1.| »Entschluss«

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Nirgends brannte eine Lampe, nur ein schmaler Lichtstrahl hatte sich durch die Rollläden in Teresa Lisbons Büro gekämpft.
Draußen wehte ein lauwarmer Wind durch die kahlen Kronen der Bäume.
Die Straßen wurden von verschiedenen Autos schon reichlich befahren.
Ein Lastkraftwagen bretterte durch die Straße vorbei am Hauptquartier des CBIs. Die Kühe auf der Ladefläche jaulten ungeheuer laut, ihre Euter waren voll, schmerzten. Sie mussten gemolken werden, das stand fest, sonst würden sie einen qualvollen Tod erleiden.
Teresa wand sich auf der weißen Couch von der einen Seite auf die andere. Das Jaulen wurde zwar leiser, trotzdem hatte es sie aus dem Schlaf gerissen.
Die brünnette Polizistin öffnete ihre Augen, blickte geradewegs zu dem Lichtstrahl, welcher sich an der Decke abzeichnete. Für einen kurzen Moment blieb sie liegen, ehe sie die Decke zurückschlug und sich aufsetzte. Ihr Rücken schmerzte und signalisierte ihr abermals, dass dies kein Zustand mehr war: Jeden Abend um Punkt 22 Uhr verließ sie das Gebäude, um kurz darauf durch den Hinteringang ungesehen zurück zu kommen und sich ihren Schlafplatz zeitig einzurichten.
Sie stellte sich auf die Beine und taumelte kurz, ihr Kopf pochte.
Sie wusste, dass es so nicht weitergehen konnte, trotzdem unternahm sie dagegen nichts.
Sie hielt es in ihren eingenen vier Wänden einfach nicht mehr aus. Jedes Mal, wenn sie ihre Wohnung betrat, schnürte es ihr die Kehle zu, die Wände nahmen ihr den eigentlichen Platz weg und erdrückten sie.
Der Blick auf ihre Handyuhr zeigte ihr, dass sie noch ein paar Stunden hatte, bis die ersten Mitarbeiter und Kollegen, insbesondere Jane, eintrudeln würden.
Sie war überrascht gewesen, als der Blondschopf ihr, vor zwei Wochen, einen Zettel zugeschoben hatte, auf dem eine Adresse stand und ihr erklärte, dass es seine sei.
Ja, er hatte sein Haus in Malibu verkauft und hatte sich um eine Wohnung bemüht. Es freute sie, immerhin war Red John nun tot und Patrick Jane hatte das bekommen, was er wollte. Zwar starb der Mörder seiner Familie nicht durch seine eigene Hand, sondern durch einen Kugelregen - die tötliche Kugel war aus Teresas Pistole gekommen stellte sich später heraus - , dennoch war es Genugtuung gewesen. Ob Jane sich im Nachhinein mit Red Johns Tod wirklich zufrieden gab oder ihn doch lieber hinter Gittern sehen wolle, konnte sie nur munkeln.
Während sie ihren Schlafplatz wieder aufräumte und die Spuren verwusch, dass sie abermals hier geschlafen hatte, kroch wieder der Gedanke in ihren Kopf, der sie mit ihren Berater verglich. Damals war er es gewesen, der hier genächtigt hatte und sie diejenige, die ihn jedes Mal darauf hinwies, dass es so nicht ging, dass es nicht gesund war. Und jetzt? Jetzt war sie die, die seit ein paar Wochen auf der Couch schlief, hier regelrecht wohnte und heimlich Rigsbys Vorräte aß, wenn sie vergessen hatte, sich etwas mitzubringen. Was sie etwas erleichterte aber war, dass ihr Berater davon nichts wusste.
Sonst hätte er mich darauf doch schon angesprochen., rief sie sich immer wieder ins Gedächtnis, wenn sie doch wieder Zweifel bekam.
Teresa nahm die Taschenlampe mit, schlich dann durch den Flur, obwohl sie nicht hätte leise sein brauchen. Die Lampe benutzte sie lieber als das Großlicht, sie wollte es nicht riskieren, dass Anbürger sich wunderten, warum in der Regierungsbehörde, dem California Bureau of Investigation, schon um vier Uhr das Licht brannte, obwohl kein großer Fall - nein, für sie war jeder Mord ein großer Fall gewesen, egal welcher Mensch es war, Obdachtloser, Bibliothekar oder Model, sie alle hatten eine Familie und jeder verdiente es, Gewissheit zu bekommen - ihre Aufmerksamkeit verlangte.
Die Polizistin schob eine Tür auf und polterte mit leichten Schritten das Treppenhaus herunter.
Unten angekommen knipste sie die Taschenlampe aus und schaltete dafür die Lampe an der Decke an. Der geflieste Raum, in welchem sich die Spinde befanden erhellte sich.
Sie schloss mit dem kleinsten Schlüssel an ihren Schlüsselbund ihren Schrank auf und ließ den Blick einmal hineinschweifen: Ein sauberes Wechselpaar Klamotten hatte sie noch, die anderen musste sie wohl oder übel waschen.
Sie nahm die Sachen und ein Handtuch, legte die Lampe hinein, klappte die Strahltür zu. Abschließen musste sie nicht, immerhin war sie alleine.
Das warme Wasser prasselte angenehm auf ihren Körper nieder. Ihre Schultern sanken herab und die professionelle Haltung von Autorität verschwand. Die Augenlider schlossen sich und ihr Kopf senkte sich, die Haare klebten an ihren Wangen, wie Blut an den Händen eines Mörders. Wenn man es genau nahm, dann war sie auch ein Mörder. Sie hatte Menschen getötet, auch wenn sie selber Verbrecher waren.
Sie war ein Organ des States, das töten durfte, wenn es zu heikel wurde und dafür wurde sie nicht bestraft - Mord nach Erlaubnis der Regierung.
Schrecklich!
Sie konnte langsam nicht mehr. Alles hielt sie auf Trapp, Jane, das Team, ihr Chef, nur die Morde im Moment ließen nach - was sie sehr erfreute.
Trotzdem wollte sie hier raus: Raus aus ihrer Wohnung, raus aus dem Team - auch wenn es ihr das Herz brechen würde - , raus aus Sacramento.
Sie wollte keine Polizistin mehr sein.
Es gab genug gute Agents, die ihren Posten übernehmen würden, wenn sie kündigte. Es war ihr sogar egal, wenn David Rensen, ein Mann mitte vierzig, ab sofort ihr Team übernahm.
Nach zwanzig Minuten, in denen sie sich gewaschen hatte, den Großteil aber nur dort stand, drehte sie den Hahn zu und wrang ihre Haare aus, stieg danach aus der Dusche.
Fast hätte sie aufgeschrien, als sie die Rückansicht einer Person sah, die auf der überflüssigen, eingefliesten Bank saß; Patrick Jane's Gestalt.
Schnell ergriff sie das Handtuch, trocknete sich ab und wickelte sich ein, band sich einen Dutt mit dem nassen Zopfgummi, welches um ihr Handgelenk lag.
„Das ist kein Zustand mehr.", erklärte er und rutschte auf der Bank so herum, dass er sie nun ansehen konnte.
Sie zog ihr Handtuch fester um den Körper. „Ich weiß nicht, was Sie meinen." Die Autorität, die vorhin gegenagen war, war immer noch nicht zurückgekehrt.
„Ach Lisbon.", Jane erhob sich, strich sein Jackett glatt, er schien auch noch nicht lange wach zu sein - die müden Augen verrieten ihn.
Die Frau schraffte ihre Schultern, atmete kurz tief durch und verließ dann den kleinen Raum, die Luft dort drinnen schnürte ihren Hals zu, genauso wie ihre Wohnung es tat.
Die Schritte hinter ihr, ließen sie wissen, dass er folgte.
Wann verfolgte er sie nicht?
Wann hing er ihr nicht am Arsch?
„Umdrehen.", forderte sie, als sie bei einer Holzbank angegekommen war und ihre Sachen erblickte.
„Schon geschehen."
Sie blickte über ihre Schulter, stellte fest, dass er ihr wirklich den Rücken zugedreht hatte.
„An ihrer Rückseite habe ich mich vorhin ja schon sattgesehen.", gab er provokant auf ihre stillen Gedanken zurück.
„Schwein.", murmelte sie.
Er grnuzte.
Während Lisbon in ihre Sachen schlüpfte, fing er wieder an zu sprechen. „Eine gute Freundin gab mir mal den Rat, dass es ungesund sei, auf einer Couch zu schlafen. Vielleicht sollte ich diesen Rat an Sie weiter geben."
Sie hielt inne, sah auf ihren Pullover nieder, blieb still. Es war zu dem Moment gekommen, den sie verhasst erwartet hatte.
„Was ist los?"
Lisbon zuckte zusammen, als sich seine warmen Hände auf ihre unbedeckten Schultern legten.
„Nichts, es ist nichts."
„Wir sind Freunde, richtig?", stellte er ihr die Frage, erwartete aber keine Antwort und sprach weiter. „Und Freunde können sich vertrauen. Ich habe Ihnen auch vertraut, als es um meine Familie ging."
„Es, es-" Teresa lehnte sich nach hinten, ließ die Arme sinken, hielt dabei den Pulli mit lockerem Griff. Ihr Rücken knallte leicht gegen seinen Brustkorb. „Es ist nur-" Sie durfte sich nicht von ihren Gefühlen leiten lassen.
Noch ein Grund dafür, warum sie weg wollte: Sie hatte sich verliebt. Sie war verliebt in ihren Berater und langsam konnte sie die Gefühle gar nicht mehr unterdrücken.
Seine Arme legten sich um ihren schmalen Körper.
Einmal mehr zeigte sie ihm, wie zerbrechlich seine Chefin doch eigentlich war.
Menschen waren nunmal zerbrechliche Wesen. Jeder war es, irgendwo fand man immer wunde Punkte, bei einigen mehrere, bei anderen wenigere.
Der Stoff fiel zu Boden und ihre Hände legten sich an seine, die sich vor ihren Dekolleté verschränkt hatten. Ihre Finger waren kalt.
„Vor einigen Wochen, wurde eine junge Frau, ihre Name war Cindy, in der Wohnung gegenüber von ihrem Freund abgestochen. Sie hatten Beziehungsprobleme.", ihr Brustkorb bebte.
Jane hätte nie gedacht, dass ihr so etwas zusetzen würde, immerhin hatte sie schon etliche Leichen gesehen. Leichen mit schlimmeren Verletzungen, die abartig zugerichtet wurden.
„Ich konnte sie nicht retten, Jane. Sie ist in meinen Armen verblutet. Überall war Blut, überall.", ihr entwich ein Schluchzen, doch die Tränen blieben verschollen.
Jedes Mal, wenn ein Mensch starb, zerbrach in ihr etwas und wenn sie dann die Leiche sehen musste, färbte sich das abgebrochene Stück schwarz und verschwand aus ihren Körper, machte sie zu einer gebrochener Persönlichkeit.
Die Gedanken in ihrem Kopf begannen zu kreisen wie ein Tornado oder eine Windrose.
Behutsam drehte er sie zu sich um, dabei wurde Lisbon etwas schwindelig. Sie wandte ihren Blick ab, starrte zu Boden. „Es ist erdrückend, wenn ich zu Hause sitze.", flüsterte sie.
Patrick war still. Sonst hatte er immer etwas zu sagen, doch nun: Nichts.
„Ich ... ich glaub, ich werde kündigen.", brachte sie gequält hervor. „Ich kann mir dieses Elend nicht mehr ansehen, Jane."
„Aber Lisbon-", setzte er an.
Sie unterbrach ihn mit einem Kopfschütteln, legte dann ihre Arme um ihn.
Er konnte das doch nicht zulassen. Sie beide wussten, dass Lisbon immer wieder auf der Klippe stand, weil er etwas angestellt hat und doch konnte man sie immer wieder zurück auf die sichere Seite holen, aber jetzt? Jetzt wollte sie kündigen und ihrem Rivalen David Rensen den Posten der Führung überlassen.
„Lisbon-" er entschied sich dafür, dass es im Moment besser war, sie als Freundin anzusprechen. „Teresa. Sie, Sie sind die Beste für unser Team und wenn ich das sage, dann spreche ich auch für die anderen. Wir brauchen Sie." Seine Hand strich über ihren Rücken.
Sie erwiderte nichts, ihr Entschluss stand fest: Sie würde kündigen und das noch an diesem Tag.

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Der Ring des DrachensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt