Annabeth
Drei Tage.
Drei Tage lang unterdrückte sie inzwischen jegliche Gefühle und versuchte, nicht an dem, was sich in ihrem Inneren abspielte, zu zerbrechen. Insgesamt fand Annabeth, dass ihr das ganz gut gelang- bisher zumindest. Zwar störten sie die mitleidigen und besorgten Blicke ein wenig, doch inzwischen hatte sie sich daran gewöhnt und gelernt, diese zu ignorieren. Außerdem kannte sie solche Reaktionen schon von der Zeit, in der Percy verschwunden war.
Die Tage verbrachte sie damit, mit den anderen Hüttenältesten die Verteidigung des Camps zu organisieren. Sie machten große Fortschritte, die Patrouillen liefen ohne Probleme, lediglich am vorherigen Tag hatte es einen winzigen Zwischenfall mit einer Horde Telchinen gegeben. Es hatte den Halbgöttern keine Mühe bereitet, diesen kleinen, unkoordinierten Angriff abzuwehren.
Annabeth hatte sich seit sie klein war viel mit Kriegsstrategien beschäftigt und verbrachte die meiste Zeit damit, herumzurätseln, wie Pontos agieren würde.
Dieser kleine Angriff hatte bestimmt keinen Sinn gehabt. Dafür waren es zu wenige Monster gewesen. Außerdem hatte sich der Urgott bisher sehr bedeckt gehalten, das einzige, was auf seine Anwesenheit schließen ließ, war die Tatsache, dass er zwei Drittel der Weltmeere unter seine Kontrolle gebracht hatte.
Sie überlegte, wann und wo der erste richtige Angriff stattfinden würde. Es gab zu viele verschiedene Möglichkeiten, sodass sie sich auf keine wirklich festlegen konnte. Würde Pontos warten, um sie auszuhungern? Bis das ganze Camp von den ständigen Patrouillen und der Angst mürbe war? Oder würde er sofort angreifen, bevor das Camp alle Verteidigungsmaßnahmen in die Tat umsetzen konnte?
So, oder so, sie mussten jeden Tag mit einem Angriff rechnen. Dieser Gedanke setzte Annabeth zu, vielleicht war es genau das, was Pontos erreichen wollte: Die Halbgötter mürbe machen.
Sie gab ihr bestes, sie tat alles, was sie machen konnte, doch sie wusste, dass ihr Überleben und das Überleben des Camps allein von Percy abhing. Wenn er scheiterte, dann gab auch keine Möglichkeit, Pontos zu besiegen.
Heute Morgen hatte sie Chris dabei beobachtet, wie er zusammen mit Clarisse Schwert- und Speerkampfunterricht gegeben hatte. Dabei zuzusehen, wie sie den jüngsten und neuesten Campern das Kämpfen beibrachten, versetzte ihr ein Stich im Herzen, vor allem wenn sie daran zurückdachte, dass es normalerweise Percy war, der das übernahm. Vor gerade einmal einem Jahr hatte sie lächelnd und glücklich am Rande der Arena gestanden und hatte beobachtet, wie er die Kleinen unterrichtete. Nach der Stunde war er zu ihr gegangen, hatte sie geküsst, zusammen hatten sie sich dann auf den Weg zum Abendessen gemacht.
Diese Erinnerung fühlte sich wie ein Traum an, irgendwie unwirklich, fast, als wäre es nur die Ruhe vor dem nächsten Sturm gewesen.
Annabeth wünschte sich dorthin zurück.
Inzwischen war es Abend, durch die Fenster von Hütte 3 strömte kein natürliches Licht mehr. Stattdessen hatte sie eine einzige Lampe angemacht, sanft verströmte sie ein goldenes Licht, das tiefe Furchen und Schatten auf Percys bewegungsloses Gesicht zeichnete.
Sie hatte mit Will und der Apollon-Hütte besprochen, dass immer jemand bei Percy Wache halten würde, falls sich sein Zustand abrupt verschlechterte. Diese Nachtschicht hatte Annabeth übernommen, weil sie wusste, dass sie ohnehin nicht würde schlafen können. Die letzten beiden Nächte hatte sie damit verbracht, sich unruhig in ihrem Bett hin und her zu wälzen, nur wenige Stunden Schlaf waren ihr vergönnt gewesen. In dieser Nacht würde es nicht anders sein, also konnte sie auch etwas Nützliches tun. Auf Percy aufpassen zum Beispiel.
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Die Macht der Meere
FanfictionPercy und Annabeth gehen in Neu-Rom aufs College, die Halbgötter können in Frieden leben, mit jedem Tag verbessern sich die Beziehungen zwischen den Camps. Alles hätte so schön sein können. Doch dann erhebt sich Pontos, der Ur-Gott aller Meere- und...