Percy
Es war dunkel.
Im ersten Augenblick war Percy von einer durchdringenden, düsteren, stickigen Dunkelheit umgeben, die ihm das Gefühl gab, als würde langsam jegliche Luft aus seinen Lungen gedrückt werden. Dann, als er sich fragte, wo er war, wurde es heller vor ihm, als würde von irgendwoher nun das Licht eines Feuers zu ihm strömen. Es wurde immer mehr und immer heller, aber das Licht war ganz anders, als das des Lagerfeuers in Camp Half-Blood. Dieses Licht hier war orange-rot, eine aggressive Farbe, ein Ton, der das Böse verkörperte.
Jetzt konnte Percy mehr von seiner Umgebung erkennen. Eine kahle Landschaft, überall schwarze, spitze Felsen, über ihm Dunkelheit. Ab und zu loderte eine kleine Flamme auf dem steinigen Boden, Rauch- und Nebelschwaden waberten durch die Luft.
Jedes Mal, wenn er ein und ausatmete spürte er, wie sich seine Lungenflügel verkrampften, stechender Schmerz fuhr durch seinen Körper. Die Luft war giftig, sie schwächte ihn, aber dennoch musste er sie immer wieder einsaugen, sonst würde er sofort sterben.
Er war im Tartarus.
Seine Augen waren weit aufgerissen, Entsetzen machte sich in ihm breit. Seine Atmung beschleunigte sich, hektisch hob und senkte sich sein Brustkorb. Wie kam er hier her?
Er drehte sich einmal um die eigene Achse, sein Blick huschte schnell hin und her. Die Luft setzte ihm zu, fast wäre er auf die Knie gesunken. Aber dann entdeckte er sie.
„ANNABETH!", brüllte er. Sie stand ungefähr zwanzig Meter von ihm entfernt. Ihre Hände waren nach vorne ausgestreckt, suchend tapste sie umher, nun stolperte sie über einen Stein.
Percy musste an die Begegnung mit den Arai denken, als Annabeth blind und verloren gewesen war, um den Schmerz von Calypso nachzuempfinden. Er hatte diesen Gedanken noch nicht einmal zu Ende gedacht, da rannte er schon. Je näher er kam, desto genauer konnte er den Abgrund sehen, der sich ein paar Meter hinter der Tochter der Athene befand.
„Annabeth!", erneut schrie er. Glücklicherweise hörte sie ihn, nur leider drehte sie sich auf der Suche nach dem Ursprung seiner Stimme in Richtung des Abgrundes.
„Percy? Bist du da?", ihre Stimme klang dünn und verlor sich in der dicken Luft des Tartarus. „Wo bist du?", sie machte einen weiteren Schritt zum Abgrund.
„Bleib stehen, Annabeth! Bleib, wo du bist!", brüllte er zurück. Noch zehn Meter trennten ihn von ihr. „Ich bin gleich bei dir."
Die Sekunden schienen sich ewig zu ziehen, es war, als würde sich die Luft um ihn herum zu verdicken und ihn zu verlangsamen. Das Entsetzen in ihm verstärkte sich, breitete sich aus. Mit aller seiner Kraft rannte er weiter, immer schneller und dann war er bei Annabeth und packte ihren Arm, bevor sie sich noch weiter der Schlucht näherte.
Er spürte, wie sie unter seiner Berührung zusammenzuckte und sich losmachen wollte. Er hielt sie fester und zog sie in seine Arme. Ihre Augen waren komplett weiß. Sie war blind.
„Ich bin es. Alles ist gut, Annie.", flüsterte er und vergrubt seine Nase in ihren Haaren. Zitternd, aber doch voller Erleichterung holte er Luft und drückte sie an sich. Er konnte regelrecht fühlen, wie sie sich in seiner Umarmung entspannte, obwohl sie sich an diesem Ort befanden.
„Ich dachte, ich hätte dich verloren.", murmelte sie an seiner Brust. „Du warst weg."
Bei diesen Worten stiegen Percy die Tränen in die Augen. Nicht die Hitze des Tartarus, oder die giftige Luft machten ihm zu schaffen, sondern diese Worte ließen fast sein Herz brechen.
„Ich werde dich niemals alleine lassen. Das verspreche ich dir.", gab er zurück.
Im gleichen Moment spürte er, wie die Luft um ihn herum kälter wurde. Nur ein klein wenig, aber dennoch spürbar. Natürlich machte das bei der herrschenden Hitze nichts, aber es war noch etwas anderes.
Die Umgebung wurde noch feindseliger. Es war, als hätte eine böse Macht entdeckt, dass er und Annabeth sich dort befanden und als würde diese nun all ihre Kräfte darauf verwenden, ihnen die Lebensenergie auszusaugen. Trotz der noch immer unerträglichen Wärme stellten sich die Härchen auf Percys Armen auf, eine Gänsehaut überzog seinen kompletten Körper. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken.
Annabeth ging ein wenig auf Distanz. „Percy, spürst du das a-...?", setzte sie an.
Zwanzig Meter vor ihnen zogen nun tiefschwarze Nebelschwaden auf. Sie waren so dunkel, dass sie fast violett wirkten. Percy zitterte. Er warf Annabeth einen schnellen Blick zu und sah, dass ihre Augen noch immer weiß waren. Also konnte sie den Nebel nicht sehen.
„Ja. Ich spüre es.", er versuchte, die Angst aus seiner Stimme herauszuhalten. Seine Knie wurden weich, als sich der Nebel verdichtete und nun sie nun von allen Seiten umschloss. Letztendlich standen sie in einem Kreis mit dreißig Metern Durchmesser, der noch frei war vom Nebel.
Percys Augen weiteten sich, er wusste, dass es nur eine Erklärung für dieses unbeschreiblich mächtige und furchteinflößende Gefühl gab. Es war, als wäre sein schlimmster Albtraum zum Leben erwacht.
Aus dem Nebel tauchte eine riesenhafte Gestalt auf. Sie trug eine dunkel schimmernde Rüstung, tiefviolett glänzte sie im dämmrigen Licht. Die Luft um die Gestalt herum schien vor Macht zu vibrieren und flimmerte. Das Schlimmste an der ganzen Erscheinung war jedoch der Kopf. Es war nur ein Helm zu sehen, anstelle eines Gesicht war dort nur ein Strudel aus schwarzer Kraft zu sehen, der alles, was an Percy und Annabeth noch gut war, aussaugte.
Tartarus.
Percys Gesicht war verzerrt, seine Augen weit aufgerissen, aber er drückte Annabeth noch fester an sich.
„PERCY JACKSON, ANNABETH CHASE.", seine Stimme klang wie Millionen von gequälten Stimmen, die gleichzeitig schrien. „ICH HABE AUF EUCH GEWARTET."
Er zitterte, seine Hände waren inzwischen eiskalt. Springflut war in Kugelschreiberform in seiner Hosentasche, doch er dachte gar nicht daran, das Schwert zu ziehen. Gegen einen Gegner wie Tartarus hatte er sowieso keine Chance. Stattdessen nahm er Annabeths Kopf in seine Hände und küsste sie stürmisch.
„Ich lasse nicht zu, dass er dich in seine Hände bekommt. Ich werde nicht zulassen, dass er dir wehtut.", flüsterte er. Seine Stimme war rau, seine Kehle trocken. Er versuchte zu schlucken, ohne Erfolg.
„WER HAT DENN DAVON GEREDET, DASS ICH IHR WEHTUN WERDE?", ertönte plötzlich wieder Tartarus Stimme. Percys Eingeweide verdrehten sich, panisch schnappte er nach Luft. Im gleichen Moment ging Annabeth mit einem kleinen Seufzen zu Boden. Wie in Zeitlupe kam sie auf dem Boden auf. Percys Mund öffnete sich. Zuerst konnte er nicht verarbeiten, was er dort sah.
Annabeth lag auf dem steinigen, kargen Boden, ihre weißen blinden Augen waren starr und leblos. Ihre Haut war grau, sie bewegte sich nicht. Und auf ihrem grauen T-Shirt breitete sich das Blut immer weiter aus. Es strömte aus einer Stichwunde knapp unterhalb ihres rechten Rippenbogens.
„NEIN!", mit einem Aufschrei sank er auf die Knie und drückte seine Hände auf die Wunde. „Nein, Annabeth, bleib bei mir! Bitte!", flüsterte er. Doch anstatt sich irgendwie zu rühren, blieb sie still. Immer mehr Blut strömte aus der Wunde.
„NEIN!", diesmal brüllte er. Er ließ seiner Wut freien Lauf, den Schmerz, die Trauer, die Verzweiflung, das alles ließ er in einem einzigen markerschütternden Schrei nach draußen. Zitternd nahm er die Hände von ihrem leblosen Körper. „Was hat er getan?"
„WAS ICH GETAN HABE?", Tartarus' Stimme ließ etwas in Percy zerbrechen. „DAS WARST DU!"Der Urgott sah nach unten auf seine Hände. Percy folgte seinem Blick. Sie waren voller Blut, Annabeths Blut.
Mit der Rechten umklammerte er einen nassen, roten Dolch.
Es tut mir echt leid, dass es so lange gedauert hat, ich bin einfach nicht dazu gekommen, dieses Kapitel hochzuladen :/
Ich hoffe, es hat euch trotzdem gefallen!
lg Sharon
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Die Macht der Meere
FanfictiePercy und Annabeth gehen in Neu-Rom aufs College, die Halbgötter können in Frieden leben, mit jedem Tag verbessern sich die Beziehungen zwischen den Camps. Alles hätte so schön sein können. Doch dann erhebt sich Pontos, der Ur-Gott aller Meere- und...