KAPITEL XXXIV

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Percy

Als Percy ein paar Tage danach die Augen aufschlug, wollte er sich am liebsten sofort wieder auf die andere Seite drehen und einfach weiterschlafen. Er war müde, seit zwei Tagen hatte er Kopfschmerzen. Woran das lag, konnte er sich denken.

Aber wenn er jetzt einfach im Bett liegen blieb, dann würde er vermutlich noch Stunden weiterschlafen und erst gegen Mittag aufstehen. Gegen sein Zombie-Aussehen würde das auch nicht helfen.

Außerdem war er zusammen mit Quinn, Ellen und Ryan zur Patrouille eingeteilt. So gerne er auch einfach liegen bleiben wollte, er konnte nicht. Er musste seinen Geschwistern helfen. Es wäre verantwortungslos, jetzt nichts zu tun und sie im Stich zu lassen.

Also stand er auf, warf einen kurzen Blick um sich, um festzustellen, dass sich die meisten seiner Halbgeschwister ebenfalls in ihren Betten bewegten und langsam aufwachten, dann ging er in das kleine Badezimmer im hinteren Teil von Hütte 3. Dort angekommen klatschte er sich erst einmal eine Menge kalten Wassers ins Gesicht, um ein bisschen wacher zu werden. Sein Blick huschte zum Spiegel.

Percy zuckte zusammen. Die Schatten unter seinen Augen waren tiefer geworden, von seiner Blässe abgesehen wirkte es so, als hätte er abgenommen. Sein Magen verkrampfte sich plötzlich vor Angst. Es ging einfach alles viel zu schnell.  Er fürchtete sich vor dem Moment, an dem seine Kräfte endgültig zu Ende gingen. Wenn er sich einfach schlafen legte und nicht mehr aufwachte.

Percy stützte sich mit beiden Händen am Waschbecken ab und versuchte, tief durchzuatmen.

Ich lebe noch, redete er sich ein. Ich muss nur endlich herausfinden, wo der Dolch ist, dann kann ich nach Hause. Dann bin ich wieder bei Annabeth und kann mich erholen.

Das half gerade drei Sekunden. Einen kurzen Augenblick lang dachte er wirklich, dass alles gut werden konnte. Dass er kurz vor seinem Ziel stand und es bald vorbei sein würde. Dann wurde er von der Wirklichkeit mit so einer Wucht überrollt, dass er das Gefühl hatte, ihm würde die ganze Luft aus seinen Lungen gedrückt. Percy keuchte.

Wie kam er nach Hause? Er wusste es nicht.

Wie konnte er seinen Freunden und den Göttern in seiner Zeit mitteilen, dass er es geschafft hatte? Und das, bevor es zu spät war?

Auf all diese Fragen kannte er keine Antwort.

Was, wenn er zwar wusste, wo sich der Dolch befand, er aber keinen Weg fand, um es den Anderen mitzuteilen? Was, wenn er nicht zurückkehren konnte? Was, wenn er verblasste und diese Informationen mit ihm für immer verschwanden?

Die letzten beiden Tage hatte er sich zusammengerissen, aber in diesem Moment musste er seine ganze Kraft aufbringen, damit er weitermachen konnte. Er schaffte es gerade so, diese Gedanken wieder in die hinterste Ecke seines Kopfes zu verdrängen. Es brachte ihn in diesem Moment nicht weiter, darüber nachzugrübeln und zu verzweifeln. Er würde schon noch eine Lösung finden, er musste nur daran glauben.

Hoffentlich.

Eine kleine Stimme in seinem Kopf sagte, dass es nicht richtig war, Probleme zu verdrängen und sich nie damit zu beschäftigen. Wenn er so weitermachte, dann war es irgendwann, als hätte er einen Damm gebaut, hinter dem sich alles aufstaute. Ein Damm, der langsam Risse bekam und die man erst entdeckte, wenn es zu spät war.

Ein leises Klopfen ertönte. Percy zuckte zusammen.

„Percy? Bist du bald fertig da drinnen?", Ellens Stimme klang verschlafen und müde.

„Ja. Ich hab's gleich.", Percy versuchte, das Zittern aus seiner Stimme herauszuhalten. Dann sah er noch ein letztes Mal in den Spiegel, seine grünen Augen leuchteten und waren weit aufgerissen. Er presste seine Lippen aufeinander und versuchte, entschlossen auszusehen, nicht so angsterfüllt, wie er sich gerade fühlte.

Die Macht der MeereWo Geschichten leben. Entdecke jetzt