je geschrieben habe, und das Ende ist noch nicht in Sicht. Jedenfalls möchte ich mich bei euch bedanken, dass ihr mich schon so lange begleitet und mich unterstützt. Vielen Dank <3

One more wish {s.m.}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt