Annabeth
Es war der 18. August. Annabeth war mit ihren Nerven vollkommen am Ende.
Den ganzen Tag über hatte sie die Blicke der Anderen auf sich gespürt, besorgt und mitleidig. Jeder im Camp wusste, dass es Percys Geburtstag war. Und es war außerdem Percy und Annabeths dritter Jahrestag. Das Datum war allen, die schon länger im Camp waren, ins Gedächtnis eingebrannt, denn für die meisten war es der Tag, an dem Kronos besiegt wurde und die erste große Weissagung in Erfüllung ging. Für Annabeth und Percy jedoch hatte er eine komplett andere und schönere Bedeutung.
Sie hatte versucht, nicht daran zu denken, doch jedes Mal, wenn sie nicht von Verzweiflung erfüllt war, kamen die Gedanken an Percy zurück. Sie konnte nichts dagegen machen und all die gut gemeinten Versuche, sie irgendwie abzulenken, scheiterten kläglich- und machten das alles fast noch schlimmer.
Gegen Mittag hatte sie also beschlossen, dass es sowieso keinen Sinn machte. Annabeth war gerade dabei gewesen, mit ihrem Bruder Malcolm Pace Schlachtpläne zu entwerfen, doch die ganze Zeit musste Malcolm sie auf ihre Fehler hinweisen und verbessern. Daraufhin entschuldigte sie sich und flüchtete sich in Hütte 3, wo sie nun seit geschlagenen drei Stunden an Percys Seite saß und seine Hand hielt. Sie war kalt und die Haut durscheinend, Annabeth konnte genau erkennen, wo sich eine Ader befand. Sein Anblick erfüllte sie mit Angst. Er sah so schwach aus, als könnte er jeden Moment einfach für immer aus ihrem Leben verschwinden. Davor fürchtete sich Annabeth mehr, als vor irgendetwas anderem.
Sie wünschte sich wieder nach Neu-Rom zurück. Sie wollte wieder die Monate dort erleben, als sie noch Hoffnung hatte. Damals dachte sie, dass sie tatsächlich nicht mehr kämpfen musste, dass sie ihr Leben gemeinsam mit Percy einfach nur genießen konnte. Wie sehr hatte sie sich geirrt.
Es klirrte leise, als Kayla eine der Phiolen, die auf dem großen Tisch neben Percys Bett standen, zurückstellte. Die Tochter des Apollon hatte vor wenigen Minuten ihren Bruder Austin Lake im Dienst abgelöst. Nun kümmerte sie sich um Percy. Annabeth wusste jedoch, dass sie eigentlich nichts mehr ausrichten konnte. Sie konnte nicht verhindern, dass er verblasste. Niemand konnte das, wenn man Lisas Worten Glauben schenken wollte.
Vier Tage war es nun schon her, dass die Jägerinnen der Artemis im Camp angekommen waren. In der Zeit, in der sie nicht über sich selbst und Percy nachgedacht hatte, hatte sie über Scott und Lisa nachgegrübelt. Die Geschichte der Beiden hatte ihr fast das Herz gebrochen, es machte sie unglaublich traurig. Vor allem, als sie gesehen hatte, wie sehr ihre Halbschwester noch immer darunter litt.
Annabeth fragte sich, ob Percy Scott kennengelernt hatte. Bestimmt, immerhin wohnte er mit diesen Leuten in der Vergangenheit zusammen. Aber hatte er sie auch ins Herz geschlossen? Bedeuteten sie ihm so viel, wie es seine Freunde und Familie in der Gegenwart taten? Trauerte er vielleicht sogar gerade um seinen Halbbruder?
Annabeth hoffte sehr, dass das nicht der Fall war. Aber gleichzeitig sagte ihr auch eine leise Stimme in ihrem Kopf, dass er sich mit den Kindern des Poseidons angefreundet haben musste. Das lag einfach in seiner Natur, auch, wenn er wusste, dass er später darunter leiden würde. Er war seinen Freunden einfach zu treu.
Bei dem Gedanken, dass er das alles alleine durchstehen musste, zog sich ihr Herz schmerzhaft zusammen. Sie war zwar hier und stand ihm bei, doch das wusste er nicht.
„Ich wünschte, ich könnte dir irgendwie helfen.", flüsterte Annabeth leise und streichelte mit ihrem Daumen sanft über den Handrücken.
Neben ihr sah Kayla auf. „Hast du etwas gesagt?", wollte die blonde Halbgöttin wissen.
Annabeth besuchte Percy am liebsten, wenn die Tochter des Apollon Dienst hatte. Die meisten Anderen versuchten in irgendeiner Weise, sie in ein Gespräch zu verwickeln, oder ihr Hoffnung zuzusprechen. Keine von beiden Möglichkeiten war besonders hilfreich. Kayla war zum Glück nicht so. Sie sagte die Wahrheit, beschönigte nichts und ließ Annabeth größtenteils in Ruhe. Vielleicht, weil sie ohnehin wusste, dass nichts, was sie sagte oder tat, die Situation verbessern konnte.
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Die Macht der Meere
FanfictionPercy und Annabeth gehen in Neu-Rom aufs College, die Halbgötter können in Frieden leben, mit jedem Tag verbessern sich die Beziehungen zwischen den Camps. Alles hätte so schön sein können. Doch dann erhebt sich Pontos, der Ur-Gott aller Meere- und...