KAPITEL XLIV

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Percy

Ein Bild blitzte vor Percys Augen auf. Er und Annabeth, wie sie nach dem Sieg gegen Kronos am Ende des Sommers den Halb-Blood-Hill nach unten rannten, um in die Stadt zu gelangen. Dort, wo sich in der Zukunft die Straße befand, war jetzt nicht als Tod und Zerstörung.
Percy holte noch ein letztes Mal tief Luft. Dann stürzte er sich zusammen mit Scott, Seite an Seite, in die Schlacht.

Sie waren schneller am Fuße des Hügels angekommen, als er zuerst angenommen hatte. Vielleicht war er aber auch nur viel schneller, als gedacht. Doch das spielte ohnehin keine Rolle. Nicht mehr. Jetzt zählte nur noch das hier und jetzt, die Schlacht, das Überleben. Seine Reflexe setzten ein, er wollte zwar seine Kräfte nicht einsetzen, doch zumindest beim Schwertkampf hielt er sich nicht zurück. Für diese Fähigkeit konnte er notfalls bestimmt eine Erklärung finden- gemeinsam mit Scott.

Im Getümmel der Schlacht hatte er seinen Halbbruder bereits verloren, doch viel Zeit zum Sorgen machen blieb ihm nicht. Überall waren Feinde. Es war nicht so, dass irgendwer es speziell auf ihn abgesehen hatte, es war eher ein allgemeines Hauen und Stechen, bis jemand tot am Boden lag. Der Gegner, der einem zufällig ins Blickfeld lief, musste daran glauben.

Percy gab sich alle Mühe, keinen der Römer tödlich zu verletzen. Aber er wusste, dass in einer Schlacht von diesem Ausmaß jeder, der am Boden lag, die Gefahr lief, zu sterben. Und war es, indem ein Gegner die Hilflosigkeit ausnutzte, oder irgendetwas anderes. Am Ende lief es doch auf das Gleiche hinaus. Man war tot.

Percy wirbelte umher, stach und schlug um sich. Er wusste, dass jeder einzelne Schwerthieb tödlich sein konnte und dass die rote Flüssigkeit, die bereits an der Klinge klebte, keinesfalls Monsterschleim war. Nein, es war Blut. Das Blut von Halbgöttern. Er verdrängte diesen Gedanken so gut es ging.

Er hatte das Gefühl, eine Schneise der Verwüstung hinter sich herzuziehen. Er kämpfte mit seiner ganzen Kraft, aber ohne seine göttlichen Gaben einzusetzen, damit er nicht mehr Aufmerksamkeit auf sich zog, als ohnehin schon. Andererseits: Würde es irgendjemand wirklich bemerken, wenn er seine Kräfte doch benutzte? Mit etwas Glück würden die anderen denken, dass es Bethany gewesen war, die einen Wirbelsturm heraufbeschworen hatte und vielleicht würde eine solche Aktion im Chaos der Schlacht auch sowieso wieder untergehen.

So schnell ihm dieser Gedanke gekommen war, so schnell verwarf er die Idee auch wieder. Nein, er würde das nicht tun, nur im äußersten Notfall. Vorhin beim Kampf im Wald hatte er sich und seine Aufgabe vergessen, das würde nicht noch einmal passieren. Er musste sich so gut es ging bedeckt halten.

Schnell wich er einem Angreifer aus, der daraufhin an ihm vorbeistolperte. Percy verpasste ihm einen Tritt gegen den Rücken und sah gerade noch aus dem Augenwinkel, wie er zu Boden ging. Blitzschnell wirbelte er wieder herum und fing eine andere Klinge ab, parierte, griff an- und ging zum nächsten Gegner über. Er kämpfte und kämpfte und kämpfte und dennoch wollten die Angreifer einfach nicht weniger werden. Stattdessen schienen es immer mehr zu werden.

Percy kämpfte zwar und schaffte es, viel seiner Gegner in die Flucht zu schlagen, doch auch er blieb nicht unverletzt. Einmal spürte er, wie etwas gegen sein Bein schlug, eine scharfe Klinge zerriss seine Leinenhose und schnitt tief in die darunterliegende Haut. Die Wucht des Schlages ließ ihn fast zu Boden gehen, doch er blieb stehen. Ein Andermal konnte er sich gerade so noch unter einem Hieb wegducken, der ihm vermutlich den Kopf vom Körper getrennt hätte, wenn er nicht so schnell gewesen wäre. Stattdessen streifte die Klinge nur seine Wange und hinterließ dort einen tiefen Schnitt, Percy schmeckte den metallischen Geschmack von Blut ins einem Mund.

Aber er hielt stand. Er kämpfte und schlug immer weiter um sich, er unterdrückte jeglichen Wunsch, damit aufzuhören. Er war erschöpfter als jemals zuvor, aber verschwendete in diesem Moment keinen Gedanken mehr daran. Wenn Percy jetzt zusammenbrach, dann wäre er tot- und mit ihm jede Aussicht auf Erfolg im Kampf gegen Pontos verloren. Also durfte er nicht zusammenbrechen. Er musste weiterkämpfen. Er unterdrückte jegliche Anzeichen der Erschöpfung, ignorierte seine brennenden Arme und schwang sein Schwert in einem gefährlichen Lichtbogen. Er wünschte sich Springflut herbei, denn obwohl das Schwert gut austariert war, so war Anaklysmos für ihn wie eine natürliche Verlängerung seines Armes. Mit ihm hatte er den Krieg gegen Kronos und Gaia und sogar den Tartarus überlebt. Er hatte das Gefühl, dass er mit dem richtigen Schwert alles schaffen konnte. Leider musste er sich mit dem zufriedengeben, was er hatte.

Die Macht der MeereWo Geschichten leben. Entdecke jetzt