Annabeth
Von einem Moment auf den anderen war er still. Kurz zuvor hatte er sich noch vor Schmerzen umhergeworfen, hatte geschrien, doch dann hatte das alles aufgehört. Die herzzerreißenden Laute, die er ausgestoßen hatte, waren verschwunden, die Stille, die nun herrschte, war jedoch noch furchteinflößender.
Annabeth spürte, wie Panik in ihr hochkroch, entsetzt stand sie auf und baute sich vor Apollon auf.
„Was ist mit ihm? Was geschieht gerade? Warum ist er plötzlich so still?", platzte sie heraus. „Was hast du getan?", ihre Augen waren wie weit aufgerissen, ihr Blick wild. „Mach' es rückgängig!"
Annabeths Hände zitterten unkontrolliert, es war, als würde sie sich mitten in einem Albtraum befinden. Noch nie hatte sie gesehen, wie Percy so still dalag, dabei hatte sie ihn in ihrem gemeinsamen Zimmer in Neu-Rom schon oft schlafen gesehen. Sein jetziger Zustand war einfach nur widernatürlich. Auch, wenn sie es sich nicht eingestehen wollte, es jagte ihr eine Heidenangst ein, sie fühlte sich mehr als nur hilflos.
Langsam öffnete Apollon die Augen, als würde er aus einer Art Trance erwachen. Sein Blick war wirr, seine Iriden glühten golden. Die Augen des Gottes fixierten sie fragend, doch dann schien er sie zu erkennen.
„Nein.", erwiderte er.
„Was heißt das? Hol' ihn zurück!", verlangte sie aufgebracht und verschränkte ihre Arme. „Das kann doch nicht richtig sein! Warum ist er so still? Ist er-...?", die Panik schnürte ihre die Luft ab, sie spürte, wie ihre Knie unter ihr nachgaben. Annabeth weigerte sich, das zu denken, aber-...
„Annabeth!", Apollon packte sie an ihrem Arm, bevor sie zusammensacken konnte. „Schau hin! Sieh' ihn dir an! Er atmet, kannst du das sehen?"
Sie wollte ihn nicht anschauen, vor Angst, mit dem, was sie entdecken würde, nicht klar kommen zu können, doch letztendlich tat sie es doch. Seine Augen waren geschlossen, dieses wunderschöne Grün war nicht zu sehen, seine Haare standen wirr von seinem Kopf ab, doch sein Gesicht war entspannt, nicht verzerrt vor Schmerzen, wie noch eine halbe Minute zuvor. Und als sie auf seinen Oberkörper sah, bemerkte sie, dass er atmete.
Augenblicklich breitete sich Erleichterung in ihr aus, Tränen stiegen ihr in die Augen und flossen über ihre Wangen. Annabeth machte sich mit zitternden Händen von Apollon los, dann ging sie vorsichtig und mit vor Schreck noch immer wackeligen Knien zwei Schritte zu Percys Bett zurück. Langsam ließ sie sich auf die Knie sinken, dann nahm sie vorsichtig seine Hand, die ruhig und bewegungslos neben seinem Körper lag. Sie war warm, zusammen mit dem Atem war sie der unwiderrufliche Beweis, dass er lebte, dass ihr Algenhirn noch immer unter ihnen weilte. Nur in einer anderen Zeit.
Schon wieder fingen ihre Augen an zu brennen, doch diesmal nicht vor Erleichterung. Es war vielmehr, als wäre sie aus einem Albtraum aufgewacht, nur um festzustellen, dass das Erwachen nicht viel besser war. Nun war es endgültig, Percys Geist war fort und es war ungewiss, wann und ob er zurückkehren würde. Dieser Gedanke setzte ihr womöglich am meisten zu.
Aber trotz dem Bedürfnis, sich ihren Gefühlen einfach hinzugeben, blieb sie still. Es kam ihr ohnehin schon schwach vor, innerhalb von wenigen Tagen zweimal die Beherrschung zu verlieren. Zuerst dieses Gespräch mit Percy am Long Island Sound, direkt nach dem Götterrat und der alles verändernden Nachricht und nun heute. Normalerweise war sie doch immer die, die in schwierigen Lagen klar und logisch denken konnte, sie war die Person, auf die sich alle im Camp verließen, wenn es brenzlig wurde. Annabeth war eine Tochter der Athene und ein Kind der Göttin der Weisheit ließ sich nicht so einfach von irgendwelchen Gefühlen unterkriegen und beeinflussen.
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Die Macht der Meere
FanfictionPercy und Annabeth gehen in Neu-Rom aufs College, die Halbgötter können in Frieden leben, mit jedem Tag verbessern sich die Beziehungen zwischen den Camps. Alles hätte so schön sein können. Doch dann erhebt sich Pontos, der Ur-Gott aller Meere- und...