35. Kapitel

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Es vergehen zwei Wochen, in denen ich fast täglich etwas mit Fiona unternehme. Durch sie vergesse ich beinahe, wie sehr mir Shawn fehlt. Aber eben nur beinahe. Denn in jeder Minute, die ich nicht mit meiner besten Freundin verbringe, schweifen meine Gedanken zu ihm ab.

Wir haben zwar immer noch ein bisschen Kontakt, indem wir miteinander schreiben, aber erstens kommt das ziemlich selten vor, weil er einiges zu tun hat, und zweitens reicht mir das einfach nicht mehr. Ich will mehr, will mich endlich wieder an seine Brust heran kuscheln und seinem Herzschlag lauschen.

Bis ich das allerdings kann, muss ich mich noch einen Monat gedulden. Zumindest kann ich ihn in zwei Tagen auf den Bildern, die sicher auf seinem Instagram-Profil erscheinen werden, bestaunen, denn dann beginnt seine Tour in Kanada. Eigentlich hatte ich vor, mir Tickets für ein Konzert zu holen, doch diese waren sehr schnell ausverkauft und ich habe leider keines mehr bekommen.

Was meine Mutter angeht, sieht es schon ganz anders aus als vor ein paar Monaten. Sie ist fast wie eine normale Mom und trifft sich immer öfter mit Mark. Dieser übernachtet sogar ab und zu bei uns. Gestern ist Caro, wie er sie inzwischen nennt, zu ihm gegangen und ist bis jetzt nicht mehr aufgetaucht. Sie hat also ziemlich sicher die Nacht bei ihm verbracht.

Folglich sitze ich morgens ganz alleine im Wohnzimmer und höre Musik. Jedoch nicht von - ihr wisst schon, wem. Ich will nicht schon wieder weinen. Jetzt muss ich aber schnell aufhören darüber nachzudenken, sonst passiert es wirklich.

Plötzlich klingelt es an der Haustür. Mom kann es nicht sein, sie würde einen Schlüssel benutzen. Fiona ist es ebenfalls nicht, weil sie mir geschrieben hat, dass sie einen Arzttermin hat. Und diese gewisse Person befindet sich in einem anderen Land. Demnach habe ich echt keine Ahnung, wer da vor der Tür steht.

Ich lege mein Handy auf dem Wohnzimmertisch ab, und auch wenn ich eigentlich keine Lust habe aufzustehen, verlasse ich den gemütlichen Platz auf dem Sofa und schlendere in den Gang. Durch das Glas der Tür ist eindeutig die Silhouette eines Mädchens zu sehen. Ich habe sogar eine Vermutung, wer es sein könnte, aber ich verstehe nicht, was sie hier machen sollte.

Jedenfalls bestätigt sich meine Vermutung. „Kira?", frage ich deshalb. „Was zur Hölle machst du hier? Ich meine, es sind Ferien. Also kannst du schon einmal nicht nach den Hausaufgaben fragen oder so." Das hat sie übrigens schon öfters gemacht, doch ich habe ihr nie meine Lösungen gegeben. Daher hat sie sich immer wie eine beleidigte Leberwurst weggedreht und stampfte weg.

„Glaub mir, ich habe aus meinen Fehlern gelernt. Ich würde nicht einmal während der Schulzeit mehr zu dir gehen, wenn ich meine Hausaufgaben nicht selber machen möchte", meint sie, und ich bin echt erstaunt. Ich hätte nicht gedacht, dass sie jemals lernfähig sein würde.

„Auf jeden Fall wollte ich mir in den Ferien etwas Geld dazu verdienen und da hab ich deine Mutter gefragt, ob ich euch irgendwie im Haushalt helfen kann oder so. Sie hat mir gesagt, dass ich gerne ein paar Zimmer putzen und die Wäsche waschen kann", erklärt sie weiter. Komisch, Mom hat mir gar nichts darüber gesagt. Womöglich hat sie es einfach vergessen, weil sie zu sehr in ihren Gedanken an Mark war.

„Okay, wenn das so ist", sage ich etwas misstrauisch. „Ich hab zwar nichts davon gehört, aber gut. Komm rein." Darauf marschiert Kira nur mit ihrer kleinen Handtasche, in der sich wahrscheinlich ihr Handy, ein Lippenstift und anderes Make-Up befindet, bewaffnet herein. Ich hätte an ihrer Stelle zwar noch etwas Putzzeug mitgenommen, aber okay. Muss ich ihr halt was bereitstellen.

„Bleib du kurz im Wohnzimmer, während ich dir was zum Abstauben, einen Staubsauger und einen Wischmop hole", mache ich ihr klar. Sie nickt, worauf ich mich auf die Suche mache, in der Hoffnung, dass sie sich an das, was ich gesagt habe, hält.

Bei allem, was sie in der Schule bereits getan hat, kann ich ihr nicht mehr hundertprozentig vertrauen. Eigentlich habe ich das noch nie, aber ihr wisst bestimmt, wie ich das meine. Ich fühle mich einfach unwohl, sie alleine irgendwo in meinem Haus zu lassen. Und wie sich herausstellt, ist dieses Unwohlsein gar nicht so unberechtigt.

Als ich nämlich ins Wohnzimmer zurückkehre, stelle ich zunächst fest, dass die Tür geschlossen ist. Und ich bin mir eindeutig sicher, dass ich sie offen gelassen hatte. Und obwohl es kurz dauert, bis ich das ganze Zimmer betrachten kann, weil die Tür mir noch im Weg ist, kriege ich mit, wie sich Kira an meinem Handy zu schaffen macht.

„Hey, was sollte das?", schnauze ich sie an und schnappe mir mein Handy, um es in Sicherheit zu bringen. Sie bleibt hingegen relativ gelassen und scheint sich eine Ausrede zu überlegen. Ich bin ja wirklich gespannt, was sie mir zu sagen hat. Ich wusste, dass man ihr nicht trauen kann.

„Ich wollte nur etwas aufräumen", fängt diese Schlange an, „damit ich nachher beim Abstauben nicht mehr so viel Arbeit habe." Ha, dass ich nicht lache! Vor allem; was bringt es, das Handy dann wieder an genau die selbe Stelle zu legen? Mach dir keine falschen Hoffnungen, Kira, ich durchschaue dich.

„Spare dir deine Ausreden", keife ich sie dann an. „Ach, und du kannst dir eine andere Arbeit suchen. Du bleibst keine weitere Minute mehr in meinem Haus." Schließlich nehme ich sie an ihrem Arm und ziehe sie in den Gang, um sie aus der Haustür herauszubefördern.

„Keine Sorge, ich war sowieso nicht auf euer Geld aus. Eigentlich wollte ich mich als Becca ausgeben und Shawn dazu bringen, mir auch auf Instagram zu folgen. Das hat zwar nicht geklappt, aber dafür habe ich was anderes", ruft sie und verschwindet schnellen Schrittes. Gott, wie ich dieses Mädchen hasse!

Auf der einen Seite bin ich echt übertrieben froh, dass sie endlich weg ist, doch auf der anderen Seite mache ich mir extreme Gedanken. Was wäre passiert, wenn sie Shawn's Nummer wirklich gefunden hätte? Hätte Shawn mir dann die Schuld gegeben, weil ich nicht gut genug aufgepasst hatte? Na ja, glücklicherweise bin ich noch rechtzeitig hereingekommen, sodass sie nicht weiter suchen konnte.

Jedoch beschäftigt mich eine Sache ganz besonders: Was hat sie stattdessen gefunden?

One more wish {s.m.}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt