KAPITEL XXXII

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Percy 

Der Rest des Tages verlief relativ normal, auch, wenn Percy nicht zur Ruhe kam. Die ganze Zeit hetzten sie durch das Camp oder erledigten irgendwelche Aufgaben, sodass er gar keine Gelegenheit dazu hatte, sich über alles, was er herausgefunden hatte, genauer Gedanken zu machen.

Außerdem war ihm klar, dass er noch immer nicht wusste, wo sich der Dolch befand. Ja, er wusste nun sicher, dass Bethany ihn versteckt hatte und dass sie womöglich die Einzige war, die ihm genau sagen konnte, wie man ihn fand. Aber wie sollte er sie das jetzt noch fragen, ohne, dass es zu auffällig war?

Er wusste es nicht.

Am Abend fand er sich dann am Lagerfeuer wieder. In dieser Zeit lief das alles ein bisschen anders ab, als in der Gegenwart und da sie sich im Krieg befanden, waren die Flammen auch nur halb so hoch, wie an den besten Tagen, die Percy je erlebt hatte. Trotzdem gab sich das ganze Camp Mühe, zumindest am Abend so unbeschwert wie nur möglich zu sein. Sie sangen die üblichen Lieder und unterhielten sich, manchmal war ein leises Lachen zu hören.

Die Flammen des Feuers in der Mitte des Amphitheaters waren zwei Meter hoch und eine ungewöhnliche Farbmischung aus Gelb und Grün. Er saß mit seinen Halbgeschwistern auf den steinernen Bänken und sang mit, doch gleichzeitig beobachtete er die Anderen ganz genau. Immer wieder blieb sein Blick an der Zeus-Hütte hängen.

Jetzt, in der Dunkelheit wirkten alle irgendwie entspannter. Als würden sie sich unbeobachtet fühlen und keinen Druck mehr spüren, so perfekt zu sein, wie es von einem Kind des Götterkönigs erwartet wurde. Oder, wie Louis es von ihnen erwartete. Dieser war der Einzige, der nicht mitsang. Er saß da und schenkte jedem, der an ihm vorbeiging, einen arroganten Blick.

Seine Geschwister dagegen lachten, hatten ihren Spaß und wirkten so normal, wie Jason und Thalia in Percys Zeit. Gar nicht mehr so, wie er sie zuerst wahrgenommen hatte: nämlich unglaublich arrogant und selbstsicher, wie die Superstars im Camp.

Er fragte sich, wie es wohl für ihn sein würde, wenn er erst einmal wieder in seiner eigenen Zeit war. Vorausgesetzt, dass er nicht verblasste. Natürlich war ihm klar, dass alle Halbgötter gerade hier versammelt waren, schon lange tot sein würden. Dieser Gedanke versetzt ihm plötzlich einen Stich. Ohne es zu wollen, hatte er seine Geschwister aus Hütte 3 in sein Herz geschlossen. Das war vielleicht dumm und leichtsinnig, aber Percy wusste, dass er einfach so war. Er konnte nicht einfach wochenlang unter ihnen leben, ohne, dass er irgendeine Bindung zu ihnen aufbaute. Das war schlichtweg unmöglich.

Percy fühlte sich auf einmal hin und hergerissen. Er wollte zurück in seine Zeit, er wollte endlich wieder Annabeth in seine Arme schließen, mehr, als alles andere. Aber als er nun seine Geschwister beobachtete, wie sie für ein paar Augenblicke hier Lagerfeuer ihre Sorgen vergaßen, spürte er eine Zugehörigkeit, wie noch nie zuvor in seinem Leben.

Natürlich hatte er in der Gegenwart seine Freunde, er war kein Einzelgänger, oder dergleichen, zumindest jetzt nicht mehr. Aber das hier war etwas komplett anderes. Seine Existenz war nicht mehr verboten, oder etwas Besonders. Stattdessen gab es mehrere von ihm, viele Kinder des Poseidons, die alle die gleichen Fähigkeiten hatten und einfach einer Gruppe angehörten.

In seiner Zeit hatte er so etwas nicht. Dort würde er wieder Percy Jackson, Held des Olymps und der mächtigste Halbgott aller Zeiten sein. Hier war er hingegen nur Percy, ein Sohn des Poseidons, einer unter vielen. Es war wie eine Atempause.

Diese Erkenntnis machte ihn traurig. Was war geschehen, dass er sich von seinem eigenen Leben erholen musste?

Um sich abzulenken, sah er wieder zu seinen Geschwistern, bis sein Blick an Scott hängen blieb. Er beteiligte sich nicht wirklich an den Gesprächen, die neben dem Gesang liefen, sondern starrte ins Feuer. So kam es Percy zumindest im ersten Moment vor. Doch dann sah er, dass er nicht das Feuer betrachtete, sondern etwas dahinter, auf der anderen Seite des Amphitheaters. Scott schien, als würde er nichts anderes auf der Welt mehr wahrnehmen, als das, was er gerade beobachtete.

Die Macht der MeereWo Geschichten leben. Entdecke jetzt