die Entscheidung

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"Du willst ihm wirklich nichts sagen und jetzt einfach abhauen?", fragte Florian noch einmal nach, bevor er den Motor startete. Immer Sommer würde aufgrund seiner wenigen Einsatzzeiten eine Leihe mit Hansa Rostock ausgehandelt, zu welchem er nun los fuhr, um einerseits seine neue Wohnung zu beziehen und andererseits das erste Training als Hanseat zu vollstrecken. Ich nickte und schaute meinem Bruder noch einmal eindringlich an. Denn je mehr er sagte, ich solle doch lieber hier bleiben, desto mehr glaubte ich ihm auch. Aber das konnte nicht sein. Ich hatte es schon zum einen Teil durch gezogen und konnte den Plan jetzt nicht einfach abbrechen. Ich wusste zwar, dass er falsch war.. sehr falsch, trotzdem wollte ich lieber von selbst gehen, anstatt Kai in einem Streit zu verlieren. Besser in Frieden, anstatt mit Streit, wobei ich womöglich noch unser Kind verlieren könnte. Einen Monat hatte ich noch, welcher gefährlich für das kleine werden könnte, umso mehr wollte ich weg von hier. Weg von dem Stress, weg von meinen neuen Freunden, weg von meiner großen Liebe. Ich wusste einfach, dass es für uns beide das beste war. Er konnte sich komplett auf seine Karriere konzentrieren und ich mich halt um das noch ungeborene Kind. Ob ich ihm jemals etwas davon erzähle steht noch in den Sternen.. denn dazu müsste ich ihn erst einmal wiedersehen, was ich aber um jeden Preis vermeiden will.

Das Klingeln des Handys von Flo, riss mich aus meinen Gedanken. Da er gerade Auto fuhr, griff ich es und schaute, wer ihn versuchte zu erreichen. Als der Name meines.. Ex-Freundes, kann man das schon so sagen? Darauf zu lesen war, erstarrte ich für einen kurzen Moment, würde aber direkt wieder aus der Trance gerissen, als mein Bruder einfach sein Handy aus meiner Hand riss und Ran ging. "Ja, was gibt's?.. Wie weg?.. Nein, bei mir ist sie nicht.. Mach das! Ich meld mich, wenn ich was von ihr höre!", und schon legte er wieder auf, würdigte mich aber keinen Blickes.
"Wir haben bis heute Abend Zeit. Bis dahin muss ich ihm eine glaubwürdige Nachricht geben, damit er nicht noch die Polizei alarmiert.", sprach er deutlich angespannt. Ich merkte, dass er mit meiner Entscheidung nicht zufrieden war, aber er wusste, dass er mich nicht davon abbringen konnte. Was ich einmal angefangen habe, höre ich ungern auf. Mit einem erneuten nicken gab ich ihm zur Kenntnis es verstanden zu haben und lehnte mich anschließend an die Sitzlehne. Mittlerweile hatten wir beide, Florian und ich, so gut, wie gar keine Angst mehr Auto zu fahren. Auch längere Fahrten steckten wir locker weg, was wir ohne die Therapie sicherlich niemals geschafft hätten. Erneut schweifen meine Gedanken zu meinem Freund.. ehhh.. ex. Wie er mir damals bei allem geholfen hat, egal, wie unausstehlich ich zu manchen Zeitpunkten war. Er war immer da für mich, ich konnte ihn um 3 Uhr nachts anrufen und er wäre dran gegangen und stände auch schon 4 Uhr vor meiner Haustüre. Ich wusste, dass ich ihn liebe, verdammt nochmal mehr liebe, als ich es je für einen Menschen empfunden habe, aber ich wusste auch, dass diese Entscheidung, welche ich nun getroffen habe, das beste für uns beide war.

- Herbst 2019 -

"Flooooo? Kannst du mich auf dem Weg zum Training beim Arzt absetzten?", fragte ich zuckerlieb meinen großen Bruder, welcher sofort besorgt angelaufen kam: "Wieso? Stimmt irgendwas nicht? Geht's dir nicht gut?". Ja, er war verdammt überfürsorglich, seitdem ich ihm von meiner Schwangerschaft erzählt hatte und wir an die Ostsee gezogen war. Besonders als sich bereits eine kleine Kugel gebildet hatte, fragte er mich bei jedem kleinen bisschen, ob es mir denn auch wirklich gut Gänge. "Ja", lachte ich, "bloß eine Vorsorge-Untersuchung ob es dem kleinen hier drin gut geht", ich deutete auf meine kleine Wölbung, woraufhin sich direkt ein Grinsen in das Gesicht meines Bruders schlich.

Nachdem er Kai irgendwie verklickern konnte, dass ich wohl einfach eine Auszeit brauchte, mich, wenn dann selbst bei ihm melden würde und dass er sich keine Sorgen machen brauch, hatte er auch meine Entscheidung akzeptiert. Das Leben in Rostock war eigentlich nicht viel anders, als die Jahre zuvor. Außer, dass ich nun nicht mehr zur Schule musste, jedoch auch keine Ausbildung oder ein Studium anfangen konnte, aufgrund meiner Schwangerschaft. Natürlich könnten jetzt ein paar kluge Köpfe sagen, dass ich sehr wohl studieren könne, jedoch würden Florian und ich das niemals unter einen Hut bekommen. Er mit dem Fußball, ich mit dem Studium und dazu noch ein Kind. Nein, danke! Zwar möchte ich mich ungern auf seinem Geld ausruhen, jedoch lässt er mir auch keine Chance dazu, dass ich Mal etwas von meinem Ersparten bezahlen konnte.

"Und? Wie geht's dem kleinen da drin?", fragte er direkt, als er die Wohnung betrat, zu mir ins Wohnzimmer kam und sich neben mich auf die Couch schmiss. "Du musst jetzt in der Mehrzahl reden", sagte ich lediglich und konzentrierte mich weiterhin auf die Serie, welche gerade im Fernsehen verlief. Im Augenwinkel konnte ich Florians verwirrten Gesichtsausdruck trotzdem wahr nehmen. "Wie jetzt?", fragte er, was mich schmunzeln ließ. Ich stand auf, suchte schnell nach dem heutigen Ultraschall Bild und drückte es ihm anschließend in die Hand. Mehrere Minuten sah er, wie gebannt, auf das kleine Bild. "Soll ich dir erklären, was dort zu sehen ist, oder erkennst du es selbst?", fragte ich lieber nochmal nach. Kann ja sein, dass er dieses für mich schon eindeutige Bild, nicht erkannte. "du.. 2?", ungläubig sah er mich an, lächelte dann aber. "Ich werde 2-facher Onkel". Nun war ich diejenige, die Lachen musste. Ich wusste, wie sehr er sich darauf freute, Onkel zu werden. Andauern zählte er Dinge auf, die er dann mit seiner Nichte oder seinem Neffen machen könnte, wobei ich mir dachte, dass diese eh die ersten Jahre noch zu nix von dem aufgezählten fähig sein werden.
Lächelnd zog er mich in seine Arme, wobei ich mich sofort an ihn kuschelte. Seit dem Umzug und dem Tod unsrer Eltern ist unsre Geschwister-Bindung noch stärker geworden, als sie eh schon war. Wir vertrauen uns blind und können schon fast dem anderen wünsche aus dem Gesicht ablesen, welche der andere noch nicht einmal ausgesprochen hat. "Ich freu mich so", nuschelte mein großer Bruder gegen meine Haare, wobei ich deutlich daß Lächeln auf seinen Lippen ausmachen konnte. "Ich mich auch..", flüsterte ich leise, da ich mich tatsächlich freute. Zwar war die Tatsache, dass ich die Kinder ohne ihre Vater großziehen musste, nicht gerade optimal. Aber ich habe immernoch meinen Bruder, der fast so etwas, wie der Vater sein wird.






- Gegenwart -

"...du wirst meine Entscheidung höchstwahrscheinlich nicht nachvollziehen können, aber ich bin immer noch fest der Meinung, dass es für uns beide das richtige war. Ich wusste von Anfang an, dass ich dir irgendwann Mal etwas von ihnen sagen musste, aber dachte halt immer, dass dies noch Zeit hätte. Nun ist die Zeit halt gekommen. Und falls du jetzt von mir erwartest, dass ich mich entschuldige, kannst du dies dir gleich abschminken, da ich, wie bereits gesagt, immernoch voll und ganz hinter meiner Entscheidung stehe..", damit beende ich meine kleine Geschichte, welche ich meinen Gegenüber vorgetragen hatte und sah wieder auf meine Hände. Viel zu Groß war die Angst, in seine Augen zu sehen. Angst vor den Emotionen, welche ich aus ihnen hätte nehmen können.. Angst, Wut, Enttäuschung.. Ich hätte ihn voll und ganz verstanden, wenn er nun wütend auf mich gewesen wäre, jedoch blieb die unangenehme Stille zwischen uns, was mich dazu veranlasste, wieder aufzustehen. Kurz bevor ich wieder zu meinem vorherigen Platz an Niks Bett ging, hielt mich etwas am Handgelenk fest. Unsicher drehte ich mich zu ihm und sah ihm das erste Mal, seit meiner 'Beichte ins Gesicht'. Es war nichts zu sehen. Vollkommene Emotionslosigkeit. Keine Wut, keine Angst, keine Enttäuschung.. aber auch nichts vom Glück. Ich wusste, dass er dieses Pokerface sehr gut, realistisch rüberkommen lassen konne, weshalb ich auch annahm, dass dies ebenfalls nur eines der gespielten Pokerfaces war, um seine wahre emotionale Gefühlslage zu unterdrücken..
Gerade als er ansetzten wollte, zum Reden, schloss er seinen Mund wieder, wie als würde er seine Worte nochmal überdenken, bis er kurze Zeit später seinen Mund erneut öffnete: "...










Wie wird Kai wohl auf ihre Entscheidung reagieren? Was glaubt ihr?
Ich würde mich echt Mal über Feedback freuen, haha🤷🏻‍♀️
Muss zwar nicht sein, wäre aber sehr lieb!😇

"Von einem auf den anderen Tag" | Kai Havertz FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt