KAPITEL XX

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Percy 

Mit einem Schrei fuhr Percy nach oben. Das gellende Geräusch, das er ausgestoßen hatte, hallte noch nach, doch er kümmerte sich nicht darum. Keuchend stützte er sein Gesicht in seine zitternden Hände und versuchte, seine Atmung unter Kontrolle zu bringen.

Noch Sekunden zuvor hatte er sich im Tartarus befunden. Und Annabeth-... Annabeth war wegen ihm gestorben.

Percy schluckte hart. Sein Körper war mit kaltem Angstschweiß überströmt, vermutlich war er blass wie ein Gespenst, doch seine Seele war ein einziges Frack. Innerlich war er ein einziger Scherbenhaufen, er fühlte sich, als würde er langsam an hundert kleinen Verletzungen verbluten.

Noch immer keuchte er und gab sein bestes, die Panikattacke, die ihn nun überkam, zu bekämpfen. Aus reinem Reflex tastete er neben sich das Bett ab, in der Erwartung, Annabeth vorzufinden, doch da war nichts. Nur ein Kissen und eine Bettdecke, aber sie nicht.

„Nein, nein, nein, nein.", murmelte er vor sich hin. Seine Hände zitterten noch mehr, als er sich hektisch in der Hütte umsah. Zuerst sah er nur Schwärze, doch dann starrten ihn plötzlich Augen in der Dunkelheit an.

In diesem Augenblick fiel ihm wieder ein, wo er war. 1861. Annabeth war nicht hier. Dieser Gedanke war nicht gerade beruhigend, immerhin konnte sie in seiner Zeit gerade am Sterben sein. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals, das Blut rauschte in seinen Ohren.

„Percy?", die Stimme ließ ihn erstarren.

Jetzt erkannte er, dass vor ihm die komplette Poseidonhütte versammelt war. Gleich darauf war ein schabendes Geräusch zu hören, dann war eine kleine Flamme zu sehen und letztendlich eine größere, als Ellen die kleine Öllampe anzündete.

Sie alle starrten ihn an, vor allem Bethany. Ihre Miene war ein bisschen mitleidig, aber größtenteils interessiert. Neugierig. Sie wollte wissen, was er geträumt hatte.

Die Blicke der Anderen halfen nicht, im Gegenteil. Sie zeigten ihm umso mehr, wo er sich befand und dass er sich nicht vergewissern konnte, ob es Annabeth gut ging. Er spürte, wie er erneut anfing zu zittern, seine Atmung beschleunigte sich wieder.

„Beruhige dich.", Scott sagte als Erster etwas. Er setzte sich auf die Bettkante und legte Percy eine Hand auf die Schulter. „Es war nur ein Traum."

Wenn das nur wahr wäre, dachte Percy und spannte seinen Kiefer an. Er sagte nichts und biss die Zähne zusammen, konzentrierte sich eine Minute nur darauf, kontrolliert ein- und auszuatmen. Wundersamerweise half es ein wenig. Physisch beruhigte er sich ein bisschen, doch psychisch tobte ein Hurrikane in ihm.

„Ich-... ich brauche frische Luft.", stotterte er schließlich. Percy schälte sich aus seiner Bettdecke und stand auf. Die Holzdielen waren kühl unter seinen Füßen, er verließ Hütte 3. Es kam ihm vor wie eine Flucht.

Draußen ließ er sich einfach auf den Kiesboden sinken und lehnte sich mit dem Rücken an die Außenwand an. Die Nachtluft war kalt, doch sie schärfte seine Sinne und half ihm, den Nachhall des Traumes zu verarbeiten.

Percy fragte sich, warum er gerade jetzt wieder Albträume hatte. Normalerweise nahmen er und Annabeth den Trank, der dies verhinderte. Vielleicht hatte es etwas damit zu tun, dass sein Körper und seine Seele nicht mehr verbunden waren. Auch, wenn Annabeth ihm jeden Abend den Trank einflößte, so würde er nicht seine Seele erreichen.

Er zuckte zusammen, als sich direkt neben ihm die Tür öffnete. Mit einem leisen Klicken fiel sie ins Schloss, Scott setzte sich neben ihn.

„Alter... das war übel. Selbst für Halbgott-Verhältnisse.", sagte er leise. Percy spürte seinen fragenden Blick, reagierte jedoch nicht darauf. „Willst du darüber reden?"

Die Macht der MeereWo Geschichten leben. Entdecke jetzt