42. Kapitel

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Als ich endlich das Wohnzimmer, das direkt in das Esszimmer übergeht, betrete, sehe ich gleich Manuel, Shawn's Vater. Wie ich durch mein ganzes Stalken weiß, kommt er ursprünglich aus Portugal. Keine Ahnung, wie ich jetzt darauf komme, aber irgendwie frage ich mich, ob ich mit meinem Spanisch etwas von seiner Muttersprache verstehen könnte.

Doch im nächsten Moment erinnere ich mich wieder daran, dass ich ihn grüßen sollte, denn der erste Eindruck ist sehr wichtig. Und wenn ich ihn jetzt nicht begrüße, wird dieser wahrscheinlich nicht allzu positiv sein.

„Hallo, Mr. Mendes", sage ich schließlich. Mittlerweile klinge ich wirklich viel selbstbewusster. Es ist eben nur der Anfang. Den muss man schaffen und dann geht alles wie am Schnürchen.

„Ah, du bist dann wohl Becca", meint Shawn's Dad dann und steht vom Sofa auf, um mir die Hand zu reichen. „Karen hat mir eben schon gesagt, dass du und Shawn zu Besuch gekommen seid." Ich nicke.

Im Gegensatz zu seiner Frau bleibt er relativ ruhig und wuschelt seinem Sohn kurz durch die Haare. Da sieht man eben den Unterschied zwischen Mom und Dad.

Nun stehen Shawn's Haare in alle Richtungen ab, weshalb ich etwas lachen muss. Das bedeutet aber nicht, dass ich ihn auslache. Ich finde, dass er so einfach nur zu knuffig aussieht.

Obwohl er in der Gegenwart seiner Familie und mir nicht perfekt aussehen muss - na ja, so kann ich das eigentlich auch nicht sagen, er sieht nämlich immer perfekt aus -, streicht er sich seine Haarpracht wieder zurecht.

„Setz dich doch", sagt Karen an mich gerichtet. „Fühle dich wie zuhause." Darauf lächele ich, und gerade als ich im Begriff bin, am Tisch im Esszimmer Platz zu nehmen, macht der Sänger einen beleidigten Gesichtsausdruck. „Danke, dass du auch so nett zu mir bist, Mom", meint er.

Es dauert einen kleinen Moment, bis ich verstehe, aber dann bricht seine Mutter in Gelächter aus und grinst: „Ach, Shawn. Wie oft muss ich dir das denn noch sagen? Auch wenn du jetzt eine eigene Wohnung hast, bleibt das hier immer dein Zuhause. Du bist hier auch immer willkommen. Das bist du übrigens jetzt ebenfalls, Becca."

Wow, sie kennt mich nicht einmal eine Viertelstunde und sagt mir schon so etwas. Bei manchen Eltern braucht es sogar ein paar Tage, bis man überhaupt Du sagen darf. Im Vergleich dazu habe ich echt Glück.

„Ich sagte doch, dass sie dich mögen werden", flüstert Shawn in mein Ohr. Und da ist wieder diese Gänsehaut. Was ist das? Warum erscheint sie gerade so oft? Irgendwas muss sich doch geändert haben. Jetzt ist allerdings nicht die richtige Zeit, um darüber nachzudenken.

Bevor ich mich nun endgültig hinsetze, frage ich, wo Aaliyah geblieben ist. Manuel entgegnet mir darauf, dass sie in ihrem Zimmer sei. Dazu meint er, dass sie kaum noch bei ihren Eltern ist. Jedoch verstehe ich sie in diesem Punkt sehr gut. Irgendwann werden einem die Eltern zu peinlich oder sonst etwas und man braucht Abstand von ihnen.

„Können wir zu ihr?", erkundige ich mich bei meinem Freund. „Ich möchte sie auch kennenlernen und es endlich hinter mir haben." „Ja klar", antwortet er. „Du musst dich nur darauf gefasst machen, dass sie mich anspringt." Irgendwie kann ich mir das gut vorstellen.

„Okay", sage ich. „Und mach dir keine Sorgen, ich werde schon nicht eifersüchtig. Denke ich zumindest." Aufgrund dessen, dass Aaliyah seine Schwester ist, sollte ich es wohl aushalten. „Bist du dir da sicher?", zwinkert Shawn mir zu und lacht sogleich.

Schließlich machen wir uns über eine Treppe auf den Weg zu ihrem Zimmer. Eigentlich bin ich gar nicht so nervös wie bei ihren Eltern. Immerhin ist sie zwei Jahre jünger als ich. Sie kann nicht so viel ausmachen wie es Shawn's Eltern könnten.

In dem Moment fällt mir auf, dass ich mit meinen sechzehn Jahren genau zwischen den beiden Geschwistern stehe. Na ja, fast, denn in ein paar Tagen wird er bereits zwanzig. Das ist so krass.

Ich weiß gar nicht, ob ich mich freuen oder weinen soll. Ich meine, er wird so schnell erwachsen. Noch dazu sind es dann unterschiedliche Ziffern am Anfang unseres Alters. Aber kurz darauf habe ich ja auch Geburtstag, sodass wir nur ein kleines bisschen mehr als drei Jahre auseinander sind.

Indem Shawn an die Türe klopft, werde ich aus meinen Gedanken geholt. In letzter Zeit bin ich wirklich sehr oft darin vertieft. Früher war ich das immer, um zu tagträumen. Heute mache ich das noch immer, obwohl meine Träume Realität geworden sind.

Sekunden später öffnet das Mädchen die Tür einen Spalt und reißt sie auf, als sie ihren Bruder erblickt. Wie bereits erwartet holt sie Schwung und schmeißt sich in die Arme von Shawn. Und ich schaffe es tatsächlich, nicht eifersüchtig zu werden.

„Und wer ist das?", fragt sie, nachdem sie ihrem Bruder wieder Zugang zur Luft, die er zum Atmen braucht, gegeben hat. Es war klar, dass ich erst einmal zweitrangig bin, aber trotzdem hätte ich mir mehr Interesse vorgestellt.

„Ich bin Becca", stelle ich mich nun schon zum dritten Mal an diesem Tag und innerhalb von zwanzig Minuten vor. Noch immer wirkt sie etwas gelangweilt. Hatte Shawn vorhin doch keinen Scherz gemacht?

„Die Freundin deines Bruders", füge ich hinzu, worauf Aaliyah letztendlich hellhörig wird und ihre Augen weitet. Jetzt habe ich definitiv ihre Aufmerksamkeit.

„Moment, Shawn hat 'ne Freundin?", hakt sie aufgeregt nach. Um dies zu bestätigen, nicke ich mehrmals mit meinem Kopf. Und dann gibt mir der Braunhaarige noch einen kleinen Kuss auf die Wange, was die ganze Sache unterstreicht.

„Krass", gibt Aaliyah nur von sich. Würde ich als Shawn's Schwester erfahren, dass mein Bruder endlich eine Freundin hat, würde ich wahrscheinlich genauso reagieren.

Jedenfalls bleiben wir noch eine Weile in ihrem Zimmer und lernen uns besser kennen. Bis es irgendwann Abend wird und die Stimme von Karen durch die Türe zu hören ist: „Essen!"

„Hoffentlich haben deine Eltern genug da gehabt", meine ich. „Bestimmt", sagt Shawn darauf. „Und wenn nicht, teile ich mit dir. Verhungern wirst du auf jeden Fall nicht. Also, komm!"

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Puh, gerade noch geschafft...

Leute, ihr habt keine Ahnung, wie lange ich daran saß, und dann ist es nicht einmal was besonderes. Aber erst hat mich mein Bruder mit seinen Hausaufgaben aufgehalten und dann wusste ich einfach nie, wie ich was schreiben soll.

Ich hoffe echt, das geht bald wieder besser.

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