Annabeth
Am vierten Tag baten die Anderen Annabeth, wieder zum normalen Campalltag zurückzukehren. Es war wie zu der Zeit, kurz nachdem Percy in die Vergangenheit geschickt worden war. Sie war ihm nicht von der Seite gewichen und hatte sich nur auf ihn konzentriert, um ihn zu unterstützen, wie sie nur konnte. Und dann kamen ihre Freunde, um ihr weiszumachen, dass sie nichts tun konnte.
Zuerst wollte sie nicht gehen. Aber Piper hatte einen ganzen Vormittag damit verbracht, gut auf sie einzureden. Ihr klar zu machen, dass sie auch dieses Mal nichts für Percy tun konnte. Es war ein Kampf, den er alleine ausfechten musste, niemand konnte ihm dabei helfen.
Irgendwann hatte ihre beste Freundin es geschafft. Annabeth stand auf und verließ Hütte 3. Als sie die Tür hinter sich zuzog, konnte sie innerhalb von zwei Monaten erneut hören, wie ihr Herz in tausende Einzelteile zerbrach. Dabei hatte sie es gerade eben erst wieder mit Hilfe ihrer Hoffnung zusammengeflickt. Und jetzt das.
Annabeth ging sich duschen und umziehen, dann machte sie sich auf den Weg zum Hauptgebäude, um sich über die Ereignisse informieren zu lassen. Während ihrem Weg durch das Camp Half-Blood spürte sie viele Blicke auf sich, die ihr folgten. Sie versuchte, das zu ignorieren, aber es war nicht so einfach. Sie konnte das Mitleid in den Augen der Anderen nicht ausstehen.
Als sie endlich beim Hauptgebäude ankam, ignorierte sie Chiron und wich seinen fragenden und besorgten Blicken aus. Wenn sie sich jetzt irgendwem anvertraute, dann würde sie vollkommen die Beherrschung verlieren. Das konnte und wollte sie sich nicht leisten. Also tat sie es so, wie damals: Sie stürzte sich mit allem, was sie hatte, in die Arbeit.
~
Tag sieben. Annabeth saß am Athene-Tisch im Speisepavillon und rührte lustlos in einer Schale Joghurt und Müsli, die vor ihr stand. Sie hatte keinen Hunger. Seit Tagen hatte sie nur das Nötigste gegessen, allein bei dem Gedanken, mehr zu sich zu nehmen, drehte sich ihr Magen um.
Sie spürte, dass auch sie inzwischen abgenommen hatte. Man sah es ihr nicht sehr an, aber ihre Finger waren zum Beispiel ein bisschen knochiger.
Sie wusste nicht mehr, woran sie glauben konnte. Sie glaubte ja daran, dass Percy sie liebte und das die Liebe mächtig war, aber so mächtig, dass sie Percy zu ihr zurückbringen konnte? So konnte es nicht mehr glauben.
Annabeth fragte sich, was sie tun musste. Wollten die Moiren sie testen und auf die Probe stellen? Wollten die drei Schicksalsgöttinnen herausfinden, wie sie unter diesen Umständen handelte?
Dabei hatte sie doch gekämpft. Sie hatte sich in das Gefecht gestürzt und alles gegeben. Sie hatte den Zorn der Götter und vor allem den von Zeus auf sich gezogen, sie hatte sich für den Menschen, den sie liebte, eingesetzt. Annabeth hatte sich um ihn gekümmert. Sie hatte weitergemacht und versucht, das Beste aus der Situation zu machen. Sie hatte ihre inneren Abgründe so gut es ging für sich behalten und weitergemacht.
Reichte das nicht?
Anscheinend nicht, denn sonst hätten die Moiren ihr nicht noch weitere Stolpersteine in den Weg gelegt. Und jetzt?Sie war es einfach leid, die ganze Zeit zu kämpfen.
~
Am neunten Tag hatte Annabeth das Gefühl, als würde sie endgültig durchdrehen. Schon als sie am Morgen in den Spiegel sah, bemerkte sie ihre unnatürliche Blässe. Sie hatte auch schlecht geschlafen. Zwar hatte der Trank, den sie jeden Abend vor dem Schlafen zu sich nahm, wie immer gewirkt, doch ihr Schlaf war trotzdem unruhig gewesen. Sie fühlte sich erschöpfter, als noch vor dem Einschlafen.
Beim Frühstück bekam sie keinen einzigen Bissen hinunter. Sie saß zwar bei ihren Geschwistern, doch sie beteiligte sich nicht an den Tischgesprächen. Stattdessen starrte Annabeth auf ihre Hände und versuchte, das Zittern zu verbergen.
Als das Frühstück endlich vorbei war und sie den Speisepavillon verlassen konnte, breitete sich Erleichterung in ihr aus. Sofort stand sie auf und ging. Ihr Weg führte sie direkt zu Hütte 3. Annabeth wollte nur noch alleine sein. Also würde sie sich dort zu Percy setzen.
Das Kind des Apollon, das auf einem der leeren Betten saß und ein Buch las, sah auf, als sie den Raum betrat. Nach ihrer Aufforderung verließ der Junge die Hütte und schloss die Tür hinter sich. Mit einem tiefen Seufzen schnappte sich Annabeth ihren Stuhl, zog ihn neben Percys Bett und ließ sich darauf nieder. Dann nahm sie seine Hand und wartete.
Die Tränen kamen langsam, aber stetig. Zuerst brannten nur ihre Augen, doch dann wurde es immer stärker, bis ihre Sicht verschwamm. Zuerst wollte Annabeth nicht wahrhaben, dass sie tatsächlich weinte, doch als dann die Tränen über ihr Gesicht strömten, sah sie der Wahrheit ins Gesicht. Sie war am Ende.
Ein Schluchzer bahnte sich einen Weg aus ihrer Kehle empor. Es war, als würde ein Damm brechen, der alles zurückgehalten hatte. Jede aufgestaute Emotion kam nun hervor.
Annabeth Schultern bebten, sie zitterte am ganzen Körper. Eigentlich wollte sie nicht weinen, aber sie konnte nicht mehr. Zu lange hatte sie dem Druck standgehalten, nun war sie unter ihm zerbrochen. In tausend kleine Stücke.
Sie war froh, dass sie alleine mit Percy in der Hütte war, so konnte niemand sehen, wie sie zusammenbrach und die Beherrschung verlor. Wenn es draußen geschehen wäre, dann wäre das nicht gut für die Moral gewesen.
Annabeth atmete stockend ein und aus und wischte sich mit dem Handrücken über das Gesicht, um die Tränenspuren zu beseitigen. Noch immer fühlte sie sich elendig, die Verzweiflung raubte ihr den Atem. Als hätte er gespürt, dass es ihr schlecht ging, erwiderte Percy ihren Handdruck.
Er erwiderte den Druck.
Erstaunt und vollkommen aus der Fassung gebracht, sah Annabeth auf. Das Gefühl war noch nicht vergangen, es war zwar schwach, aber immer noch da. Percy drückte ihre Hand.
Wie von selbst klappte ihr Mund auf. „Percy?"
Und dann, nach einer kleinen Ewigkeit, öffneten sich seine Lider und sie starrte in meergrüne Augen.
Yay, es ist geschafft! Das ist offiziell das Ende des ersten Teils der Trilogie! Jetzt kommt bei DMdM noch ein Epilog, dann eine Danksagung + Infos zu den weiteren Teilen, etc. Und wie immer: Ich freue mich sehr, dass ihr meine Story mitverfolgt!

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Die Macht der Meere
FanfictionPercy und Annabeth gehen in Neu-Rom aufs College, die Halbgötter können in Frieden leben, mit jedem Tag verbessern sich die Beziehungen zwischen den Camps. Alles hätte so schön sein können. Doch dann erhebt sich Pontos, der Ur-Gott aller Meere- und...